Die USA verlangen von Deutschland einen größeren Einsatz im Rahmen der Nato, glaubt Amerika-Experte Hans-Ulrich Klose. Der nächste Prüfstein warte in Mali, so der Politiker im StZ-Interview.

BerlinGute transatlantische Beziehungen sind keine Selbstverständlichkeit, sagt Hans-Ulrich Klose. Deutschland müsse dafür arbeiten – und hat in Barack Obama einen guten Partner.
Herr Klose, was bedeutet Obamas Wiederwahl für Deutschland?
Vor allem: Kontinuität. Das deutsch-amerikanische Verhältnis hat sich während seiner ersten Amtszeit sehr positiv entwickelt. In Amerika wird die ökonomische Leistungsfähigkeit Deutschlands bewundert. Dass wir es geschafft haben, trotz heftiger Konkurrenz zu China unsere Industriearbeitsplätze und damit unser produktives Potenzial zu erhalten, nötigt den Amerikanern Respekt ab, und sie wollen da von uns lernen. Allerdings haben die Amerikaner zugleich begonnen, sich strategisch neu zu orientieren. Es ist ihnen nicht entgangen, dass sich die wirtschaftlichen Aktivitäten Richtung Asien verlagern. Deshalb wollen sie das Verhältnis zu den pazifisch-asiatischen Mächten neu ausbalancieren.

Kümmern sich Merkel und Westerwelle genug um die transatlantischen Beziehungen?
Diese Frage richtet sich an uns Deutsche ganz generell. Für die Amerikaner sind wir das Kraftwerk Europas. Sie erwarten, dass wir unsere Potenziale besser einsetzen im Interesse Europas und im Interesse des Westens. Gelegentlich wird sogar davon geredet, man erwarte mehr Führung. Die Amerikaner werden von uns deshalb wohl einen höheren finanziellen Einsatz in der Nato und eine strategische Aufgabenteilung fordern. Grob gesagt wollen sie, dass sich die Europäer um die Probleme in ihrer Peripherie gefälligst selbst kümmern.

Da will Amerika künftig also nichts mehr mit zu tun haben . ..
Das ist zu hart. Sie werden, wie im Fall Libyen, weiter helfen. Aber sie werden nicht führen. Ich vermute, der nächste Prüfstein für diese Politik wird Mali.

Beschränkt sich die Führung, die erwartet wird, aufs Militärische?
Nein. Man hat auch in der Eurokrise in Amerika ständig auf Deutschland geblickt und gesagt: „Ihr müsst es richten, weil ihr die stärksten seid.“ Das mag uns, schon allein aus historischen Gründen, überfordern, aber es beschreibt nun mal die amerikanische Erwartung. Es hat uns ja auch erstaunt, dass wir von einem polnischen Außenminister aufgefordert wurden, Führung zu übernehmen. Er sagte, er fürchte sich nicht mehr vor deutschen Panzern, sondern vor deutscher Führungsabstinenz.

Was bedeutet das für Europa?
Europa muss seine Probleme in angrenzenden Regionen zunehmend allein lösen. Notfalls eben auch mit militärischen Mitteln. Dafür ist ein größeres Stück gemeinsamer Außen- und vor allem Sicherheitspolitik in Europa notwendig.

Was droht, wenn das nicht gelingt?
Auf diese Position lasse ich mich gar nicht erst ein. Wir müssen das schaffen. Das europäische Projekt war zu Beginn ein Wiederaufbau- und Friedensprojekt, jetzt ist es ein Selbstbehauptungsprojekt. Wenn wir nicht lernen, zusammen zu agieren, werden wir irrelevant, und zwar nicht nur aus amerikanischer Sicht, sondern aus der Sicht der Welt.

Obama will sich verstärkt dem Pazifikraum zuwenden, weshalb sollte Europa es ihm nicht gleichtun? Wie wichtig ist das transatlantische Verhältnis noch?
Es ist von enormer Bedeutung. Die atlantischen Partner sind das, was man den Westen nennt. Und der Westen ist allein schon bevölkerungsmäßig in der Minderheit. Wir haben aber nun mal auch ganz spezifische westliche Werte, an denen wir festhalten wollen und das können wir nur gemeinsam schaffen. Deshalb sollten wir alles tun, um die transatlantischen Beziehungen zu stärken. Das ist in dieser Welt nicht mehr selbstverständlich. Dafür muss man hart arbeiten.