Warum sind die Straßenränder mit Autos zugestellt, wo man dort so schön sitzen könnte? Diese Frage hat die Kunststudenten Kristin Lazarova und Basil Helfenstein so lange umgetrieben, bis sie schließlich ein Bude zimmerten und sie an die Reuchlinstraße stellten, damit Leute darin Platz nehmen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Fünf Europaletten können, solide verschraubt und mit Pflanzen dekoriert, eine Art Wohnzimmer für die Allgemeinheit ergeben. Kristin Lazarova und Basil Helfenstein haben ihr gezimmertes Interieur jüngst in der Reuchlin-, Ecke Reinsburgstraße an der Straße aufgepflanzt, und die Menschen, die dort wohnen, eingeladen, es sich auf den Holzbänken gemütlich zu machen, um miteinander zu quatschen. „Parklet“ nennt sich diese neue Form der Straßenraumaneignung – offenbar eine Zusammensetzung der Worte „Parkplatz“ und „Palette“. Die Crux an der Sache ist nämlich, dass diese Bretterbuden auf Parkplätzen errichtet werden, um zu zeigen: „So kann man die Straße auch nutzen, sie ist nicht bloß für Autos da.“

 

Eine Bude mit amtlichem Kennzeichen

In Helfensteins Nachbarschaft jedenfalls kam die Idee gut an: „Die Leute haben sich hingesetzt und darüber debattiert, dass in der Stadt alles zugepflastert ist und es zu wenig Räume gebe wie diesen.“ Damit alles seine Ordnung hat, haben sich Lazarova und Helfenstein für ihr Parklet sogar bei der Stadt einen Anwohnerparkausweis besorgt – allerdings mit dem amtlichen Kennzeichen des Autos von Helfensteins WG-Mitbewohnerin.

Das fand die Polizei nicht korrekt. Mitten ins gemütliche Stelldichein der Nachbarschaft platzten nach ein paar Stunden Beamte, die baten, das komplette Geraffel doch bitte aus dem Straßenraum zu entfernen, der Stellplatz sei für Fahrzeuge reserviert. Lazarova hat die Beamten in eine kleine Diskussion verwickelt: Was denn wäre, wenn sie vier Räder unter ihr Parklet schraubten, ob es dann als Fahrzeug durchginge. „Da haben sie ein bisschen gestutzt“, erzählt Lazarova amüsiert. Die Beamten hätten aber schließlich argumentiert, dass auch eine unangemeldete Party in einem Fahrzeug nicht rechtens sei. Letztlich musste das komplette Parklet in einen nahe gelegenen Innenhof umziehen. Da bleibt es auch vorerst.

Stuttgarts breite Straßen bieten planerisches Potenzial

Lazarova und Helfenstein haben nicht bloß mit handwerklich begabten Freunden das Parklet gezimmert, sondern auch ein „Manifest“ verfasst zu ihrer „temporären Kunstinstallation im öffentlichen Raum“, dem ersten Parklet, das die Landeshauptstadt je gesehen hat. Darin schreiben sie: „Wir sind Studenten der Universität und Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und wollen eine Diskussion über den öffentlichen Raum in der Stadt anstoßen. Für Autofahrer ist es ein Leichtes sich eine Anwohner-Parkkarte zu besorgen. Freie Parkplätze sind sehr gefragt, dennoch ist dieses Prinzip nicht demokratisch. Sollten nur Autobesitzer ein Anrecht haben auf den öffentlichen Straßenraum?“ Parklets hätten sich in verschiedenen Städten als erfolgreiches Instrument zur Verkehrsberuhigung und Aufwertung des öffentlichen Raumes bewiesen. Vorreiter sei San Francisco, wo Parklets aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken seien.

„Das stadtplanerische Potenzial von Stuttgart ist enorm: Der Straßenraum ist breit angelegt, Platz genug also für alle“, sind die beiden überzeugt. Es sei höchste Zeit umzudenken: „Gerade im dicht besiedelten Stuttgarter Westen säumen hauptsächlich Autos die Bürgersteige.“