Der Ausfall von Saisonarbeitskräften aus Osteuropa wegen der Grenzschließungen im Zuge der Corona-Pandemie könnte für einige Bauern auf der Filderebene zum massiven Problem werden. Doch es gibt auch Hoffnung.

Filder - Die Gefühle vieler Landwirte auf den Fildern fahren derzeit Achterbahn. Einerseits sind ihre Produkte in Zeiten der Corona-Pandemie in den Hofläden stärker denn je gefragt, andererseits blicken sie sorgenvoll auf die kommenden Wochen, vor allem auf die Erntezeit. Der Einreisestopp für Saisonarbeitskräfte aus Ländern Osteuropas könnte die Betriebe vor massive Probleme stellen. Landesweit, so Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes, würden alljährlich rund 53 000 von ihnen im Südwesten eingesetzt – nicht wenige davon auf den Fildern. „Der Einreisestopp von Saisonarbeitskräften trifft unsere Familienbetriebe sehr hart“, so Rukwied.

 

Bewährte Erntehelfer sitzen in Rumänien fest

Margit Brodbeck vom gleichnamigen Beeren-Anbau-Betrieb in Möhringen erlebt derzeit „einige schlaflose Nächte“. Denn es sei nicht absehbar, wie die Ernte der Früchte gelingen soll, wenn die Erntehelfer ausfallen. „Unsere Erntehelfer sitzen in Rumänien fest“, sagt die Möhringerin, die schon in den nächsten Tagen mit den ersten Saisonarbeitern gerechnet hatte. „Ganz schnell bräuchten wir jetzt zwei Helfer“, sagt Margit Brodbeck – spätestens Mitte, Ende April wäre ein Dutzend Helfer nötig, um die Kulturen zu pflegen, neue Pflanzen zu setzen und dann zur Ernte. Wichtig sei es, auf erfahrene Kräfte zurückgreifen zu können, da es auf die gute und gezielte Arbeit ankomme.

Kommen die Arbeitskräfte nun per Flugzeug?

Derzeit, so sagt Margit Brodbeck, werde alles vorbereitet, um die ersten Saisonarbeitskräfte, die sonst per Bus anreisten, einfliegen zu lassen. Doch zum einen seien die Ticketpreise hoch, und es sei unklar, wo die Maschine überhaupt landen könne. „Das bereitet mir erheblich Kopfzerbrechen.“ Begeistert ist Margit Brodbeck aber von der Bereitschaft von Freiwilligen, im Falle eines Falles einzuspringen und zu helfen. Und noch etwas macht der erklärten Optimistin Mut: „Auf einem Großteil unserer Flächen können die Leute selber ernten“, es sei daher mit keinem Totalausfall zu rechnen. Ihr Kollege Klaus Brodbeck ist von der Hilfsbereitschaft vieler Bürger ebenfalls angetan. Er selbst beschäftigt seit Jahren einen Mitarbeiter aus Kroatien für die Ernte des grünen Spargels. Wenn dieser nicht kommen könne, sei dies sehr bedauerlich, auch weil man ein sehr gutes Verhältnis zu ihm habe, „und er ja das Geld braucht“. Er sieht da auch seine Fürsorge als Arbeitgeber.

Insgesamt, so schätzt Axel Brodbeck, der landwirtschaftliche Ortsobmann in Möhringen, ist das Problem mit Saisonarbeitskräften in Möhringen nicht ganz so massiv wie anderswo auf den Fildern, da die Betriebe das Gros der Arbeit meist mit eigenen Kräften hinbekämen. Er selbst baut überwiegend Getreide an, hat erst im Herbst Kürbisse zu ernten. Schlimmer sehe es da rund um Filderstadt aus.

Regionale Produkte geraten wieder stärker in den Fokus

Das unterstreicht Ernst Schumacher, Ortsobmann in Bernhausen. „Wir brauchen die Saisonarbeitskräfte dringend“, sagt er. Noch hat er für die Betriebe in seinem Gebiet aber die Hoffnung, dass die Befürchtung, die Ernte könnte mangels Mitarbeitern nicht gelingen, nicht eintritt. „Wir haben noch etwa vier Wochen Luft, bis der erste Salat kommt“, sagt Schumacher mit Blick auf die Filderbetriebe, die vor allem Salat, Blumenkohl oder Brokkoli auf ihren Feldern haben – oder Filderkraut. Das einzig Positive für Schumacher: „Das Regionale rückt stärker in den Fokus rückt.“ Er befürchtet aber, „dass der für Landwirte positive Effekt nicht sehr lange anhält“. Verbraucher müssten umdenken, ebenso die Politik. „Es ist doch verrückt, dass beispielsweise Tomatenmark in China hergestellt wird, nur damit es am Ende zehn Cent billiger ist“, sagt Schumacher. Wie das Jahr insgesamt laufe, bleibe abzuwarten – auch wegen der angespannten Situation in Italien und Spanien.

Nicht alle Hofläden sind auf den Ansturm vorbereitet

In Plieningen, so der landwirtschaftliche Ortsobmann Michael Gehrung, seien Saisonarbeitskräfte kein großes Thema. Dort würden die Familienbetriebe die Arbeit alleine stemmen. „Jetzt kommen aber die Leute, die sonst im Discounter kaufen, plötzlich zu uns auf die Höfe“, so Gehrung. Bis zu 80 Prozent mehr Kunden hat er bereits – „aber ich befürchte, wenn die Corona-Geschichte wieder vorbei ist, läuft das wieder anders“. Und die neue Situation stelle die Direktvermarkter vor besondere Herausforderungen. „Wir haben ja anders kalkuliert – auf einen solchen Ansturm sind wir oft nicht vorbereitet“, sagt der Landwirt.