23 Jahre lang war Wilfried Wallbrecht für die Stadt Esslingen tätig, davon viele Jahre als Baudezernent und Erster Bürgermeister. Jetzt geht er in den Ruhestand.

Esslingen - Die Geige und das Akkordeon spielen perfekt zusammen. Doch es ist nicht alles Dur, was in die Weite des Neckarforums hallt. Mit großem Abstand voneinander sitzen dort etwa hundert geladene Menschen und verabschieden den „lieben Willi“. So jedenfalls wird er von dem Hauptredner genannt. Es ist Montagabend, der letzte offizielle Akt des Ersten Bürgermeisters Wilfried Wallbrecht, der sich in die Rente verabschiedet. Die Festrede hält Oberbürgermeister Jürgen Zieger. Beide wurden vom Schicksal in einen gemeinsamen zeitlichen Rahmen gesteckt. Sie fingen gleichzeitig an und hörten fast gleichzeitig auf. Ziegers Verabschiedung wird im September sein.

 

„Willi, du hast das letzte Wort“, fordert Zieger nach der eigenen Rede den scheidenden Wallbrecht auf, ans Rednerpult zu treten. Der räuspert sich kurz und beginnt mit diesen Worten: „Ich wollte schon immer mal das letzte Wort haben.“ Gelächter, Applaus. Vergessen sind die vielen Stürme, durch die sich Wallbrecht kämpfen musste. In die Zeit der beiden Männer, die jetzt abtreten, fielen wichtige Entscheidungen, nicht alle unumstritten. So viel, dass er gar nicht alles präsent hat. „Man vergisst schnell, wie die Stadt 1998 aussah“, sagt er lapidar. Um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, haben Mitarbeiter ihm eine Sonderausgabe des Esslinger Stadtplans überreicht, auf dem Tausende von Punkte eingetragen sind. Jeder Punkt steht für eine Aktivität.

Nur gute Eigenschaften

Zuvor hatte Zieger Eigenschaften des scheidenden Bürgermeisters aufgelistet, die an einem solchen Abend allesamt positiv ausfallen. Ein „überaus menschlicher Chef“ kommt in dieser Kurzbiografie vor, ein „operativ mitwirkender Chef“ auch. Es ist nicht das allerschlimmste, so verabschiedet zu werden, auch wenn Wallbrecht noch einmal betont, dass öffentliche Darstellungen nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählen.

Er selbst geht kritischer mit sich um, verliert sich an diesem letzen Abend aber auch nicht weiter in Details. Das Wort „Danke“ und „Demut“ kommt ihm über die Lippen, wobei „Danke“ die Formel ist, die an diesem Abend wohl am häufigsten ausgesprochen wird. Auch die Personalratsvorsitzende Astrid Happel nutzt sie gleich mehrfach. Als Geschenk hat sie etwas aus ihrem Garten mitgebracht, was gute Laune bringt, wenn man nicht zu viel davon trinkt.

So etwas steht auch auf den Tischen. Außer Sekt gibt es Wasser und Orangensaft. Viele der Anwesenden finden es trotzdem etwas traurig, dass eine echte Geselligkeit nicht möglich ist. Das macht sich vor allem bemerkbar, als es zum Anstoßen kommt. Jeder für sich schenkt sich ein, prostet in die Luft und trinkt. Als die Veranstaltung zu Ende ist, verschwindet Wallbrecht mit ein paar Getreuen in die Nacht. Dunkle Wolken ziehen auf. Eine halbe Stunde später fegt ein heftiger Sturm über die Stadt. Nach Wallbrecht die Sintflut? Sein Nachfolger Hans-Georg Sigel ist unter den Gästen. Er macht einen gut gelaunten Eindruck. Einige wichtige Projekte hat sein Vorgänger beendet, andere angeschoben. Es geht weiter. Immer weiter. Wallbrecht tritt nicht als jemand ab, der glaubt, dass ohne ihn gar nichts mehr geht. „Ich werde keine Leserbriefe schreiben“, verspricht er. Und meint vermutlich Briefe, in denen einer schreibt, der alles besser weiß.