Am Freitagabend haben die Macher der Wagenhallen am Nordbahnhof mit der Eröffnungsparty offiziell die Interimszeit des Wilhelmspalais eingeläutet. Für die nächsten 15 Monate gestalten sie dort ein Kulturprogramm.

Stuttgart - Nieder mit dem König!“ Der gellende Schrei durchbricht die laue Nacht. Schwarz gekleidete Gestalten bahnen sich ihren Weg durch die Partygäste auf der Terrasse. Ihr Ziel ist das Wilhelmspalais. Im Foyer der ehemaligen Stadtbücherei ertanzen sich die Revolutionäre die besten Plätze. Die schwarzen Gestalten sind Tänzerinnen und Tänzer der New York City Dance School. Mit ihrer Vorstellung erinnern sie an die historische Stürmung des Wilhelmspalais. Zermürbt von den Entbehrungen des Ersten Weltkriegs hatten die Stuttgarter im November 1918 das Wohnhaus König Wilhelms gestürmt. Es war eine tragische Aktion, hatte der volksnahe Regent doch am Morgen desselben Tages signalisiert, dass er einer parlamentarischen Führung zustimmen würde.

 

Am Freitagabend wurde das Wilhelmspalais einmal mehr gestürmt: Bei der Eröffnung des nun vorübergehend als Veranstaltungsort genutzten Gebäudes trafen Szenegänger aller Altersklassen auf Anzugträger: Zahlreiche Stadträte waren ebenso gekommen wie Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann und die OB-Kandidaten Bettina Wilhelm, Sebastian Turner und Fritz Kuhn. „Es tut dem Kulturstandort Stuttgart gut, neben den etablierten Einrichtungen auch Platz für interimsweise Nutzungen zu schaffen“, sagte Eisenmann. Sie freue sich in den kommenden Monaten auf Kunst und Kultur aus allen Sparten. Einen Vorgeschmack darauf hat es bei der Eröffnung gegeben: Neben den Tänzern der New York City Dance School waren die Live-Band Gomo Park, der Lichtkünstler Laurenz Theinert und ein Schauspielerpaar zu Gast. Dazu gab es elektronische Beats von Axel Hanfreich.

Im Herbst 2013 soll das Stadtmuseum einziehen

Für das Programm verantwortlich zeichnen Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod. Dass sie das können, haben die Wagenhallen-Macher am Nordbahnhof längst bewiesen. Ihr Erfolgskonzept wollen sie aber nicht auf das Wilhelmspalais übertragen – im Gegenteil. „Es wird keine zweite Wagenhalle geben“, sagte Mellmann. Nicht große Partys, sondern kulturelle Veranstaltungen stehen in dem historischen Bau am Charlottenplatz im Vordergrund: „Es gibt Gespräche mit der Bachakademie, der Musikhochschule, Firmen, Schauspielern und Autoren.“ Für die Veranstaltungen stehen das Foyer sowie Räume im ersten und zweiten Stock des Gebäudes zur Verfügung. Wenn abends DJs auflegen, gehe es vor allem darum, eine schöne Bar-Atmosphäre zu schaffen. Fixe Termine gibt es allerdings noch nicht. „Das muss sich noch entwickeln“, sagt Mellmann. Rund 15 Monate Zeit haben die Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod für die Umsetzung ihrer Ideen, im Herbst 2013 soll dann das Stadtmuseum im Wilhelmspalais eröffnen.

Was dagegen schon feststeht, ist die Speisekarte: Regionale und saisonale Produkte bestimmen den international ausgerichteten Speisezettel. Unter anderem gibt es Bocadillos mit Mojos, Antipasti und eine Vesperkarte mit Schinken, Käse und anderen Spezialitäten von der schwäbischen Alb. Dazu werden Wein, Sekt und Champagner aus der Region ausgeschenkt.

Qualitativ hochwertig, aber nicht abgehoben will sich das Wilhelmspalais präsentieren. „Man kann mit einer Flasche Bier und einer Roten Wurst auf den Stufen vor dem Gebäude sitzen oder sich ganz gediegen bedienen lassen“, sagte Mellmann. Mit ihrem Konzept wollen die Wagenhallen-Macher ein breites Publikum ansprechen. Freaks seien ebenso willkommen wie Anzugträger, 20-Jährige genauso wie 60-Jährige. „Bei uns kann sich einfach jeder treffen. Das ist das Einzige, was wir gleich machen wollen wie in den Wagenhallen.“