Zum zweiten Mal in kurzer Zeit ist in Stuttgart bei den Corona-Neuinfektionen der Warnwert von 35 Fällen übertroffen werden. Die Stadt zieht die Notbremse und schränkt die Teilnehmerzahl bei Feiern im privaten wie im öffentlichen Raum ein.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Es ist der im Augenblick höchste Wert in Baden-Württemberg: Der Landkreis Esslingen hat als erste Region im Land die Zahl von 50 Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen überschritten. Der Wert dort – der sogenannte Inzidenz-Wert – liegt bei 52,3 Fällen. Dies hat deutlich schärfere Maßnahmen zum Infektionsschutz zur Folge.

 

Der Landrat Heinz Eininger führt den Anstieg auch auf die Reiserückkehrer aus den Balkanstaaten und der Türkei zurück. Unserer Zeitung liegen zudem mehrere Hinweise vor, wonach es im DHL-Paketzentrum in Köngen zu zahlreichen Infektionen unter den Beschäftigten gekommen sei. Auf Nachfrage bittet die DHL-Sprecherin Sonja Radojicic um Verständnis, „dass wir bei diesem Thema grundsätzlich keine Zwischenergebnisse kommunizieren.“ Das Unternehmen arbeite eng mit den Gesundheitsbehörden zusammen, um mögliche Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Es würden auch weitere Reihentests durchgeführt. „Gegenwärtig läuft der Betrieb am PZ Köngen ohne Unterbrechungen“, sagt die Unternehmenssprecherin.

Es war in den vergangenen Tagen ein Auf und Ab auch in Stuttgart gewesen. Schon am vorigen Freitag war der Sieben-Tages-Wert pro 100 000 Einwohner auf 35,8 Fälle gestiegen und damit die Vorwarnstufe von 35 Fällen überschritten. Nur hat man das erst am Montag gemerkt, als noch Nachmeldungen von positiven Tests der Vorwoche eintrafen, da war der Wert aber schon wieder auf 34,4 Fälle gesunken.

Nun sind die Verhältnisse klar. Nicht nur, weil am Dienstag bei 38 Neuinfektionen der Sieben-Tages-Wert mit 35,4 Fällen wieder die Warnmarke gerissen hat. Vor allem die am Mittwoch veröffentlichte Zahl von 78 Neuinfektionen an einem Tag lässt aufhorchen. „Das ist ein gewaltiger Satz“, sagt Stefan Ehehalt, der Leiter des städtischen Gesundheitsamts. Der Sieben-Tages-Wert stieg damit auf 38,4 Fälle.

Gültig vom 9. Oktober an

So ist seit Mittwoch amtlich: In Stuttgart sind private Feiern von Freitag, 9. Oktober, an „nur noch eingeschränkt möglich“, erklärt die Stadt. Das bedeutet: „Private Zusammenkünfte sind nur noch möglich, wenn weniger als 25 Personen zusammenkommen.“ Über die Regelung für Treffen in Privaträumen hinaus gibt es auch Beschränkungen für solche Zusammenkünfte in öffentlichen oder angemieteten Räumen, hier liegt die Obergrenze bei 50 Personen. Verstöße kosten mindestens 250 Euro Bußgeld, im Einzelfall bis zu 25 000 Euro. Die Regelung gilt zunächst bis 25. Oktober.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) begründet die Entscheidung damit, dass man sich derzeit „stark an die Situation im März erinnert fühlt“. Das bereite der Stadt „Sorgen“, so Kuhn. Dabei sei die ergangene Verfügung „zielgerichtet und angemessen“. Das öffentliche Leben solle weitestgehend aufrecht erhalten werden, betont der OB. „Wir wollen einen Lockdown verhindern. Damit Kinder in die Kita oder in die Schule gehen und Geschäfte offen bleiben können, schränken wir private Zusammenkünfte ein.“

Starker Anstieg der Fallzahlen

Amtsleiter Stefan Ehehalt betont: „Der Trend neuer Infektionen ging spürbar nach oben. Ein starker Anstieg der Fallzahlen zeichnet sich ab.“ Der Amtsleiter unterstreicht, dass sich überall in der Republik Corona-Ausbrüche vermehrt auf Feiern und Partys zurückführen ließen. „Überall, wo Menschen auf engem Raum zusammenkommen, laut reden, sich locker austauschen, verbreiten sich Viren.“

Während nach den Schulferien der Anstieg der Corona-Infektionen überwiegend bei Reiserückkehrern festgestellt worden sei, gehe die jetzige Entwicklung stark auf die wieder wachsende Zahl von Sozialkontakten der Menschen zurück. Aber gerade bei Feiern und Zusammenkünften im privaten Umfeld sei „Abstand nur schwer einzuhalten“, räumt Ehehalt ein. „Deshalb der Appell, die Anzahl der Feiern zu reduzieren.“ Dies betreffe nicht nur jüngere Menschen, wenngleich diese derzeit noch stärker von Neuinfektionen betroffen seien. „Aber die Älteren holen auf“, stellt Stefan Ehehalt fest. Dies zeigt auch die wieder wachsende Zahl von Covid-19-Patienten in Stuttgarter Krankenhäusern. So wurde in einem Altenheim ein Bewohner bei der Aufnahme ins Krankenhaus positiv getestet und im Heim vier Mitarbeiter. Und es gab mehrere Corona-Infektionen im Rahmen einer Feier „im universitären Umfeld“.

Der Leiter des Gesundheitsamts stellt auch klar: Die wachsende Zahl von positiven Corona-Tests sei nicht auf die höhere Testfrequenz zurückzuführen, es steige bei den Tests auch die Quote der positiven Ergebnisse. Dabei handle es sich um ein schnelles, aber noch nicht um ein exponentielles Wachstum wie im Frühjahr. Dennoch müsse man „Tempo rausnehmen“, machte Ehehalt deutlich. Er fordert die Menschen auf, die Maskenpflicht sowie die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten sowie Räume oft zu lüften.