In Washington hat sich der neue US-Kongress mit der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus konstituiert. Fortan wird der Wüterich Trump nicht mehr alleine die Bühne beherrschen. Die schweigende Mehrheit der Amerikaner bekommt eine Stimme, meint unser Korrespondent Karl Doemens.

Washington - Manchmal spürt man erst, wie schlecht die Luft in einem Raum war, nachdem die Fenster weit aufgerissen wurden. Einen solchen Augenblick haben die USA am Donnerstag erlebt. Gerade noch hatte Donald Trump im Weißen Haus vor der Männerrunde seines Kabinetts eine weitere narzisstische Ego-Show abgeliefert, da wurde im zwei Kilometer entfernten Kapitol Geschichte geschrieben: die erste weibliche Abgeordnete aus Iowa, die erste Schwarze aus Massachusetts und die zwei ersten Musliminnen überhaupt legten ihren Amtseid ab.

 

Die Legislative erwacht wieder zum Leben

Schon der Kontrast zwischen der weißen Macho-Welt des Präsidenten und der bunten Vielfalt im neuen Kongress ist bemerkenswert. Nicht nur Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung weichen voneinander ab. Vor allem haben die Demokraten kraftvoll die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert. Damit erwacht die Legislative endlich wieder zum Leben. Die Macht in Washington ist künftig geteilt. Die neuen Mehrheitsverhältnisse garantieren weder eine bessere Politik noch eine Aussöhnung der polarisierten amerikanischen Gesellschaft. Aber sie haben eine befreiende Wirkung.

Fraktion der Demokraten ringt noch um ihren Kurs

Fortan wird der Wüterich Trump nicht mehr alleine die politische Bühne beherrschen. Die schweigende knappe Mehrheit der Amerikaner bekommt Stimmen und Gesichter. Mit ihrer Parlamentsmacht wird sie den Präsidenten kontrollieren und mit ihren jungen, frischen Vertretern den Wettstreit beleben. Noch ringt die Demokraten-Fraktion erkennbar um ihren Kurs. Auch muss sich der idealistische Überschuss mancher Novizin in den parlamentarischen Niederungen erst noch beweisen. Doch die Demokraten haben die Chance, eine zivilisierte und zukunftsorientierte Alternative zur Trumpschen Angst-Rhetorik aufzuzeigen. Nach zwei deprimierenden Jahren darf man sich an diesem Tag über den Hoffnungsfunken vorbehaltlos freuen.