Das Landesreisekostengesetz wird nach Protesten des Beamtenbundes um einen Satz ergänzt. Doch die Beamtenschaft ist gespalten: Ein Teil fühlt sich durch die geplanten Regelungen benachteiligt – der andere Teil sieht sich durch die Debatte darüber in ein falsches Licht gerückt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Aufregung ist beträchtlich: Im Prinzip sollen die baden-württembergischen Beamten auf Dienstreisen von mehr als 100 Kilometern nicht mehr generell erster Klasse Bahn fahren dürfen – so ist es im neuen Landesreisekostengesetz vorgesehen. Damit will Grün-Schwarz den Ministerien mehr Freiheiten geben, eigene Regelungen für Dienstreisen zu pflegen, zum Bürokratieabbau beizutragen und zu sparen. Der Beamtenbund hat viele Reaktionen ausgelöst.

 

Seine Forderung nach Korrekturen stieß bei Spitzenvertretern der Landesregierung zunächst auf offene Ohren. Nun wird nach Angaben des Finanzministeriums im Passus zur gewünschten Bahnreise in der zweiten Klasse aber lediglich ein Satz eingefügt: „Ausnahmen sind zugelassen bei besonderen dienstlichen Gründen.“ So sei es aber ohnehin gedacht, sagt der Ministeriumssprecher. Angepeilt sei, das Gesetz Anfang 2018 ins Kabinett und im zweiten Quartal zur Verabschiedung im Landtag zu bringen. Damit könnte es im Sommer in Kraft treten.

Unverständnis bei den Lehrern

Ausgestanden ist die Kontroverse damit nicht – im Gegenteil: „Ich bin in über 37 Jahren Schuldienst noch nie erster Klasse dienstlich unterwegs gewesen, weder zu Fortbildungen noch zu Klassenfahrten“, zürnt eine Stuttgarter Lehrerin, offenkundig stellvertretend für viele Kollegen. Diese Fahrten hätten immer in überfüllten Zügen mit Baden-Württemberg-Ticket stattgefunden. „Ich kenne auch keinen Kollegen, der je erster Klasse auf Dienstreise ging.“ Deshalb fühle sie sich unter „Generalverdacht“ gestellt, „Privilegien zu haben, von denen ich nicht mal wusste, dass es diese im Landesbeamtendienst gibt“. Ähnlich formuliert Sharon Betz aus Ludwigsburg, Lehrerin an einem Gymnasium und seit 24 Jahren Landesbeamtin: „In all den Jahren bin ich nicht ein einziges Mal erster Klasse gereist.“ Um 25 Kindern eine Studienreise zu ermöglichen, „lege ich Reiseleiterin und Rundumbetreuerin am Ende aus eigener Tasche Geld drauf“.

Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), kennt solche Reaktionen: von verständnislosen Lehrern, die ihre Klassenfahrt selbst bezahlen, weil ihre Kosten nicht auf die Schüler umgelegt werden. Dies sei für sie das Hauptärgernis. Erster Klasse fahre kaum einer im Dienst. Schon die Nutzung des Privat-Kfz oder eines Taxis bei Außenterminen zu beantragen, ist so kompliziert, „dass viele darauf verzichten und die Fahrt nicht abrechnen“. Es gebe auch nur relativ wenig Lehrkräfte im Land, die überhaupt längere Dienstreisen absolvieren müssten, so Schneider. Selbst die sogenannten abgeordneten Lehrer an die Schulverwaltung – wenige hundert von insgesamt 120 000 Lehrkräften – bewegen sich meist nur im Regierungspräsidiumsbezirk. Bei Fortbildungen gelten ohnehin eigene Regeln, die meist die Erstattung eine Fahrkarte der zweiten Klasse vorsehen. Restriktiv wird der Kostenausgleich bisher auch schon vom Innenministerium gehandhabt – die erste Klasse ist generell nicht vorgesehen.

Umstieg auf das Auto angedroht

Es gibt auch viele konträre Stimmen: „Reisezeit in der ersten Klasse ist für mich und damit für das Land echte Arbeitszeit“, sagt Alexander Schmid, der Landesvorsitzende im Bund der Strafvollzugsbediensteten. „In einer meist übervollen zweiten (Steh-)Klasse wäre an vertrauliches Arbeiten kaum mehr zu denken – oder soll sich der Schüler im Nebensitz für die neueste Gesetzesvorlage interessieren?“ Als Beamter des Strafvollzugs im mittleren Dienst sei er keinen Luxus gewohnt. Aber bei zweistündigen Fahrten von Singen nach Stuttgart würde er gern auf einem Sitzplatz der ersten Klasse arbeiten, etwas vom Büroalltag entspannen und damit leistungsbereit am Ziel ankommen. Als Mitglied des Hauptpersonalrates der Justiz sei er seit Jahren „dankbarer Nutzer der Deutschen Bahn“. Auch dank einer Bahncard erspare er dem Land auf diese Weise deutlich Kosten ein – verglichen mit einer Autofahrt. Sollte es mit dem Reisekostengesetz zu Restriktionen kommen, würde er ganz sicher auf das Auto umsteigen – was wenig hilfreich wäre für die Stau- und Feinstaubhauptstadt Stuttgart, fügt Schmid an.

Ein Gesetz mit vielen Nachteilen?

In einer ausführlichen Bewertung pflichtet der Konstanzer Stefan Lissner, Landesvize im Bund Deutscher Rechtspfleger, bei: „Tatsächlich wird das Vorhaben zu Mehrkosten, ökologischen Belastungen und unzumutbaren Reisebedingungen führen.“ Es handele sich um eine „einseitige Sparmaßnahme zu Lasten der Bediensteten des öffentlichen Dienstes“. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die Vereinfachung des Verfahrensaufwandes im Prinzip begrüßt, aber viele Änderungsvorschläge eingebracht.

Pro Jahr geben die Ministerien insgesamt 35 Millionen Euro für Reisekosten aus. Geschätzt 40 bis 60 Millionen sind es, wenn man neben der unmittelbaren Landesverwaltung noch die Universitäten und Hochschulen einbezieht.