Piraten geben Nachhilfeunterricht: Nach ihrem Wahlerfolg in Berlin erklärt die Parteiführung der versammelten Hauptstadtpresse ihre Ziele.

Berlin - Ziemlich nervös, aber mit dem starken Rückenwind ihres Berliner Wahlerfolgs treten die Piraten erstmals vor die Bundespressekonferenz. Die Politische Geschäftsführerin Marina Weisband hatte mit Blick auf die Premiere am frühen Morgen noch getwittert, sie „stelle gerade fest, dass ich doch eher Studentin als Politikerin bin“. Gegen Ende der Pressekonferenz aber sagt sie erleichtert: „Ich finde es gerade ganz toll!“ Es sei einfach faszinierend, die eigenen Ideen der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

 

Parteichef Sebastian Nerz fängt ganz von vorn an und erklärt erst einmal die Schreibweise der Piratenpartei: Ohne Bindestrich! Dann kommt er zum Ursprung des ungewöhnlichen Namens: Dieser leite sich ab von dem in Schweden gegründeten Datentauschportal „The Pirate Bay“. Die Piratenpartei trete für eine grundlegende Reform des Urheberrechts ein. Das bedeute aber nicht, dass die Partei illegales Kopieren fördern wolle.

Klare Haltung zum Datenschutz

Eine klare Haltung haben die Piraten zum Datenschutz. Das Internet brauche keine staatliche Regulierung, zumal viele Probleme nur global zu lösen seien. Der Staat müsse aber dem unternehmerischen Handeln im Netz Grenzen ziehen, wenn es um den Umgang mit persönlichen Daten gehe, fordert Nerz und nennt dabei umstrittene Funktionen von Facebook. Der Parteichef betont allerdings, dass die Piraten als „sozialliberale Grundrechtspartei“ keine reine Netzpartei seien.

Zum Rettungsschirm für verschuldete EU-Staaten oder dem Einsatz in Afghanistan haben die Piraten bislang keine Positionen festgezurrt. Wichtiger ist ihnen zunächst, Offenheit und Transparenz in den Politikbetrieb zu bringen. „Wir wollen die Kommunikation zwischen Abgeordneten und Bürgern verändern“, sagt Nerz. Und das bedeute auch einen Kampf „gegen Lobbyismus und Korruption in allen Bereichen der Gesellschaft“.

Viel Aufwand

Geschäftsführerin Weisband erklärt, wie viel Aufwand die Partei in ihren internen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen treibt. Hierfür haben die Piraten eine eigene Online-Plattform mit der Bezeichnung „Liquid Feedback“ entwickelt. „Das hindert uns manchmal daran, effizient zu sein“, räumt sie ein. Aber dies sei der Preis für ein neues Betriebssystem der Politik, in dem sich jeder einbringen könne. Die Piratin lädt auch die Journalisten der Pressekonferenz zur Mitwirkung ein: „Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, sich mit eigenen Anträgen zu beteiligen.“

Aber zunächst gibt es noch kritische Fragen: Wie steht es mit den Frauen in der Piratenpartei? Weisband antwortet, dass diese Zahl von der Partei gar nicht erfasst werde. „Echte Gleichberechtigung beginnt erst dann, wenn nicht mehr gezählt wird.“ Es gebe zwar weniger Frauen als Männer bei den Piraten, was mit der unterschiedlichen Computeraffinität von Jungen und Mädchen sowie überkommenen Erziehungsmodellen zu tun habe. Sie habe aber bei den Piraten die Erfahrung gemacht, „dass wir uns sehr leicht durchsetzen können“.

Sie werden ernstgenommen

Nach ihren 8,9 Prozent machen die Piraten jetzt die neue Erfahrung, dass sie vom etablierten Politikbetrieb auf einmal ernstgenommen werden. In der Bundespressekonferenz wird der Blick bereits auf die nächste Bundestagswahl gerichtet: Wenn heute Bundestagswahl wäre, würden nach dem aktuellen Forsa-Wahltrend 8 Prozent der Befragten für die Piraten stimmen.

Aber am Mittwoch ist Berlin wieder ganz aktuell. Noch vor der Nachricht vom Scheitern der rot-grünen Koalitionsverhandlungen erklärt Andreas Baum von den Berliner Piraten, ein Ausklammern strittiger Themen wie der Stadtautobahn A100 würde es mit ihnen nie geben. Das passe nicht zu Transparenz und Offenheit.