Forscher identifizieren im Erbgut Aroma-Komponenten, die modernen Früchten fehlen.

Stuttgart - Aus dem eigenen Garten schmecken Tomaten einfach besser als aus dem Supermarkt. Hobby-Gärtner sind davon schon seit Jahrzehnten überzeugt, handfeste naturwissenschaftliche Beweise waren bisher aber Mangelware. Denise Tieman und Harry Klee von der University of Florida in Gainesville sowie Guangtao Zhu und Sanwen Huang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shenzhen liefern gemeinsam mit weiteren Kollegen in der Fachzeitschrift „Science“ jetzt überzeugende Indizien. Demnach haben die modernen Sorten bereits im Erbgut die Bauanleitungen für viele Zucker, Säuren und Aromen verloren. Diese Substanzen aber verleihen alten Sorten, wie sie in Kleingärten oft noch angebaut werden, ihren typischen Geschmack.

 

Genau 398 unterschiedliche Linien von den Urahnen in der Natur über die alten Sorten bis hin zu den Supermarkt-tauglichen Tomaten des 21. Jahrhunderts haben die Forscher in einer Mammutaufgabe unter die Lupe genommen. Sie entdeckten dabei eine verhängnisvolle Entwicklung, die den Tomaten im Laufe vieler Jahrzehnte den Geschmack raubte. So enthält eine Frucht meist nur extrem wenig Moleküle eines bestimmten Aromastoffes, von denen sie wiederum einige verschiedene produziert. Erst eine bunte Mischung solcher Substanzen gibt dann das typische Aroma für diese Frucht. Lässt sich schon ein einzelner Aromastoff nur mit hohem Aufwand analysieren, tendiert eine Untersuchung aller Geschmacksmoleküle einer Tomate daher schnell in Richtung unmöglich.

Große Früchte bringen mehr Gewinn

Da wundert es nicht, dass der Geschmack einer Tomate nicht ganz oben auf der Prioritäten-Liste der Züchter landete und diese sich auf andere Eigenschaften konzentrierten, die sich einfacher kontrollieren lassen und die ohnehin in der modernen Wirtschaft immer wichtiger wurden. Zum Beispiel überstehen weiche Früchte lange Transportwege zum Großhändler und später weiter in den Einzelhandel nur schlecht. Also suchten die Züchter nach Pflanzen mit eher festen Tomaten. Weil sich außerdem große Früchte erfahrungsgemäß meist besser verkaufen und einen höheren Gewinn bringen, sollten die neuen Sorten auch relativ groß sein.

Wer Tomaten kauft, legt dagegen häufig auch Wert auf guten Geschmack. Um die Moleküle aufzuspüren, die hinter diesem Aroma stecken, durften bei den Versuchen die Probanden 160 Tomaten verschiedener Sorten verspeisen. Anschließend bewerteten sie, wie die Früchte geschmeckt hatten und wie intensiv ihr Aroma war. Danach identifizierten die Forscher in den Früchten 28 Moleküle, die immer vorhanden waren, wenn eine Frucht als schmackhaft und mit intensivem Aroma beurteilt worden war. 13 dieser Duftstoffe waren in den alten Sorten viel stärker als in den modernen Tomaten vertreten: Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert hatten die roten Früchte also tatsächlich einen großen Teil ihres Geschmacks verloren.

Moderne Tomaten haben wenig Zucker

Im Erbgut der 398 untersuchten Tomaten-Linien können die Forscher die Spuren dieser Entwicklung verfolgen und vor allem die Erbeigenschaften identifizieren, die für den Geschmacksverlust heutiger Früchte verantwortlich sind. Mit diesen Informationen an der Hand können sich Züchter an die Arbeit machen und die verlorenen Aromen wieder in die festen Tomaten unserer Zeit hineinzüchten. Da diese Geschmacksstoffe nur in extrem geringen Mengen vorkommen, müssen die Erträge darunter kaum leiden.

Mit einer Ausnahme: Moderne Tomaten enthalten auch viel weniger Zucker als die alten Sorten. Um diesen Verlust zu kompensieren, müssten die Pflanzen relativ viel Energie einsetzen, die dann beim Wachstum der Früchte fehlt. Süßere Tomaten bleiben also kleiner. Auch das sollte aber kein Problem sein: Schließlich spielt die Größe der Früchte eine viel geringere Rolle als ihr guter Geschmack.