Aber zunächst bewirken diese Befehle nichts. Die Soldaten tauschen Geschenke aus, schneiden sich gegenseitig die Haare, und als irgendwo ein Fußball auftaucht, kommt es zu dem wohl seltsamsten Fußballspiel der Geschichte, zwischen Deutschen und Schotten. Wer gewonnen hat, ist bis heute umstritten. Belegt sind diese Ereignisse durch Fotografien, die der britische Schütze Turner mit seiner Pocket Camera macht. Einige davon gelangen sogar in die britische Presse, die sich nicht an die Zensurbestimmungen hält und die Bilder veröffentlicht.

 

Das ist wohl mit ein Grund, weshalb die Erinnerung an den kleinen Frieden in England lebendig geblieben ist und in Deutschland kaum ins Bewusstsein drang. Der „Daily Sketch“ rühmte den Major Archibald Buchanan-Dunlop samt Foto als einen der Initiatoren des Weihnachtsfriedens. Geschadet hat ihm das nicht.

Im Deutschen Reich hingegen waren die Zensoren gründlich. Da gab es keine öffentlichen Beweise vom kleinen Frieden. Ohnehin waren die Preußen strenger – auch an der Front. Wo preußische Einheiten lagen, gab es keinerlei Anzeichen für einen Weihnachtsfrieden, um so mehr aber bei sächsischen und bayerischen Regimentern. Streng waren auch die Württemberger. Als an Weihnachten französische Offiziere rauchend und plaudernd hinter ihrer Stellung promenierten, ließ Oberleutnant Albrecht Ludwig Volz, von Beruf Förster, mit dem Maschinengewehr auf sie schießen. Damit hatte an diesem Frontabschnitt der Frieden ein jähes Ende gefunden.

Die „menschliche Episode“, wie der Sherlock-Holmes-Autor Conan Doyle den kleinen Weihnachtsfrieden von 1914 nannte, blieb eine einmalige Angelegenheit. Die Befehlshaber beider Seiten waren streng darauf bedacht, eine Wiederholung an Weihnachten 1915 zu verhindern. Und dennoch: als die Offiziere Pommeroy und Coburg, die sich von Weihnachten 1914 her kennen, ein Jahr später erfahren, dass sie einander gegenüberliegen, veranstalten sie ein Treffen zwischen den Gräben. Als Coburg zurückgeht, wird er von einem Engländer in den Rücken geschossen. Pommeroy ruft deutsche Sanitäter herbei, begleitet den Verwundeten in seine Stellung und entschuldigt sich bei ihm „für diese Feigheit“. Doch fortan wird es solche Szenen nicht mehr geben. Der Krieg wird härter und dauert noch Jahre. Viele Soldaten hatten ihn schon an Weihnachten 1914 für sinnlos gehalten. Damals kommentierte der „Daily Mirror“: „Der einfache Soldate hat keine Verbündeten.“