In Wangen ist der erste Friedwald der Region Stuttgart eröffnet worden. Die Nachfrage ist so groß, dass es schon Überlegungen für eine zweite Ruhestätte dieser Art gibt.

Region: Corinna Meinke (com)

Wangen - Unter Buchen, Eichen und Linden ist nicht nur gut wandern, auch als letzte Ruhestätte bieten die stummen Riesen neuerdings ihre Dienste an. Immer mehr Menschen finden Gefallen an der Vorstellung, am Fuße eines Baumes ewig zu ruhen. Daraus ist eine Geschäftsidee geworden: Die Friedwald Gesellschaft in Griesheim bei Darmstadt hat bundesweit bereits 41 Ruhewälder gegründet. Einer davon befindet sich seit Neuestem in der Gemeinde Wangen im Kreis Göppingen. Am Wochenende wurde der Ruhewald im Reutegarten mit einer Feier und einem Waldinformationstag eingeweiht.

 

Farbige Bänder markieren die Bäume

273 Bäume, die sich für Urnenbestattungen eignen, sind bereits mit unterschiedlich farbigen Bändern markiert worden. Die Farben stehen für die verschiedenen Bestattungsangebote, die vom Einzelplatz für 15 Jahre bis zum Familien- oder Freundschaftsbaum reichen. Hier ist Platz für bis zu zehn Personen. Das Anrecht auf den jeweiligen Baum kann bis zu 99 Jahre bestehen. Mehrere Hundert Besucher haben sich am Sonntag für das neue Angebot interessiert und sich vom zuständigen Förster durch den Wald führen lassen.

Wolfgang Stoß arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Förster für den Grafen Degenfeld. Der Degenfeld’sche Wald in Wangen ist mit 15 Hektar einer der kleinsten Friedwälder überhaupt, weiß er. Und wenn sich die Nachfrage so weiterentwickelt, könnte er bald zu klein sein, mutmaßt auch sein Besitzer Ferdinand von Degenfeld. Schon jetzt stünden Urnen im Wangener Rathaus, die in den nächsten Tagen beigesetzt werden sollen. Der Platz für Gräber unter Bäumen soll im Wangener Reutegarten für rund zehn Jahre ausreichen. Da die Liegezeit bis zu 99 Jahre beträgt, haben sich die Gemeindeverwaltung und der Betreiber aus Griesheim bereits Gedanken über die Zukunft gemacht. Demnach gibt es Überlegungen, wonach auch das Waldstück Weiler Weg, auf der anderen Seite des Ortes, einmal als Friedwald genutzt werden könnte.

Nicht der erste Anlauf

Im Kreis Göppingen hat es bereits vor einigen Jahren einmal einen Versuch gegeben, einen Wald für Bestattungen zu nutzen. Auch damals war die Initiative vom Grafen Degenfeld ausgegangen. Der Forstmann wollte einen Wald im Teilort Weiler umnutzen und stieß in der Geislinger Stadtverwaltung auf offene Ohren. Die Kommune unterstützte die Idee und bot sich für die verwaltungstechnische Betreuung an. Das Projekt scheiterte allerdings am Landratsamt. Die Behörde verweigerte die Genehmigung mit dem Hinweis, man befürchte an dem Standort in einem Wasserschutzgebiet eine Belastung des Grundwassers mit Schwermetallen aus der Asche Verstorbener, wenn sich die kompostierbaren Urnen im Laufe der Jahre auflösen. Daraufhin führte die Stadt Geislingen so genannte Baumbestattungen auf ihrem Friedhof in Altenstadt ein. Baumbestattungen sind auch auf mehreren Friedhöfen in Stuttgart und der Region möglich.

Der Förster führt die Interessenten

Die Bäume im Reutegarten sind zwischen 90 und 110 Jahre alt. Alle Gewächse, die sich für Beisetzungen eignen, stehen mit einigen Metern Abstand zum übrigen Bestand. Weil das Unterholz entfernt worden ist, ergibt sich ein lichter Wald. Der Förster ist hier künftig vor allem zuständig für die Führung von Interessenten, und er soll auch an den Bestattungen teilnehmen. Die forstliche Nutzung hingegen wird im Wangener Reutegarten auf das unbedingt Notwendige zurückgefahren.

Obwohl es im Reutegarten einen Andachtsplatz mit einem Kreuz gibt, steht der Friedwald allen Konfessionen offen. Welche Rituale die Beisetzung begleiten, soll den Wünschen der Verstorbenen und deren Angehörigen überlassen bleiben. So sind christliche Beisetzungen genauso möglich wie Beisetzungen ohne geistlichen Beistand. Auf Blumenschmuck und Kerzen muss allerdings verzichtet werden.