Der Auftragsboom beim Steinbrecher-Anlagenbauer Kleemann hält an. Deshalb soll die Produktionsstätte im Stauferpark stark erweitert werden. Doch was wird dann aus dem Tigerentenclub und der Kultur in der Werfthalle?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Die Ankündigung des Südwestrundfunks (SWR) entfaltete höchste diplomatische Aktivitäten: Der Sender prüfe, den „Tigerentenclub“ vom Jahr 2017 an nicht mehr im Göppinger Stauferpark, sondern in einem seiner Studios in Baden-Baden zu produzieren, hieß es vor drei Jahren bei der Vorstellung eines großen Sparprogramms. Der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till intervenierte beim SWR-Intendanten und startete eine groß angelegte Werbekampagne. Vor seinem Rathaus postierte er eine riesige Tigerente – mit Erfolg. So umworben verlängerte der Sender bis Ende 2019.

 

Die Hoffnung, dass es danach mit den Fernsehmachern erneut eine Einigung geben könnte, hat die Stadt offensichtlich inzwischen aufgegeben. Eine Vertragsverlängerung sei unwahrscheinlich. Es gebe keinerlei entsprechende Signale „Unser Eindruck ist, dass sich der SWR auf das Studio in Baden-Baden konzentrieren wird“, erklärt der Sprecher des Oberbürgermeisters Guido Till (CDU), Dejan Birk-Mrkaja.

Der Riese will weiter wachsen

Doch für Till gibt es ohnehin längst andere Prioritäten. Die Firma Kleemann, deren Umzug aus Faurndau in den Stauferpark der Oberbürgermeister vor sechs Jahren selbst eingefädelt hatte, möchte sich weiter ausbreiten. Schon jetzt ist die 35 000 Quadratmeter große Produktionshalle zwischen Manfred-Wörner- und Lise-Meitner-Straße mit Abstand der größte Komplex auf dem ehemaligen US-Militärgelände. Nun sollen sowohl die Produktionsflächen, als auch das Bürogebäude und das Zentrallager erweitert werden. Zudem ist der Neubau einer Prototypenhalle und einer Reparaturhalle vorgesehen.

Dafür braucht das Unternehmen Flächen. Weil der südlich angrenzende Golfplatz eine Bestandsgarantie bis 2027 besitzt, geht der Blick Richtung Nordwesten. So stehen der Tigerentenclub, der Dr.-Herbert-König-Platz und sogar die Werfthalle mitsamt der dahinterliegenden Handwerkerhöfe auf dem Speiseplan. Till ist begeistert. Er begrüße die Expansionspläne, lässt er sich zitieren. Sie trügen zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Stauferpark bei.

Die Mitarbeiterzahl soll auf 700 steigen

Nachdem in den vergangenen Monaten die Gerüchteküche mächtig brodelte, wird am kommenden Donnerstag nun der gemeinsame Ausschuss des Gemeinderats über das Konzept der Werkserweiterung offiziell und öffentlich informiert. Hintergrund der Pläne sei eine außerordentlich positive Geschäftsentwicklung, die auch das Unternehmen selbst in diesem Ausmaß nicht erwartet habe, sagt der Generalbevollmächtigte für den Bereich Expansion bei Kleemann, Gerhard Schumacher. Vor allem die Prallmühlanlagen, die beim Recycling von Bauschutt und Straßenbelägen eingesetzt würden, verkauften sich weltweit immer besser. „Um die kommende Nachfrage abwickeln zu können, wollen wir die Mitarbeiterzahl von 500 auf 700 steigern“, sagt Schumacher. Doch dazu brauche es mehr Platz, und zwar in der direkten Umgebung. „Ein Zweigbetrieb auf der Alb ist für uns keine Alternative.“ Das wäre logistisch nicht zu meistern. Schließlich seien einzelne Maschinenteile bis zu 70 Tonnen schwer.

Arbeitsplätze wichtiger als Tigerente

Noch in diesem Jahr will das Tochterunternehmen der Wirtgen-Gruppe mit der Erweiterung der Produktionshalle beginnen. Im kommenden Jahr soll der Verwaltungsbau vergrößert werden. Anschließend würde der bisherige Firmenparkplatz zu einem Außenlager umfunktioniert. Für die Mitarbeiter stünde dann der Dr.-Herbert-König-Platz als Stellfläche zur Verfügung. Die denkmalgeschützte Werfthalle möchte Kleemann unter der Woche für Kundenevents und Betriebsversammlungen nutzen. Das kulturelle Programm müsse dadurch reduziert werden. Für Großveranstaltungen wie die Stauferfestspiele werde die Halle aber auch künftig vermietet, sagt Schumacher. Der „Tigerentenclub“ spielt in den Plänen von Kleemann keine Rolle. Das Studiogebäude muss einer Prototypenhalle weichen. Der OB hat das schon verschmerzt. Arbeitsplätze sind ihm dann doch ein wenig wichtiger als die Werbung durch den getigerten Kinderfreund.

Pro & Contra Kleemann-Erweiterung

Göppingen - Kleemann möchte sicher vergrößern. Die Stadt sollte dem keinen Stein in den Weg legen. Wer A sagt, muss auch B sagen, findet unser Autor Eberhard Wein. Die Übernahme durch das aufstrebende Unternehmen sei auch für die Zukunft der Werfthalle das Beste, glaubt er. Doch sein Kollege Klaus Nonnenmacher sieht das ganz anders. Es war doch einst alles ganz anders geplant – mit Wohnen, Arbeiten und Kultur. Diesen Niedergang habe der Stauferpark nun wirklich nicht verdient.

Nicht knausern

Von Eberhard Wein -

Göppingen - Es ist ein kleines Göppinger Wirtschaftswunder, das sich seit sechs Jahren im Stauferpark abspielt. 200 Mitarbeiter zählte Kleemann beim Umzug. Heute sind es 500, bis 2020 sollen es 700 sein. Dieses Wachstum braucht Platz. Mit dem Ja zur großen Produktionshalle hat die Stadt längst die Grundsatzentscheidung getroffen, Kleemann diesen Platz einzuräumen. Wenn nun der Wunsch nach einem Nachschlag laut wird, sollten die Stadtoberen also nicht knausrig sein.

Der Stauferpark wird sich damit 25 Jahre nach dem Beginn der Konversion des einstigen US-Militärgeländes erneut verändern. Das Wohnen ist gegenüber der Gewerbenutzung schon ins Hintertreffen geraten, nun droht auch das Veranstaltungswesen in und um die Werfthalle dem Kleemann-Boom zum Opfer zu fallen. Doch dazu gibt es zwei Feststellungen: Die Werfthalle steht unter Denkmalschutz, ihre Nutzung nicht. Trotzdem ist Kleemann bereit, sie an Wochenenden weiter für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Auf wegweisende Messen wie „Mein Hund“ oder Vitawell, die Spezialschau für Mundspülung und Stützstrümpfe, muss also nicht verzichtet werden. Und eins ist sicher: anders als der bisherige Eigentümer Johannes Krauter dürfte es Kleemann nicht nötig haben, die Halle an die Grauen Wölfe für großtürkische Feiern zu vermieten.

Bonjour Tristesse

Von Klaus Nonnenmacher -

Göppingen - Stauferpark hat schon längere Zeit ein neues Wahrzeichen. Weithin sichtbar künden nicht mehr der alte Tower oder die Werfthalle vom jüngsten Göppinger Stadtteil, sondern der knallgelbe Schwerlastkran jenes Unternehmens, das Brecheranlagen herstellt.

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Stadt noch mit folgenden Worten warb: „Hochwertige Architektur, Einzigartigkeit, Parkumfeld, Arbeiten in historischen Räumen, modernst renoviert.“ Dieser Slogan galt, als der Stauferpark noch ein Experimentierfeld für Existenzgründer, Dienstleister, Handwerker und eine stattliche Anzahl Kulturtreibender war, also genau das, was man ursprünglich wollte und wofür viel investiert wurde. Nun wird all das endgültig geopfert. Der Stauferpark wird mit der geplanten Kleemann-Erweiterung um einen Veranstaltungsplatz, eine Veranstaltungshalle, ein TV-Aushängeschild und etliche historische Gebäude ärmer. Dafür bekommt die Stadt einen Mitarbeiterparkplatz und Industrieanlagen.

Wo gastiert der nächste Zirkus? Wie lange gibt es noch regionale Messen in der Werfthalle? Wo sollen Besucher parken? Wer will noch am Stauferpark wohnen? Wer bestimmt, wie es im Stauferpark weitergeht? Es fehlt ein Konzept. Stattdessen wird ein ganzes Gebiet dem einen Investor in den Rachen geworfen.