Sexpositive Partys feiern den Körper, die Vielfalt der Lust und die Energie der Erotik. Auch in Stuttgart werden sie immer beliebter. Davon profitiert die Boutique Frau Blum, die ums Überleben kämpfte, nun aber zum zehnten Geburtstag stärker denn je ist.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

„Sexualität ist die stärkste Energie, die wir haben“, sagt Alexandra Steinmann, die vor zehn Jahren im Stuttgarter Westen mit ihrer Schulfreundin Mascha Hülsewig die Erotik-Boutique Frau Blum als eine Art Institut für sexuelle Bildung eröffnet hat. „Sexualität macht uns glücklich und friedlich“, sagt sie. Damit meint die 55-Jährige sicherlich auch: Ohne den Ausgleich durch Sexualität wäre die Welt noch böser und gewalttätiger.

 

Steinmann und Hülsewig, die zusammen die Waldorfschule besuchten und seit der dritten Klasse unzertrennlich sind, erzählen von einer Dame zwischen 70 und 80 Jahren, die ihren etwas anderen Sex-Shop besucht hat, der weit weg vom Schmuddel-Image angesiedelt ist. Die Seniorin habe mit großem Interesse all die Toys und Accessoires im Laden begutachtet, der an ein Wohnzimmer erinnert. Sex habe sie noch nie in ihrem Leben als lustvoll empfunden, erzählte sie. Jetzt war der Ehemann gestorben und die Dame beschloss, sich einen Vibrator zu kaufen.

Kann es Männern gefallen, wenn ihre Frau Vibratoren besitzen? „Paare können die Toys in Liebesspiele einbauen“, empfiehlt Mascha Hülsewig, die frühere Pressesprecherin des Friedrichsbau Varietés, „und für einen Mann kann es sehr erregend sein, wenn er sieht, was seine Frau erregt.“

Der Trend der sexpositiven Partys schlägt in Stuttgart ein

Im vergangenen Mai gingen die beiden Gründerinnen von Frau Blum an die Öffentlichkeit. Der Umsatz reiche nicht mehr zum Überleben, klagten sie. Eine riesige Solidaritätswelle setzte ein. Und noch ein Umstand half, dass es aufwärts ging. Der Trend der sexpositiven Kinky-Partys kam nach Stuttgart. Das Kit Kat in Berlin war einer der ersten Clubs, die exzessive und freizügige Partys gefeiert haben.

Nun veranstaltet Kit Kat auch in Stuttgart solche Partys, etwa in Fridas Pier oder in den Wagenhallen, und hat sich als Partner Frau Blum ausgesucht, wo mittlerweile vier Frauen arbeiten. Für sexpositive Events gilt ein exakter Dress-Code. Latex-Suits, Leder-Harness oder transparente Outfits– all dies wird in diesen Nächten gern getragen, all dies kann man in der Erotik-Boutique an der Reuchlinstraße 11 im Stuttgarter Westen kaufen.

Bei den sexpositiven Partys gelten außerdem strenge Verhaltensregeln. Ein Awareness-Team achtet darauf, dass es nicht zu Übergriffen kommt. „In jedem normalen Club gibt es mehr Verstöße“, sagt Mascha Hülsewig. In „Spielzimmern“ können sich Paare bei den Kinky-Events zurückziehen – allein dürfe man nicht rein, sagt die Frau Blum-Chefin. Gefeiert wird die Vielfalt.

Auch wenn nun vier Frauen in der Erotik-Boutique beschäftigt sind, heißt das nicht, dass alle vier „Blümchen“ auf Rosen gebettet sind. „Reich werden wir damit nicht“, stellt Alexandra Steinmann klar, die aber trotzdem nichts anderes machen will. In den vergangenen zehn Jahren hat Frau Blum mit Stuttgarter Kulturinstitutionen wie dem Stadtpalais, Kunstmuseum und dem Merlin kooperiert, Vorträge zu Themen rund um Sexualität veranstaltet und immer wieder Junggeselinnenabschiede in ihrem Laden empfangen.

Sie behandeln Sexualität wie ein Kulturgut

Mit einer Jubiläumsshow feiern die „Blümchen“ am Freitag, 1. März , 20 Uhr, ihren zehnten Geburtstag. Unter anderem steht Burlesque-Tanz auf dem Programm.

Wie kaum ein anderes Thema beeinflusst Sexualität fast alle Lebensbereiche des Menschen. Mascha Hülsewig und Alexandra Steinmann behandeln Sexualität wie ein Kulturgut. Denn es sei wichtig, zu sich selbst zu stehen, eigene Wünsche und Bedürfnisse offen zu kommunizieren. Lust und Liebe, sagen die Kämpferinnen gegen Verklemmtheit, hielten Körper und Seele gesund. Sie machen klar: Im Netz mögen die digitalen Angebote rund um Sexualität zwar unüberschaubar sein – am schönsten aber sind Sinnesfreuden immer noch analog.