Wissenschaftler aus Münster haben den Erreger genetisch analysiert und fanden heraus: Als Wirt braucht Ehec den Menschen.  

Münster - Der für Ehec verantwortliche Erregerstamm mit dem Namen O104:H4 ist ungewöhnlich aggressiv und verbreitet sich auch ungewöhnlich stark. Einige seiner Geheimnisse konnten ihm Hygieneforscher der Uniklinik Münster in wochenlangen genetischen Analysen entlocken. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher um Helge Karch jetzt online in "Lancet Infectious Diseases" publiziert.

 

Ein Kernbefund lautet: der Ehec-Stamm O104:H4 vereint Eigenschaften zweier unterschiedlicher Erreger. "Der für den aktuellen Ausbruch verantwortliche Erreger produziert das Shiga-Toxin, wie es für enterohämorrhagische E.coli üblich ist. Er besitzt aber auch die Eigenschaft enteroaggregativer E.coli, sich an die Epithelzellen im Darm anzuheften", sagt Karch. Diese zweite Fähigkeit erkläre wahrscheinlich die hohe Anzahl an Komplikationen, denn dadurch nehme der Körper besonders viel des schädlichen Toxins auf.

Weltweit wurde der Erregerstamm zuvor erst viermal dokumentiert

Die hohe Virulenz können die Forscher nicht genetisch begründen. "Ich könnte mir vorstellen, dass die Seltenheit des Erregerstamms eine Rolle gespielt hat", sagt Karch. Weltweit wurde der Erregerstamm zuvor erst viermal dokumentiert, darunter 2001 in Deutschland. Kontakte mit dem Keim in harmlosen Dosen hätte das Immunsystem vorbereiten können, aber "in der Bevölkerung ist keine Immunität nachgewiesen worden". Unklar ist, wo der Erreger in den letzten Jahren gesteckt hat. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zehn Jahre ohne Mensch in der Umwelt überlebt hat", sagt Karch. Er vermutet einen Dauerausscheider, jemanden, der den Keim in sich trägt, ohne zu erkranken. Auch ein regelmäßiger Wechsel zwischen Wirt und Umwelt sei denkbar: "Eine Vermehrung findet wahrscheinlich nur im Menschen statt." Den Dauerausscheider zu finden, ist praktisch unmöglich. Dazu müssten die Forscher Stuhlproben der gesamten Bevölkerung untersuchen. Dass die Quelle in Deutschland sitzt, hält der Hygieneforscher für sehr wahrscheinlich.

Keinen genetischen Hinweis gibt es darauf, weshalb vor allem Frauen betroffen sind. Zwar wisse man noch zu wenig darüber, wie die Genaktivität des Bakteriums reguliert ist, aber Essgewohnheiten könnten das Infektionsmuster erklären. Karch warnt: "Wir haben nach wie vor neue Fälle ohne Sprossenverbindung, die derzeit untersucht werden." Das niedersächsische Gesundheitsministerium geht von einer Übertragung von Mensch zu Mensch aus. Im Frankfurter Erlenbach, wo der Erreger vor Kurzem gefunden wurde, konnte der Keim nicht mehr nachgewiesen werden. Erfolgreich waren die Forscher auch bei der Frage der Antibiotikaresistenzen. So ist jetzt bekannt, dass der aktuelle Erreger unempfindlich ist gegen die Antibiotikagruppen der Penicilline und Cephalosporine, nicht jedoch gegen Carbapeneme. In weiteren Studien ließe sich für verschiedene Antibiotika testen, ob sie nützlich sind. Auch könne man das neue Wissen nutzen, "um in der Natur einen Bakteriophagen zu finden, der den Erreger systematisch abtötet". Für Impfungen sei es zu spät, sofern der Ausbruch nicht zum Dauerproblem wird - wonach es derzeit nicht aussieht.

Gebannt ist die Gefahr damit nicht. Die Sammlung bekannter Husec-Stämme - aller dokumentierten E.coli-Bakterien, die das hämolytisch-urämische Syndrom auslösen - beinhaltet weitere seltene Stämme, die hochpathogen sind. Karch mahnt: "Diesmal war der betroffene Betrieb sehr klein. Ich mag mir nicht vorstellen, was bei einem größeren passiert wäre."