Dextro Energy darf nicht mit Gesundheitsversprechen werben. Das hat der Europäische Gerichtshof jetzt entschieden.

Luxemburg - Dichtung und Wahrheit pflegen bei der Werbung eine ganz besondere Partnerschaft. Dass die als babygerecht angepriesene Nahrung tatsächlich der Überfütterung dient, dass eine Hühnersuppe praktisch ohne Geflügelanteil auskommt, das alles gehört fast schon zum Alltag. Immerhin: Seit dem Jahr 2006 muss die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, Efsa, jede Werbung prüfen, die eine Extraportion Gesundheit verspricht. Demzufolge hat die EU dann diese sogenannten Health Claims deutlich eingeschränkt. Lebensmittelhersteller hatten beispielsweise 2011 rund 44 000 Anträge auf Zulassung entsprechender Hinweise eingereicht, gerade 220 wurden angenommen. Bei dem Wunsch der deutschen Firma Dextro Energy, ihre Traubenzucker mit Sätzen wie „Glucose trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei“ zu schmücken, hatten die Behörden keine Bedenken. Andere schon.

 

Am Donnerstag nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass diese und ähnliche Aussagen unzulässig sind. Der Streit ist heftig, es war bereits eine Entscheidung in zweiter Instanz. Denn auch wenn die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit seinerzeit nichts gegen die Traubenzuckerwerbung hatte – die EU-Kommission schon. Die befand, dass die Angaben ein „widersprüchliches und verwirrendes Signal an den Verbraucher senden“, da dieser dazu aufgerufen werde, „Zucker zu verzehren“ – obgleich nationale wie internationale Behörden empföhlen, den Genuss davon weitestgehend einzudämmen.

Auch der Satz „Glucose unterstützt die normale körperliche Betätigung“ ist daher so korrekt wie unzulässig. Tatsächlich haben Forscher nachgewiesen, dass die Einnahme von Traubenzucker munter macht und die körperliche Aktivität steigert. Allerdings kommt es nach dem Verzehr zu einer hohen Insulinausschüttung, und der Blutzucker sinkt rapide, weshalb für eine ausgewogene Energieversorgung eine vollkornhaltige Ernährung weitaus bekömmlicher ist.

Verbraucherschützer begrüßen das Urteil

Ist das nun übertriebene Gesetzestreue? Zumindest Verbraucherschützer begrüßen das Urteil: Ihrer Meinung nach nutzen die Hersteller in der Regel die Spielräume aus, die ihnen der gesetzliche Rahmen lässt: So erklärte die Organisation Foodwatch nach der Urteilsverkündung, es sei nun „höchstrichterlich bestätigt“, dass ungesunde Produkte „nicht mit irreführenden Gesundheitsversprechen werben“ dürften. Denn das eine auf die Gesundheit abzielende Verpackung eines Lebensmittels durchaus das Kaufverhalten beeinflusst, hat der Verbraucherzentrale-Bundesverband in Zusammenarbeit mit der Universität Göttingen im Jahr 2014 schon untersucht. Sie haben herausgefunden: Produkte, die groß werben mit Vitaminen oder Abbildungen von schlanken Menschen, verkaufen sich besser. Meist bezahlt der Kunde auch einen deutlich höheren Preis für solche Lebensmittel.

Das Problem: Viele verstehen die Werbeaussagen nicht oder missverstehen sie: Beispielsweise denken mehr als 90 Prozent der Verbraucher beim Hinweis „ungesüßt“ oder „ohne Zuckerzusatz“, dass das Produkt keinen Zucker enthält. Ein Irrtum, so die Verbraucherschützer. Zwar wurden dem Lebensmittel kein Zucker und andere süßende Lebensmittel hinzugegeben. Das heißt aber nicht, dass das Produkt zuckerfrei ist: Handelt es sich beispielsweise um einen Apfelbrei, enthält dieser sehr wohl den fruchteigenen Zucker aus den Äpfeln. Noch gravierender sind die Effekte bei Lebensmitteln, die so viel Zucker enthalten, dass sie schon wieder als ungesund gelten – aber durch Gesundheitsversprechen wie „enthält eine Extraportion Vitamin C“ aufgewertet werden sollen. Das ist beispielsweise bei Gummibärchen häufig der Fall.

Um solche Missverständnisse zu vermeiden, wollte die EU schon vor mehr als zehn Jahren Grenzwerte für Zucker, Salz und Fett festlegen. Doch bis heute ist nicht klar, ob diese Nährwertprofile überhaupt eingeführt werden, heißt es bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Bislang schreibt der Gesetzgeber vor, dass Produkte, die werbliche Aussagen bezüglich ihres Nährstoffgehalts tragen, auf der Verpackung eine sogenannte Nährwertkennzeichnung aufweisen müssen. „Ein Blick auf die Packungsrückseite lohnt sich also für den Vergleich verschiedener Produkte“, so die Verbraucherschützer.

Information
Das Portal www.lebensmittelklarheit.de wurde von den Verbraucherzentralen und der Bundesregierung eingerichtet. Verbraucher können dort Produkte, von deren Werbung oder Inhaltsangaben sie sich getäuscht fühlen, melden.