Ein Kultmagazin kommt nach Deutschland: Die "Wired" steht nun auch hierzulande am Kiosk - und sagt Kulturpessimisten den Kampf an.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

München - Knallgelb leuchtet es seit Donnerstagmorgen in deutschen Kioskregalen. Ein Leuchten, das den Geeks der Nation die Freudentränen in die Augen treibt. Geeks, das sind die Computerfreaks und Technik-Junkies, die immer wieder eine deutsche Ausgabe gefordert haben. Nun ist es soweit. Das Magazin „Wired“ erscheint auch hierzulande mitsamt einer App für Apples iPad.

 

Die amerikanische „Wired“-App gilt als richtungsweisend für Nachrichten-Anwendungen auf Tablet-PCs, das Heft aus den USA hat längst Kultstatus erreicht. Seit mehr als 18 Jahren berichtet die „Wired“ über alles, was Nerds interessiert: Die Redakteure testen Computerspiele, gehen wissenschaftlichen Studien auf den Grund und probieren technischen Schnickschnack aus. Für viele Netznutzer ist die „Wired“ zudem die Informationsbroschüre Nummer eins für Onlinethemen. Bei vielen netzpolitischen Diskussionen ist das Blatt vorne mit dabei, bezieht Stellung zur digitalen Revolution und sagt Kulturpessimisten den Kampf an.

Diese Ideologie färbt auf die deutsche Ausgabe ab: Auch die Erstausgabe hierzulande bekennt sich zum Fortschritt, vor allem im Netz. Dafür steuern in der ersten Ausgabe prominente Gastautoren wie die Blogger Anke Gröner und Richard Gutjahr ihre Beiträge bei. Selbst der US-Journalist Jeff Jarvis liefert einen Text, in dem er den Buchdruckpionier Johannes Gutenberg als ersten Geek der Geschichte vorstellt. Der Wissenschaftler Gunter Dueck liefert die Gegenrede auf die mahnenden Worte des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher. Vehement stemmt sich Dueck gegen die These Schirrmachers, man könne sich aufgrund von Google nicht mehr an das Wesentliche erinnern. Schließlich sei ja alles Wissen im Netz abrufbar. Gunter Dueck vertritt da eine andere Meinung. Er propagiert den Vorteil der digitalen Speicherschränke und schreibt: „In einer Zeit, in der das Wissen gratis verfügbar ist, können wir zur produktiven Kunst übergehen.“

Trotz aller Liebe zum Fortschritt wolle man in der „Wired“ aber nicht in blindem Zukunftsoptimismus nach vorne rennen, schreibt der Chefredakteur Thomas Knüwer im Vorwort. Und das macht die deutsche Ausgabe tatsächlich nicht. Von Rennen ist im ersten Heft noch nicht viel zu spüren. Es ist ein zaghafter Start, der das Heft im Vergleich zum großen US-Vorbild ein wenig ängstlich erscheinen lässt. Das zögerliche Vorgehen hat seinen Ursprung bereits beim Verlag Condé Nast. Das Heft erscheint zunächst im Cellophan-Bündel mit dem Männermagazin „GQ“, im Oktober bekommt die Ausgabe zwar einen eigenen Platz im Zeitschriftenregal. Aber die Zukunft des Magazins ist ungewiss. Noch ist nicht sicher, ob eine weitere Ausgabe erscheint. Zunächst will der Verlag beobachten, wie das Geek-Magazin auf dem Markt ankommt.

Hübsches Design, fehlender Tiefgang

Dabei glänzt bereits die erste Ausgabe mit einem großen Bonus: dem Design. Das Heftlayout der deutschen Ausgabe orientiert sich gelungen am Vorbild aus den USA. Der gestalterische Charme zieht sich quer durch das Heft, großformatige Bilder und leicht verständliche Illustrationen machen Spaß beim Lesen. Und erklären nebenbei noch in spitzbübischer „Wired“-Manier, wie der Bierfluss auf dem Oktoberfest garantiert wird, wie man das Wort "Apple" in Gebärdensprache übersetzt und was Darth Vader im Urlaub macht.

So schön das Layout auch ist: die Texte leiden darunter. Sie sind wesentlich kürzer gehalten als bei der US-Ausgabe. Lediglich das Titelthema "Gebt Deutschland den Geeks" bekommt ordentlich Platz eingeräumt. Vielen anderen interessanten Themen fehlt der Tiefgang. Wie beim Beitrag „Tief drinnen“, das inhaltliche Gegengewicht zum Online-Optimismus. Der Titel verspricht einen Insider-Bericht aus den kriminellen Tiefen des Netzes. Doch der Autor kratzt bei einer Textlänge von zwei Seiten lediglich an der Oberfläche der Unterwelt. Um das Thema richtig einzuordnen, fehlt einfach der Platz.