Die Umfragen lagen völlig daneben – die Volkspartei legt zu, die Protest-Bewegung Podemos bleibt hinter den Sozialisten.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Für Pablo Iglesias muss der Sonntagabend eine göttliche Strafe gewesen sein. Anderthalb Stunden lang konnte sich der Podemos-Chef ausmalen, nächster spanischer Ministerpräsident zu werden, so wie er sich das während des Wahlkampfs gedacht hatte. Doch dann kamen die ersten Auszählungsergebnisse. Noch nie hatten die Meinungsforschungsinstitute, die im Laufe des Wahltages die Wähler nach ihrer Stimmabgabe fragten, so krass daneben gelegen wie an diesem Sonntag. Ihre Prognosen sagten eine linke Mehrheit voraus, doch es kam ganz anders.

 

Mit müdem Gesicht trat Iglesias am späten Abend vor seine Anhänger. „Wir hatten andere Ergebnisse erwartet. Es ist der Moment für die Reflexion.“ Der Sieger dieses Wahltages hieß nicht Pablo Iglesias, sondern Mariano Rajoy. Die Umfragen hatten der konservativen Volkspartei (PP) des amtierenden Ministerpräsidenten leichte Zugewinne vorausgesagt, am Ende kam sie auf 33 Prozent, ein Plus von mehr als vier Punkten. Vor der Parteizentrale in der Madrider Calle Génova schwenkten begeisterte Anhänger PP-Fahnen, oben auf dem Balkon stand ein etwas verwirrter Regierungschef, dem immer wieder die Worte zu fehlen schienen. „Ihr habt gewonnen, weil ihr an den Sieg geglaubt habt“, rief er der Menge schließlich zu. „Diese Partei verdient Respekt.“ Den vermisst er manchmal bei den anderen.

Auch die Sozialisten sind erleichtert

Ein bisschen als Sieger fühlte sich auch Pedro Sánchez. Dem smarten Generalsekretär der Sozialisten (PSOE) war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: die Erleichterung darüber, dass er es gerade noch einmal geschafft hatte. Mit einem minimalen Zugewinn (von 22 auf 22,7 Prozent) blieb die PSOE zweitstärkste politische Kraft in Spanien, vor Podemos. Was vor allem Sánchez selbst, der in seiner Partei keinen ganz sicheren Stand hat, nützt. Die alten Parteien, PP und PSOE, die seit mehr als drei Jahrzehnten das politische Geschehen in Spanien bestimmen, haben dem Druck der Neuen standgehalten.

Auch Ciudadanos, die liberale Partei, die frischen Wind ins bürgerliche Lager bringen will, ließ Federn und gab um einen knappen Prozentpunkt auf 13,05 Prozent nach. Am bemerkenswertesten ist jedoch das eher bescheidene Abschneiden von Podemos. Alle Umfragen vor der Wahl waren sich darin einig, das die junge Linkspartei an den Sozialisten vorbei ziehen würde. Podemos war in den zweieinhalb Jahren seit ihrer Gründung von Erfolg zu Erfolg geeilt. Diesmal hatte sie sich außerdem mit der Vereinten Linken (einer Wahlkoalition rund um die Kommunistische Partei) zusammengetan. Unidos Podemos hieß die Wahlallianz, „Gemeinsam können wir“ – aber sie konnten doch nicht.

Ein müdes Gesicht bei Podemos-Chef Iglesias

Die Summe aus Podemos und Vereinter Linken bei den Dezemberwahlen ergab 24,3 Prozent, diesmal reichte es gemeinsam nur für 21,1 Prozent. Es gab eine gute Erklärung für das müde Gesicht von Pablo Iglesias. Mariano Rajoy, seit Ende 2011 im Amt, will nun wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden, „um den Haushalt 2017 zu verabschieden, Gesetze voranzubringen und den europäischen Verpflichtungen nachzukommen“. Er braucht dafür Partner, und er sagte auch, wen er sich dafür vorstellt: „Zuerst mit der PSOE“. Ob die Sozialisten dafür zu haben sind, ist offen. Ihr Organisationssekretär César Luena sagte, dass eine Unterstützung Rajoys weder aktiv noch passiv in Frage komme – also noch nicht einmal eine Stimmenthaltung. Der sozialistische Regionalpräsident der Extremadura, Guillermo Fernández Vara, sieht das anders: Die PSOE solle in die Opposition gehen und Rajoy regieren lassen. Alles ist offen.