Die Bachwoche Stuttgart wurde mit Bachs Leipziger Bewerbungskantaten eröffnet. Allein die Akustik schmälerte das Klangerlebnis.

Auch später als Genies eingestufte Menschen mussten sich gelegentlich ganz offiziell auf einen Job bewerben. Auch Johann Sebastian Bach. Für das Amt seines Lebens als Leipziger Thomaskantor musste er zwei umfängliche Kantaten als Arbeitsproben vorlegen: „Jesus nahm zu sich die Zwölfe“ BWV 22 sowie „Du wahrer Gott und Davids Sohn“ BWV 23.

 

Mit diesen Werken eröffnete die Internationale Bachakademie (IBA) jetzt in der Stiftskirche ihre diesjährige Bachwoche, die sich bis zum kommenden Sonntag in Werkstattkonzerten, Mittagsmusiken, Begleitveranstaltungen und der finalen Aufführung der h-Moll-Messe den „Visionen“ ihres Namensgebers widmet.

Zur feierlichen Einstimmung: Bachs Orchestersuite BWV 1066

Mit der Aufführung der Bewerbungskantaten feierte die IBA auch ein 300-jähriges Jubiläum. Denn der schicksalhafte Tag, an dem Bach, noch Köthener Kapellmeister, vor dem Leipziger Rat im Gottesdienst der Thomaskirche musikalisch vorstellig wurde, war der 7. Februar 1723.

Vom riesigen Kantatenwerk, das Bach dann in seinen ersten Leipziger Amtsjahren komponierte, wird die IBA in den nächsten Monaten den kompletten ersten Jahrgang aufführen. Der Bachwochen-Planer Andreas Bomba verwies dann auch in seiner Festrede auf die lange Stuttgarter Bach-Tradition: Die Wände der Stiftskirche hätten in den letzten Jahrzehnten sämtliche überlieferten Bach-Kantaten schon mehrmals gehört.

Nun haben Wände aber keine Ohren, sondern werfen Töne zurück. Und so zeigte sich in diesem Konzert wieder einmal die problematische Akustik der Stiftskirche (von Reihe 8 rechts aus gehört). Die Gaechinger Cantorey spielte in der Leitung des Akademie-Chefs Hans-Christoph Rademann zur feierlichen Einstimmung Bachs Orchestersuite BWV 1066. Der Auftakt gab sich noch glanzvoll, aber je rasanter das Tempo wurde, desto wattierter der Klang.

Atmendes Phrasieren war im Folgenden kaum wahrzunehmen, dudelnde Langeweile die Folge.

Manche Stimmen setzen sich durch

In den Kantaten ging dann in den Klangwolken auch so manche Stimme akustisch unter. Im Schlusschoral von BWV 22 waren es merkwürdigerweise die Frauenstimmen des zwölfköpfigen Chors, in den Solo-Nummern die Sopranistin Catalina Bertucci und der Bass Tobias Berndt, bei denen nicht jeder Ton das Gehör erreichte. Die Altistin Marie Hernriette Reinhold dagegen konnte sich in ihrer Arie, begleitet vom ausnehmend gefühlvoll spielenden Oboisten Daniel Lanthier, gut durchsetzen, und der Tenor Patrick Grahl erfreute durch wohltönende Strahlkraft.