Ohne jede Begründung wurde den Krankenfahrdiensten im Land gekündigt. Erst jetzt führen die Ersatzkassen massive Qualitätsprobleme dafür an. Bisher wurde darüber wenig bekannt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Schreiben des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) waren kurz und nüchtern. In wenigen Zeilen erfuhren die privaten Krankenfahrdienste im Land, dass man künftig auf ihre Dienste verzichten werde. Der Vertrag über die Beförderung von Patienten, die unterwegs zwar keine medizinische Betreuung benötigen, aber liegend oder im Tragestuhl transportiert werden müssen, werde fristgerecht gekündigt. Unterschrieben waren die Briefe von Biggi Bender, früher Gesundheitspolitikerin der Grünen und heute Leiterin der VDEK-Landesvertretung.

 

Gründe für die Kündigung wurden nicht genannt, und auch Nachfragen der betroffenen Unternehmen blieben unbeantwortet. Erst gegenüber unserer Zeitung lüftete Bender das Rätsel: Man reagiere mit dem Schnitt auf „massive Qualitätsmängel“ und zum Teil unerträgliche Missstände; es habe „Beschwerden gehagelt“. Näheres wollte die Kassenvertreterin zunächst nicht sagen. Gemunkelt wird von gesundheitlichen Komplikationen bei Passagieren, von personell unterbesetzten Fahrzeugen und von unzulässigen Sammeltransporten.

Sozialministerium weiß von nichts

An die Öffentlichkeit waren derlei Klagen bisher allenfalls vereinzelt gedrungen, die Ersatzkassen gingen offenbar diskret damit um. Selbst das für die Überwachung zuständige Sozialministerium von Manfred Lucha (Grüne) will ahnungslos gewesen sein. „Probleme bezüglich der Qualität der Krankenfahrten“ seien dem Ressort „nicht bekannt“, teilte ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung mit. Auch von „etwaigen Kündigungen privater Anbieter durch den VDEK“ wisse man nichts.

Bisher galten die Fahrdienste, die auf der Grundlage des Personenbeförderungsgesetzes agieren, als wichtige Säule beim Transport von Kranken. Jährlich sollen sie mehrere hunderttausend Patienten befördert haben, denen vom Arzt eine Verordnung für Wagen mit Liege oder Tragestuhl ausgestellt worden war; die Kasse übernahm dann die Kosten. Fahrten von Klinik zu Klinik, zur Dialyse oder nach der Entlassung nach Hause gehören zum klassischen Angebot der Firmen. In den vergangenen Jahren etablierte sich ein landesweit tätiger Anbieter – der Krankenfahrdienst Schwaben – und wohl mehrere Dutzend regionale. Genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Die AOK hält sich bedeckt

Sie alle sehen sich nun von den Ersatzkassen ausgebootet und letztlich in der Existenz bedroht. Ohne deren Versicherten, hört man, lasse sich der Betrieb nur schwer wirtschaftlich weiterführen. Andere Kassen sollen ebenfalls Kündigungen ausgesprochen haben. Bei der AOK Baden-Württemberg hält man sich bedeckt: Für „grundsätzliche Kündigungen“ gebe es keinen Anlass, bei Beschwerden würden „die erforderlichen Maßnahmen im Einzelfall veranlasst“.

Beim Hauptbetroffenen, dem KFD Schwaben, wurde bereits ein Drittel der 150 Mitarbeiter gekündigt, auch viele Fahrzeuge sind plötzlich überzählig. Dabei habe man seit 2011 ohne größere Vorfälle rund eine halbe Million Patienten befördert, wundert sich die Firmenleitung. Für die Rettungsdienste sei dies eine wichtige Entlastung: Sie könnten sich ganz auf die Versorgung von Notfällen konzentrieren. Für Krankenfahrten fehlten ihnen ohnehin Personal und Fahrzeuge. Früher, als die Fahrten noch über die Leitstellen organisiert wurden, kam es in der Tat oft zu stundenlangen Wartezeiten; zuweilen klappte der Transport sogar erst am Folgetag.

„Wir wollen nicht billig, sondern gut“

Doch just die Rettungsdienste sollen die Fahrten nach dem Willen der Ersatzkassen künftig wieder übernehmen. „Wir wollen nicht billig, sondern gut“, sagt die Landeschefin Bender. Bereits seit Jahresbeginn stelle man ihnen deutlich mehr Geld zur Verfügung, damit sie Personal und Fahrzeuge aufstocken könnten. Beim Hauptakteur im Rettungswesen, dem Deutschen Roten Kreuz, rennt sie damit offene Türen ein. Man begrüße die Entscheidung der Ersatzkassen, sagte ein Sprecher des DRK-Landesverbands. Zugleich zeigte er sich „zuversichtlich, die zusätzlichen Einsätze zu bewältigen“. Wie viele es sein werden, das könne man indes noch nicht abschätzen.