Das amerikanische „Plus Size Model“ Ashley Graham hat es mit Maßen jenseits der Branchennorm auf das Cover der britischen „Vogue“ geschafft. In den letzten Jahren kann man einen Paradigmenwechsel in der Welt der Schlanken und Schönen beobachten. Oder ist das bloß Augenwischerei?

Stuttgart - Ashley Graham ist eines der erfolgreichsten Models für Übergrößen. Heute nennt man das Plus Size Model oder Curvy Model. Sie sieht sich als Leitfigur für Frauen, die nicht den Standardmaßen der Modebranche entsprechen. Nun hat sie den Ritterschlag bekommen: Sie ziert das aktuelle Cover der britischen „Vogue“. Die 28-Jährige ist nicht das erste normalgewichtige Model, das es so weit gebracht hat. Auch Kolleginnen wie Candice Huffine, Tara Lynn, Mia Tyler, Marquita Bring, Crystal Renn oder Justine LeGault haben sich schon nach ganz vorne gearbeitet – Justine LeGault beispielsweise 2013 als Covermodel für die kanadische Modezeitschrift „Elle“ oder Marquita Bring 2011 als Laufstegmodel für Jean Paul Gaultier. Auch Karl Lagerfeld hat vor einigen Jahren die füllige Sängerin der Band Gossip, Beth Dito, öffentlich bewundert, zwischenzeitlich wurde sie als seine Muse gehandelt.

 

Mattell bringt kurvige Barbie-Kollektion auf den Markt

Es gibt noch andere Indizien dafür, dass die Akzeptanz für Körper jenseits bisheriger Schönheitsformen gewachsen ist, etwa die kurvige Barbie-Kollektion des Spielwarenherstellers Mattel, die 2016 auf den Markt kam. Auch die im Herbst 2015 auf RTL 2 gestartete Sendung „Curvy Supermodel“ war ein begrüßenswerter Vorstoß, endlich einmal normalgewichtigen und fülligeren Schönheiten eine Plattform zu geben. Nach einem ganz ordentlichen Start mussten die beleibten Models allerdings den Gürtel enger schnallen. Die Quoten blieben unter einer Million Zuschauer. Auch die Barbie-Reihe konnte sich nicht durchsetzen. „Wenn Mattel eine Palette neuer Figuren auf den Markt wirft, ist völlig klar, dass das ein PR-Event ist“, sagte die Geschäftsführerin der feministischen Organisation „Pink stinks“, Stevie Schmiedel, anlässlich der Puppenpräsentation. Der Vorstoß ändere nichts am grundsätzlichen Konsumverhalten, die Mädchen mögen ihre Barbies am liebsten so dünn wie möglich.

Das Modediktat wird sich trotzdem nicht ändern

So bleibt es im Modelgeschäft letztlich nur bei wohlmeinenden Versuchen. „Das sind Momentaufnahmen, das Modediktat wird sich trotz all dieser positiven Vorstöße nicht ändern“, sagt Kate Karl, die Chefin der Stuttgarter Modelagentur Rothchild. Es gäbe zwar ein paar mehr Plus Size Models als früher, letztlich spiele sich deren Arbeit aber nach wie vor in einer Nische ab. Gerade die internationale Modebranche, bei der eine Kleidergröße 36 bereits hart an der Grenze zu Plus Size gehandelt wird, rücke keineswegs von ihren Gardemaßen ab. Es herrscht das unumstößliche Dogma, je schlanker, desto besser sieht die Mode an den Models aus. „Es geht darum, dass die Models wie eine Schablone genutzt werden können, die Kleider müssen allen passen, damit beim Fotografieren oder der Anprobe für die Modenschau alles schnell geht“, sagt die Branchenexpertin Karl.

Nicht mehr nur klassische Schönheiten sind gefragt

Nichtsdestotrotz kann man innerhalb der Modelbranche einen Trend hin zu mehr Authentizität beobachten. „Heute sind Typen gefragt, nicht mehr nur klassische Schönheiten“, sagt Kate Karl. Auch die Altersgrenze habe sich weit nach hinten verschoben. „Heute starten manche Models mit 30 erst richtig durch.“ Das Thema Übergrößenmodels kenne sie hingegen schon seit Jahren. „Das poppt immer mal hoch und verpufft dann auch wieder“, sagt Karl. Sie bezweifelt sogar, dass sich Plus Size Models mit ihren Kurven wirklich richtig wohl fühlen. „Ich bin mir sicher, wenn Ashley Graham es sich aussuchen könnte, würde sie sich lieber für eine 36/38 entscheiden als für eine 42/44.“ Das Model hat zu diesem Thema im Interview mit der britischen „Vogue“ gesagt: „Wünsche ich mir manchmal, dass ich dünner wäre? Früher war das so, absolut. Aber jetzt denke ich, wenn ich abnehmen würde, wäre ich mir selbst untreu“, so Graham. Viel von dem, was sie sei, hänge mit ihrer Kleidergröße zusammen, „und ich bin so glücklich damit, wer ich bin“.

Ein Tropfen auf dem heißen Stein

Das sagt sich vermutlich leicht, wenn man so erfolgreich im Geschäft ist wie Graham. Kate Karl glaubt, dass die Arbeit als Plus Size Model bei vielen aus der Not heraus geboren wurde. „Manche Models schaffen es einfach nicht, entsprechend schlank zu bleiben, und entscheiden sich dann dafür, als Curvy Model zu arbeiten.“ Und tatsächlich: Nicht wenige haben ihre Karriere als „normale“ dünne Models begonnen, einige von ihnen überwanden Bulimie oder Magersucht und haben sich anschließend normalgewichtig in der Nische etabliert. Manche von ihnen werden nicht müde zu propagieren, man solle seinen Körper lieben und schön finden.

Wie recht sie haben. In einer Modewelt, in der der berühmt-berüchtigte Model-Slogan von Kate Moss „Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt“ als Mantra gilt, verpuffen diese Aufrufe, sie sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.