In diesem Jahr sind mehr Lehrerstellen nicht besetzt als 2017. Doch Kultusministerin Susanne Eisenmann sieht die Schulen im Südwesten in einer besseren Ausgangslage als vor einem Jahr.

Stuttgart - Die Schulen in Baden-Württemberg haben zum Beginn des Schuljahrs an diesem Montag eine bessere Ausgangslage als vor einem Jahr, findet Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Knapp 5000 Lehrerstellen wurden neu besetzt, allerdings sind 750 noch offen. Das sind 150 mehr als im Vorjahr. An Grundschulen sind 370 Stellen nicht besetzt. Es sei damit zu rechnen, dass in einigen Grundschulklassen mehr als 28 Kinder säßen. „Der Pflichtunterricht ist gewährleistet“, sagte Eisenmann bei der Präsentation dieser Zahlen. „Ich bin nicht unzufrieden, aber auch nicht mehr.“

 

Eisenmann lobt Maßnahmenkatalog

Sobald Lehrer krank würden oder aus anderen Gründen vertreten werden müssen, sei aber mit Problemen zu rechnen. Dennoch herrsche in Baden-Württemberg kein „Bildungsnotstand“, betonte Eisenmann und wies damit entsprechende Äußerungen zum Beispiel von Unionsfraktionschef Volker Kauder zurück. Die Maßnahmen zur Gewinnung von Lehrern würden greifen, betonte die Ministerin. Unterrichtszeit im Wert von mehr als 1100 Stellen wurde demnach gewonnen indem Lehrer ihre Teilzeitverträge aufstockten oder ihre Beurlaubung vorzeitig beendeten, Pensionäre befristete Verträge übernahmen oder weil Gymnasiallehrer eine Stelle an einer Grundschule antraten. Allein 528 Stellen werden durch befristet eingestellte Menschen ohne klassische Lehramtslaufbahn besetzt.

Vorwürfe gegen Vorgängerregierung

Eisenmann erhob deutliche Vorwürfe gegen die grün-rote Koalition, die von 2011 bis 2016 im Land regierte. Die aktuelle Pensionierungswelle sei vorauszusehen gewesen. „Man hätte 2012/13 die Ausbildungskapaziäten erhöhen müssen“, sagte sie. Auch auf die Verlängerung der Studienzeiten für Lehrer an Grund- und an Hauptschulen habe die Vorgängerregierung nicht reagiert. Jetzt habe Grün-Schwarz zusätzliche Studienplätze geschaffen. Sollte weiterer Bedarf auftreten, würden die Kapazitäten an den Hochschulen weiter erhöht, kündigte die Ministerin an. Andererseits haben Eisenmann zufolge 230 Grundschullehrer ein Einstellungsangebot abgelehnt. Vor allem, weil sie nicht umziehen wollen. „Wir könnten zahlreiche Stellen problemlos besetzen, wenn wir Bewerber hätten, die flexibel und mobil sind, aber das geografische Beharrungsvermögen von Junglehrern ist erstaunlich“, bemerkte die Ministerin.

Ministerin lehnt Zulage für ländlichen Raum ab

Mit Geld sei da wenig zu machen. Eine Zulage für den ländlichen Raum lehnt Eisenmann ab. „Deshalb ist niemand bereit umzuziehen.“ Auch von der Forderung, das Gehalt der Grundschullehrer auf die Gehaltsstufe der anderen Lehrämter anzuheben, hält sie nichts. „Das ist eine Scheindiskussion.“ Hätte das Gehalt eine Auswirkung auf die Attraktivität des Berufs, müsste es schon an Lehramtsstudenten für die Grundschule fehlen. Das sei aber nicht der Fall. Den Vorschlag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Altersermäßigung der Lehrer zu erhöhen, damit sie nicht vorzeitig in den Ruhestand gehen, pariert Eisenmann: „Lehrer in Baden-Württemberg gehen nicht überproportional früher in den Ruhestand.“ Allerdings wäre sie dafür, auch im Beamtentum mehr Flexibilität mit Blick auf die Lebensarbeitszeit zu ermöglichen. Man prüfe ein „Vorgriffstundenmodell“, nach dem junge Lehrer mehr arbeiten und die vorgeleistete Arbeit später in höherem Alter ausgleichen könnten.

SPD verteidigt sich

Die oppositionelle FDP vermisst entscheidende Weichenstellungen zur Lehrergewinnung. So sei der Quereinstieg, den etwa der Berufsschullehrerverband fordert, nicht verbessert worden. Für Schulen im ländlichen Raum wäre es eine Hilfe, wenn sie Bewerbern direkt eine Perspektive eröffnen können, regt der FDP-Bildungspolitiker Timm Kern an. Die SPD verteidigt die Politik von Grün-Rot. Damals sei man von sinkenden Schülerzahlen ausgegangen, eine Erhöhung der Ausbildungskapaziäten sei nicht geboten erschienen, weist Stefan Fulst-Blei die Vorwürfe zurück. Um die aktuelle Lage zu verbessern, verlangt er unter anderem, die Krankheitsreserve auszubauen und dafür Gymnasiallehrer einzusetzen, die keine Stelle bekommen.

Berufsschullehrer warnen vor Engpass

Der Berufsschullehrerverband (BLV) verlangt ein vorausschauendes Konzept zur Lehrergewinnung. der Verband könnte sich sogar ein eigenes Wahlfach in der Oberstufe der beruflichen Gymnasien vorstellen, in denen Schüler erste Erfahrungen mit der Vermittlung von Inhalten gewinnen sollten. Auch an den Beruflichen Schulen steht eine Pensionierungswelle bevor. 58 Prozent der Lehrer seien 50 Jahre und älter, sagte der BLV-Vorsitzende Herbert Huber. Jetzt müsse Werbung für den Beruf gemacht werden, „sonst droht in zehn Jahren an den beruflichen Schulen die gleiche Situation wie heute an den Grundschulen.“ Für Quereinsteiger müssten die Zulagen erhöht werden.