Ernüchternde Autobilanz Historischer Einbruch bei Neufahrzeugen

Weltweit sind die Pkw-Neuzulassungen 2020 drastisch gesunken. Besonders schwierig war die Lage in Europa. Sogar China hat den corona-bedingten Rückgang im Jahresverlauf nicht mehr ganz ausgleichen können. Das hat einen Hauptgrund.
Stuttgart - In allen Regionen der Welt ist der Autoabsatz im vergangenen Jahr eingebrochen. Besonders hoch waren die Rückgänge dabei in Brasilien (minus 26,7 Prozent) und der europäischen Union (minus 23,7 Prozent), wie der Branchenverband VDA mitteilt. Sogar China, dessen Wirtschaft sich relativ zügig von den Folgen der Corona-Pandemie erholte, verbuchte 2020 einen Rückgang von immerhin noch 6,1 Prozent. Weltweit sank die Zahl der Neuzulassungen um 15 Prozent, schreibt der VDA.
Ein derartig starker Markteinbruch in Europa sei selbst in der Finanzkrise vor rund zehn Jahren und der europäischen Schuldenkrise nicht zu verzeichnen gewesen, bewertet die Unternehmensberatung EY die Marktlage. EY spricht denn auch von einem „historischen Absatzeinbruch“. Ohne staatliche Maßnahmen gegen Ende des Jahres wäre der Einbruch wohl noch stärker gewesen.
Staatliche Eingriffe beeinflussen das Marktgeschehen
„Der Neuwagenmarkt in Europa war zuletzt stark durch staatliche Eingriffe – etwa Abwrackprämien, Unterstützungen beim Kauf von E-Autos und sonstigen Maßnahmen wie etwa der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland beeinflusst“, kommentiert Peter Fuß, Partner bei EY, die Zahlen. Deshalb haben sich die europäischen Märkte im Dezember auch sehr unterschiedlich entwickelt. So stiegen die Neuzulassungen in Deutschland um knapp zehn Prozent, während sie in Frankreich um knapp zwölf Prozent und in Italien um 15 Prozent sanken. Insgesamt gingen die Zulassungen in Europa im Dezember gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,3 Prozent zurück.
Und während elektrifizierte Antriebe im vergangenen Jahr massiv zulegten, gerieten klassische Verbrenner enorm unter Druck: So sank der Absatz von Neuwagen mit Dieselmotor in den größten europäischen Märkten um 37 Prozent, die Zahl der neu zugelassenen Benziner sank sogar um 39 Prozent.
Lange Lieferfristen bei E-Autos
Betrachtet man dagegen nur Elektrofahrzeuge, präsentiert sich die Lage deutlich anders. „Wir sehen eine enorme Nachfrage nach elektrifizierten Neuwagen – nicht zuletzt dank großzügiger staatlicher Unterstützung. In den vergangenen Monaten hat sich die Dynamik massiv verstärkt, sodass die Hersteller die Nachfrage kaum bedienen können“, beobachtet Fuß. „Die Lieferzeiten sind zum Teil sehr lang.“ Im Dezember war jeder fünfte Neuwagen in den größten fünf Märkten in Westeuropa (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) einen elektrifizierten Antrieb (Elektro oder Plug-in-Hybrid) ausgestattet, der Marktanteil kletterte damit auf den Rekordwert von 19,9 Prozent – nach gerade einmal 3,5 Prozent im Dezember 2019.
Der Auto-Verband VDA rechnet 2021 mit einer langsamen Verbesserung der Marktlage. Allerdings werden die Rückgänge des Jahres 2020 nicht vollständig wettgemacht. Die für die kommenden Monate zu erwartenden höheren Zuwachsraten dürften vor dem Hintergrund der extrem niedrigen Absatzzahlen während der Lockdown-Phase im Frühjahr 2020 nicht überbewertet werden. Der Branchenverband spricht denn auch eher von einem „technischen Aufschwung“. Insgesamt rechnet er mit einem Absatzplus um neun Prozent auf 73,8 Millionen Fahrzeuge.
Neuwagenmarkt bleibt unter Druck
EY-Partner Peter Fuß ist für das erste Halbjahr allerdings nicht zuversichtlich. „Die insgesamt relativ gute Entwicklung auf dem Neuwagenmarkt im Dezember sollte nicht als Zeichen einer Stabilisierung des Marktes interpretiert werden“, betont er. „Nach wie vor ist der Neuwagenmarkt unter enormem Druck, und die derzeitige Entwicklung der Infektionszahlen lässt für das Frühjahr 2021 wenig Gutes erwarten. Geschlossene Autohäuser, Ausgangssperren, ein erneuter Konjunktureinbruch: Das alles stellt eine neue existenzielle Belastungsprobe nicht nur für die Automobilindustrie, sondern gerade auch für den Autohandel dar.“
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