Eine umfangreiche Studie aus Spanien belegt, das viel Obst, Gemüse und Fisch sowie Olivenöl und Rotwein in Maßen Herzinfarkten und Gefäßkrankheiten vorbeugen können. Wichtig ist auch ein mediterraner Lebensstil.

Stuttgart - Das moderne Griechenland kann durchaus auch als Vorbild taugen. Jedenfalls fiel dies schon vor etwa 50 Jahren dem amerikanischen Physiologen Ancel Keys auf. Der staunte einst beim Blick in die Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO über die niedrigen Cholesterinwerte und die wenigen Infarktopfer in diesem Mittelmeerland und begann, der Sache auf den Grund zu gehen. In der sogenannten Sieben-Länder-Studie beobachtete er 15 Jahre lang 16 000 Männer aus Europa, Japan und den USA. Das Ergebnis: auf der griechischen Inseln Kreta gab es damals fast keine Herzinfarkte. Auch 25 Jahre später verstarben in Nordeuropa und den USA dreimal mehr Menschen an einem Verschluss der Herzgefäße als an der Mittelmeerküste – der Mythos von der Kreta-Diät war geboren. Das viele Gemüse, der Fisch, das Olivenöl und der regelmäßige Rotwein auf der Speisekarte der Inselbewohner, so spekulierte der Wissenschaftler damals, halten das Herz gesund und kräftig.

 

In der Fachzeitung „New England Journal“ haben nun spanische Wissenschaftler einen überzeugenden Beweis dafür geliefert, dass man allein durch die Ernährung Herz-Kreislauf-Krankheiten vermeiden kann. In einer Studie hatten sie insgesamt 7447 übergewichtige Menschen, Raucher, Diabetiker oder Menschen mit anderen Risikofaktoren per Los drei Gruppen zugeteilt.

Die Versuchsteilnehmer mussten nicht darben

Die Mitglieder der einen Gruppe wurden instruiert, weniger Fett zu essen, die der anderen beiden darin beraten, dem griechischen Speiseplan zu folgen und eine sogenannte mediterrane Diät einzuhalten. Wobei ein Drittel der Probanden die Mittelmeerkost zudem durch vier tägliche Esslöffel Olivenöl ergänzen sollte. Weitere fast 2500 Probanden wiederum bat man, jeden Tag eine großzügig bemessene Handvoll Nüsse zu essen.

Auch sonst mussten die Probanden laut mediterranem Speiseplan kaum darben: Dreimal am Tag gab es Obst, mindestens zweimal Gemüse, Fisch stand dreimal wöchentlich oder noch öfter auf dem Diätplan. Und zu jedem Abendessen durften sie sich ein Glas Rotwein genehmigen. Auch Schokolade mit hohem Kakaoanteil, Nüsse und Eier konnten ohne Einschränkung gegessen werden. Verzicht geübt werden sollte nur bei Wurst, Backwaren und Milchprodukten. Schweine- oder Rindfleisch, so die Anweisung, sollte zudem durch Geflügel ersetzt werden.

Trotz üppiger Diät nicht zugenommen

Nach vier Jahren und fast zehn Monaten wurde die Studie abgebrochen; es schien ethisch nicht mehr vertretbar, den übrigen Probanden die Mittelmeerkost zu verweigern. Um 30 Prozent lag die Zahl der Herzinfarkte, Schlaganfälle und kardiovaskulären Todesfälle bei den Konsumenten dieser Diät niedriger als bei den anderen Versuchspersonen. Erstaunlich auch: die Teilnehmer hatten ihre Mittelmeerdiät in der Regel nicht nur durchgehalten, sie hatten trotz der üppigen Kost auch nicht zugenommen. Die Konkurrenten mit fettarmer Kost dagegen versündigten sich gleich reihenweise an ihrem Essensplan.

„Diese sehr wichtige Studie bestätigt endgültig, was wir als Herzexperten schon lange annehmen“, sagt Helmut Gohlke, der Vorsitzende der Projektgruppe Prävention der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Eine gesunde Ernährung könne Herzkrankheiten und Schlaganfälle verhindern. Selbst wenn die Patienten schon Medikamente für Kreislauf, Herz oder Blutfette nehmen, auch das beweise die Studie, sei der Effekt der Diät so groß, dass er sich immer noch positiv auswirke.

570.000 Menschen wurden beobachtet

Schon bisher, erklärt der Experte, war die Datenlage in dieser Hinsicht recht üppig: Bereits insgesamt 570 000 Menschen wurden laut Gohlke zur Untermauerung der These beobachtet. „Die Ergebnisse sind homogen. Mit einer mediterranen Kost lässt sich das Risiko nicht nur für atherosklerotische Komplikationen, sondern sogar für Krebs um 25 bis 30 Prozent senken.“ Kürzlich wurde sogar eine Studie veröffentlicht, die auch auf einen positiven Einfluss auf das Gedächtnis hinweist.

„Was noch fehlte, war der Beweis, dass die Ernährungsumstellung tatsächlich ursächlich für diese Verbesserungen ist“, sagt Hans-Georg Joost, Leiter des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam. Erst durch das strenge Regelkorsett der neuen Studie gilt als belegt, dass nicht die viele Sonne, die steilen Bergwanderungen und die gute Seeluft den Kreter länger leben lässt, sondern vor allem sein gesundes Essen.

Noch eine weitere positive Botschaft zieht der Experte aus der Arbeit: „Gesund leben muss nicht gleichbedeutend mit Askese sein.“ Im Gegensatz zu einer fettreduzierten Kost scheine ein mediterraner Ernährungsplan auch von den Menschen durchgehalten zu werden – „und macht noch nicht einmal dick“, sagt Joost. Selbst die „Verteufelung“ von cholesterinreichen Eiern, so Gohlke, gehört spätestens jetzt der Vergangenheit an.

Warum ist Mittelmeerkost gesund?

Eine Frage lässt jedoch auch die Arbeit der Gruppe von Ramon Estruch von der Universität Barcelona unbeantwortet. Was genau macht die Mittelmeerkost eigentlich so gesund? Die an ungesättigten Fettsäuren reichen Nüssen und Ölivenöle alleine scheinen es nicht zu sein. Weder die Gruppe mit der Extraportion Nüsse noch die mit den in Olivenöl getränkten Speisen schnitt besser als die andere ab. Auch am Beweis der Solowirkung des Rotweins hat sich die Wissenschaft bereits vergeblich versucht.

„Welche Substanz im Einzelnen für die Wirkung der mediterranen Kost verantwortlich ist, darüber kann man nur spekulieren“, sagt DIfE-Chef Joost. „Es ist wohl das ganze Ernährungskonzept“, ergänzt der Herzmediziner Gohlke. Zutaten wie Gemüse, Obst und Olivenöl, da sind sich beide Wissenschaftler einig, dürften dabei eine besonders große Rolle spielen. „Aber ein gesunder mediterraner Lebensstil, das ist nicht einfach nur, das Essen beim Italiener an der Ecke zu konsumieren“, sagt Joost. Dazu gehöre noch mehr: „Oliven, Tomaten, ganz wenig Fleisch und Süßes, und auch das Auf und Ab in den Bergen, die Bewegung.“ Diese Form der kretischen Diät wird allerdings auch nicht mehr von vielen Griechen eingehalten. Der Forscher Ancel Keys, so glauben viele Wissenschaftler deshalb, würde heute seine so unfassbar gesunden Inselbewohner vergeblich suchen.

Wie man sich mediterran ernähren kann

Selber kochen
Milligramm für Milligramm müsse niemand die griechische Kost in Deutschland nachkochen, raten Experten. Aber ein paar einfachere Ratschläge haben sie an den Gesundheitsbewussten schon: Meiden sie Fertigprodukte und Fast Food – Selberkochen ist angesagt.

Zutaten
Mit Gemüsen, Obst und pflanzlichen Ölen kann man es kaum übertreiben, vor allem wenn das Öl wie Olivenöl viele ungesättigte Fettsäuren enthält. Transfette dagegen, wie sie in vielen Backwaren, Frittiertem und Kartoffelchips vorkommen, gelten als gefährlich. Fleisch
Fleisch von Schwein und Rind sollte nur in Maßen, am besten gar nicht auf dem Speiseplan stehen. Als schmackhafte Alternative bietet sich Geflügel und Fisch an, am besten fetthaltige Sorten wie zum Beispiel Hering, Sardine, Lachs, Thunfisch und Aal.

Nüsse statt Chips
Nüsse haben zwar bis zu 70 Prozent Fettgehalt, darin verbergen sich aber viele ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Mineralien sowie Ballaststoffe. Empfehlenswert: Nüsse statt Chips beim Fernsehen, und jeden Tag eine großzügig bemessene Handvoll davon.

Rotwein
Alkohol schützt die Gefäße, auch das vor allem im Rotwein enthalten Resveratrol gilt als gesundheitsfördernd. Weil Alkohol aber das Risiko für Krebs, Lebererleiden und Übergewicht fördert, lautet der Rat: Finger weg und wenn doch, dann nur ein Gläschen am Abend.