Regional, saisonal, möglichst pflanzlich: das ist die beste Ernährung für den Planeten. Doch in Stuttgart gibt es da teils Interessenskonflikte – und fehlendes Wissen. Der Ernährungsrat will Abhilfe schaffen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

In Schulmensen treffen manchmal Welten aufeinander, die kaum zu vereinen sind: Manche Eltern wünschen sich mehr vegetarisches Essen oder regionale Lebensmittel in Bio-Qualität für ihre Kinder. Den anderen sind die Speisen schon jetzt zu teuer, und sie wollen nicht mehr bezahlen. Und die Schüler mögen vielleicht am liebsten Spaghetti Bolognese. Für Großküchen und Schulen ist das ein echter Spagat – vor allem wenn sie von Eltern aus unterschiedlichen Lagern behelligt werden. In solchen Fällen könnte der Stuttgarter Ernährungsrat künftig vermitteln.

 

Manche bekommen Geld, andere sind Ehrenamtliche

„Wir sind keine Ernährungsberatung, davon gibt es schon genügend gute“, betont Ulrich Ostarhild, der Geschäftsführer. Der Ernährungsrat sei ein Verein, der rund um Lebensmittelpolitik berate, vernetze und vermittele. „Die Frage ist: Wie kommen wir zu einem vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln?“, sagt er.

Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Richtungen: Ulrich Ostarhild ist beispielsweise Agraringenieur sowie Berater in Sachen Nachhaltigkeit, an etwa zwei Tagen pro Woche arbeitet er für den Ernährungsrat. Jana Gutzat ist Energie- und Umweltingenieurin und hat nun eine 66-Prozent-Koordinationsstelle für den Verein. Tanja Goldstein ist die Gründerin des Heaven’s Kitchen; dem veganen und Zero-Waste-Restaurant auf der Theodor-Heuss-Straße, das kürzlich den Gastropreis erhielt. Bettina Lutterbeck ist Politologin, hat bis vor drei Jahren in Costa Rica gelebt und ist Fachreferentin für Landwirtschaft, Ernährung und Handel. Sie wünscht sich, dass sich die Menschen so fair und regional wie möglich ernähren: „Wir hinterlassen durch unsere Ernährung einen massiven CO2-Fußabdruck – nicht nur im Globalen Süden, auch beispielsweise in Italien.“ Ein Ziel des Vereins ist es, dass künftig in Großküchen der Region auch Gemüse aus der Region verwendet wird. Bisher hat die Region Stuttgart bei Gemüse lediglich einen Selbstversorgeranteil von 12 Prozent, Baden-Württemberg liegt bei 24 Prozent.

Vorurteile gegenüber veganer Ernährung

Eine weitere Aufgabe sehen die Vereinsmitglieder in der Aufklärung, „da haben wir noch viel zu tun“, sagt die Gastronomin Tanja Goldstein. Immer wieder seien Menschen etwa überzeugt, dass Veganer ihnen das Schnitzel wegnehmen wollten, dass eine pflanzenbasierte Ernährung gar nicht satt mache und täglich Tofu bedeute – oder sie wüssten überhaupt nicht, was vegan bedeute und warum etwa auch Wein oft nicht vegan sei.

Nicht nur Experten gesucht

Mittelfristig will der Ernährungsrat auch Start-ups aus dem Ernährungsbereich unterstützen: So haben Studierende der Uni Hohenheim einen veganen Käse auf der Basis von Bohnen entwickelt, „Viva la Faba“. Das Produkt kommt ohne klimaschädliche Inhaltsstoffe wie Kokosfett aus. Aber: Das Ausgangsprodukt, also die Bohne, muss derzeit noch aus Finnland importiert werden.

Die Arbeitsgruppen des Ernährungsrats befassen sich schwerpunktmäßig mit der Außer-Haus-Verpflegung, dem Anbau und der Direktvermarktung, mit Flächen(-verbrauch), Klimaschutz, Kommunikation. Eine so genannte Food Hub-und-Logistik-Gruppe setzt sich dafür ein, regionale Lebensmittel zu bündeln. In den Gruppen sollen sich Experten für das jeweilige Thema einbringen, aber auch interessierte Laien.

Wie sich jeder beteiligen kann

Finanzierung
Der Verein wird über Haushaltsmittel der Stadt Stuttgart gefördert. Für die Jahre 2022 und 2023 erhält das Gremium jeweils 230 000 Euro. Davon werden Personalkosten und Projektmittel bezahlt. Dem liegt ein Haushaltsbeschluss des Gemeinderats zugrunde. In anderen Städten gibt es ebenfalls bereits Ernährungsräte, Vorreiter in Deutschland waren unter anderem Freiburg und Köln.

Beteiligung
Über die Website des Ernährungsrats erfährt man mehr Details sowie wie man sich engagieren kann. Die meisten Arbeitsgruppen haben gerade erst begonnen oder treffen sich im April zum ersten Mal. Interessierte können sich online anmelden unter https://www.ernaehrungsrat-stuttgart.de/arbeitsgruppen