Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hebt die Bedeutung dieser Institution hervor und begrüßt Vertreter von Wochenmärkten in ganz Europa, aber das Regenwetter reduziert die Zahl der Beschicker und Besucher deutlich.

„Es gibt kein falsches Wetter“, sagte Roswitha Geyer-Fäßler, die Vizepräsidentin des Landesbauernverbands, als am Samstag der traditionelle Erntedank-Wochenmarkt mit einem Gottesdienst vor der Stiftskirche gefeiert wurde. Denn schon gar nicht falsch sein konnte der strömende Regen, der zwar die Frequenz der Besucher und der Beschicker auf Markt- und Schillerplatz deutlich reduzierte, aber nach der bedrohlichen Dürre des heißen Sommers von Erzeugern dankbar als Geschenk des Himmels begrüßt wurde.

 

Dankbarkeit bestimmte ebenso wie Mahnung die Ansprache von Diakon Uwe Renz in dem von Pfarrerin Monika Renninger gehaltenen Gottesdienst: Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung, aber auch die Mahnung, dass „dafür der Boden gesund sein und das Klima stimmen muss“. Die aktuellen Krisen würden bewusst machen, dass die gewohnte Versorgung kein Automatismus sei: „Es braucht einen kräftigen Sinneswandel von Hochmut zu Demut.“ Nicht nur Renz prangerte die Verschwendung von Lebensmitteln an, zu der die Biolandwirtin Geyer-Fäßler erschreckende Zahlen nannte: „In jedem Haushalt werden im Jahr 39 Kilo Lebensmittel weggeworfen und pro Person werden sogar jährlich 75 Kilo vernichtet.“

Özdemir nennt Erntebericht eine „freundliche Warnung des Planeten“

Biblische Anleihe mit dem Zitat „Was der Mensch sät, das wird er ernten“ aus dem Galaterbrief nahm Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der erstmals in seinem Wahlkreis als Minister den Erntedank-Wochenmarkt eröffnete. Gleichzeitig begrüßte er als Schirmherr der Kampagne „Er-lebe Deinen Wochenmarkt“, dem Ableger der internationalen Bewegung „LYLM Love your local market“, Vertreter des LYLM-Komitees aus England, Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland, die sich im Stuttgarter Rathaus zur Jahrestagung getroffen hatten. Als Gäste von Thomas Lehmann, Geschäftsführer von Märkte Stuttgart und Vorstandsmitglied des Bundesverbands GFI Deutsche Frischemärkte e. V. , der auf mehr als 400 Wochenmärkten in den Metropolregionen Deutschlands gemeinsame Aktionen initiiert, um auf die Bedeutung der Wochenmärkte für die Stadtgesellschaft aufmerksam zu machen. Europaweit nehmen 4000 Wochenmärkte in 19 Ländern an den Kampagnen teil.

„Wochenmärkte sind Orte der Vielfalt und der Begegnung, sie spiegeln die Gesellschaft wider, sie stehen in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht für eine gesamtgesellschaftliche Nachhaltigkeit und stellen die Versorgung in der Stadt und auf dem Land sicher“, betonte der Minister. Aber die komfortable Lage sei auch hier bedroht. Den kürzlich vorgestellten Erntebericht nannte er eine „freundliche Warnung des Planeten und den dringenden Rat, mit der Erde fürsorglich zu wirtschaften, denn wir hängen davon ab“. Und es müsse trotz Inflation gewährleistet sein, dass die Erzeuger mit fairen Preisen überleben können.

„Die Verbraucher sollen bewusst und regional einkaufen“

„Die Verbraucher sollen bewusst und regional einkaufen“, appellierte Frank Willhausen von Frischemärkte Deutschland und riet: „Lieber weniger und dafür mehr Qualität.“ Die Stuttgarter beherzigen das auf 31 Wochenmärkten und nutzen dieses Angebot intensiv und regelmäßig. Vor allem während der Pandemie hätten die Beschicker eine deutliche Steigerung erlebt, berichtete Thomas Lehmann: „Die Wochenmärkte unter freiem Himmel gaben ein Gefühl von Freiheit und mehr Sicherheit vor Ansteckung und waren ein Ort, an dem man sich trotz aller Einschränkungen treffen konnte.“ Dieser Aufschwung sei wieder abgeklungen, und jetzt spürten die Händler aufgrund der Inflation schon eine gewisse Kaufzurückhaltung. Bei steigenden Kosten durch die sehr viel höheren Preise für Gas, Saatgut oder auch Dünger, der mittlerweile das Fünffache koste. „Aber“, so Lehmann, „gravierende Einbrüche gibt es noch nicht.“

Fritz Raff, Gemüse-Erzeuger aus Bernhausen und seit 23 Jahren auf dem Schillerplatz, stellt seinen Kunden ein gutes Zeugnis aus: „Die zahlen klaglos auch zehn Cent mehr für die Gurke.“ Den Preisdruck spüre er als Lieferant für den Lebensmittelhandel und hat deshalb den Minister angesprochen: „Damit die Politik unsere Lage erkennt.“

Ein kleines Beispiel für das Recht auf freie Rede, als dessen Streiter von höchstem literarischem Rang Cem Özdemir gerade Friedrich Schiller inmitten von Obst, Gemüse und Blumen seinen internationalen Gästen vorgestellt hatte. Seinen eigenen Einkauf auf dem Wochenmarkt konnte er sich dann sparen, denn der Vegetarier bekam eine große Tüte voller Grünzeug.