Der VfB-Präsident Erwin Staudt spricht im StZ-Interview über die Wahl seines Nachfolgers und die Höhen und Tiefen seiner Amtszeit.

Stuttgart - Er hat dafür gesorgt, dass der Verein ein reines Fußballstadion bekommt, er ist 2007 Meister geworden und hat die Zahl der Mitglieder versechsfacht. Nach acht Jahren soll am Sonntag die Amtszeit des VfB-Präsidenten Erwin Staudt zu Ende gehen. Oder doch nicht?

 

Herr Staudt, haben Sie sich schon einmal mit dem Gedanken befasst, auch noch am Montag VfB-Präsident zu sein?

Am Montag möchte ich noch einmal ins Büro kommen und meine persönlichen Sachen einpacken. Dann ist das Kapitel für mich beendet.

Es könnte aber sein, dass der Präsidentschaftskandidat Gerd Mäuser am Sonntag durchfällt. Dann müssten Sie den Verein kommissarisch weiterführen.

Das stimmt, dann würde ich laut Satzung bleiben. Aber davon gehe ich nicht aus.

Was macht Sie so zuversichtlich?

Nach acht Jahren hoffe ich das Verhalten unserer Mitglieder einschätzen zu können.

Aber teilen Sie nicht den Eindruck, dass sich gesellschaftlich der Wind gedreht hat und die Menschen nicht mehr alles mitmachen wollen, was Ihnen von oben verordnet wird? Dafür gab es zuletzt viele Beispiele.

Beim VfB wird den Mitgliedern nichts von oben verordnet. Aber grundsätzlich haben Sie mit Ihrer Einschätzung völlig recht. Ich denke, das hat mit den Einflüssen zu tun, denen wir ausgesetzt sind, mit der Globalisierung etwa oder dem Internet. All das gebiert neue Verhaltensmuster.

Sehen Sie darin eine Fehlentwicklung?

Nein, das ist der Zeitgeist, in dem wir leben.

Müsste man als Verein diesen Zeitgeist nicht aufnehmen und den Leuten mehr Einflussmöglichkeiten geben?

Das tun wir doch!

Auf welche Weise?

Indem der Verein versucht, die Leute über alle Kanäle zu informieren, und stets zum Dialog bereit ist. Aber es ist nicht möglich, sämtliche internen Vorgänge öffentlich zu machen.

Andere Vereine lassen mehrere Kandidaten zu

Sie haben die Leute auch darüber informiert, dass dem VfB ein Lizenzentzug droht, sollten mehrere Kandidaten zur Wahl gestellt werden. Der Anwalt Christoph Schickhardt hat sogar in einer Informationsbroschüre das Schreckgespenst Regionalliga an die Wand gemalt. Ist es der richtige Weg, solche Ängste zu schüren?

Wir schüren keine Ängste, sondern haben uns dem Regelwerk der DFL unterworfen. Ansonsten dürften wir gar nicht in der Bundesliga mitspielen. Die Lizenz ist an Voraussetzungen geknüpft, und in unserer Satzung steht, dass es nur einen Kandidaten geben darf.

Andere Profivereine lassen aber mehrere Kandidaten zu.

In diesen Fällen hat die DFL ihre Regeln nicht stringent durchgezogen. Das heißt aber nicht, dass sie beim nächsten Fall wieder solche Nachsicht walten lässt.

Sie haben neulich gesagt, Sie schämen sich dafür, wie der Wahlkampf abläuft. Ist das immer noch der Fall?

Was mir ganz gewaltig stinkt, ist, dass der Eindruck vermittelt wird, bei uns läge alles im Argen.

Über acht Trainer in acht Jahren dürften auch Sie nicht glücklich gewesen sein.

Nein!

Trainerentlassungen kosten erstens Geld. Und zweitens fehlt die Kontinuität. Jeder Trainer bringt seine eigene Philosophie mit.

Unser Ziel ist natürlich die Kontinuität, aber auch der Erfolg.

Warum hat es nicht geklappt, mit einem Trainer langfristig zu arbeiten?

Was ist dafür die Voraussetzung? Noch mal: vor allem sportlicher Erfolg. Und wenn ein Trainer keinen Erfolg hat, was macht man dann? Antwort: man tauscht entweder die ganze Mannschaft aus - oder den Trainer. In fast allen Fällen war es so, dass wir die Trainer nicht rausgeschmissen, sondern sie vielmehr von einer zu großen Belastung befreit haben.

Machen Sie es sich damit nicht zu einfach?

Der Präsident ist weder für die Fitness verantwortlich noch dafür, ob der Mittelstürmer das Tor trifft oder nicht.

"Mir geht es nur um den VfB"

Am Ende sind aber Sie dafür verantwortlich, dass der Verein Erfolg hat.

Exakt. Und wenn der Erfolg ausbleibt, muss ich schauen, an welchen Stellschrauben zu drehen ist. Das ist uns ja auch fast immer gelungen. In acht Jahren waren wir siebenmal international vertreten. Und als wir eine Pause gemacht haben, wurden wir Deutscher Meister.

Warum werfen Sie sich vor dieser Wahl eigentlich noch einmal so vehement ins Gefecht? Sie könnten sich doch einfach für Ihre Verdienste feiern lassen.

Mir geht es nur um den VfB. Das ist seit Kindestagen mein Verein. Und ich möchte, dass der VfB auch in den nächsten hundert Jahren erfolgreich existiert. Und dazu gehört eine Führung, die weiß, was sie tut.

Das heißt, der VfB muss seinen Laden dicht machen, wenn Mäuser nicht gewählt wird?

An der Spitze des Vereins müssen die kompetentesten Leute stehen, das ist Fakt.

Was spricht gegen Leute wie Helmut Roleder und Björn Seemann?

Sie haben aus meiner Sicht nicht die nötige Erfahrung. Es ist eine Frage der Ausbildung, der Lebenserfahrung, des bisherigen beruflichen Werdegangs. Wenn ich ein Unternehmen mit 150 Mitarbeitern und 100 Millionen Euro Umsatz führen will, dann muss ich mich mit solchen Organisationen auskennen. Das sehe ich bei diesen Leuten nicht. Das Präsidentenbüro beim VfB Stuttgart ist kein Probierstüble. Da müssen Leute rein, die das können!

Und Gerd Mäuser kann das?

Ja, davon bin ich überzeugt.

Allerdings hat man den Eindruck, dass es bei dieser Wahl weniger um Gerd Mäuser, sondern vielmehr um den Aufsichtsratschef Dieter Hundt geht.

Mir ist es völlig unverständlich, warum Dieter Hundt bei den Leuten so eine Reizfigur ist. Jeder Bundesligaverein wäre glücklich darüber, so ein Kaliber an der Spitze des Aufsichtsrats zu haben. Warum? Weil er über ein Netzwerk, Ansehen und Charisma verfügt. Und so ein Mann stellt sich dann in den Dienst unseres Vereins. Die meisten Leute haben leider schon vergessen, wie wichtig im Jahr 2002 dieser neu zusammengestellte Aufsichtsrat für die Konsolidierung des VfB war.

Bedeutet das auch, dass sich Dieter Hundt ins operative Geschäft einmischen darf?

Natürlich ist er aufgewühlt, wenn es nicht läuft. Aber er hat sich nie ins operative Geschäft eingemischt. Im Gegenteil: es war immer mein Bestreben, den Aufsichtsrat über das Tagesgeschäft auf dem Laufenden zu halten. Dieser Austausch muss sein.

Warum Staudt Allgöwer abgesagt hat

Karl Allgöwer hat nun aber im StZ-Interview erklärt, es sei Dieter Hundt gewesen, der Ihr Vorhaben verhindert habe, Allgöwer in den Verein einzubinden. Das hätten Sie ihm so mit Bedauern mitgeteilt.

Ich kann mich nicht mehr wörtlich daran erinnern, was ich mit Karl Allgöwer besprochen habe. Ganz sicher aber habe ich ihm nicht gesagt, dass Dieter Hundt sein Veto eingelegt hat. Der Name fiel in diesem Zusammenhang gar nicht. Das weiß ich hundertprozentig.

Warum haben Sie Allgöwer dann abgesagt?

Ich hatte damals Gespräche mit ihm geführt und war erfreut darüber, dass er sich eine Mitarbeit vorstellen konnte. Nachdem ich mich dann aber mit verschiedenen Leuten im Verein ausgetauscht hatte, wurde deutlich, dass sich seine Vorstellungen so nicht umsetzen lassen.

Nun ist Allgöwer auf Seiten der Opposition.

Das ist mir nicht bekannt.

Was werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie nicht mehr Präsident sind? Wir Journalisten werden es kaum sein.

Ich war es in der Tat nicht gewohnt, dass jeder, der einen Kugelschreiber in der Hand hat, seine Expertisen über Menschen abgeben darf, deren Erfahrungen die eigenen bei Weitem übersteigen. Da wurde geschrieben, dass sich die Balken bogen. Das kannte ich aus der Wirtschaft nicht, da geht man respektvoller mit den Leuten um.

Könnte daran liegen, dass Fußball das emotionalere Geschäft ist.

Natürlich. Ich sage das auch ohne Groll. Es ist doch ein Glück, dass so viel über uns geschrieben wird. Das Schlimmste wäre doch, wenn gar nicht über uns berichtet würde. Aber: ich muss da nicht noch einmal acht Jahre lang dabei sein.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Auf die Toskana, auf den Rotwein, auf den Golfplatz. Und für meinen Kopf werde ich auch etwas tun und in Tübingen ein Germanistikstudium aufnehmen.

Und dem VfB werden Sie in welcher Form erhalten bleiben?

Als Fan. Der beste Spruch, den ich in acht Jahren gehört habe, war der: "Erwin, du bist der einzige SPD-Wähler auf der Haupttribüne." Dort werde ich bleiben.

Staudt und die Mitgliederversammlung des VfB

Präsident: Erwin Staudt (63), SPD-Mitglied und Vater dreier erwachsener Kinder, war 30 Jahre lang für IBM tätig und ist seit 2003 hauptamtlicher Präsident des VfB. Unter dem gebürtigen Leonberger wurden mit der Meisterschaft 2007 und dem Bau eines reinen Fußballstadions zwei VfB-Träume wahr. Nach zwei Amtszeiten endet seine Präsidentschaft mit der Hauptversammlung am Sonntag in der Stuttgarter Schleyerhalle (von 12 Uhr an).

Kandidat: Der frühere Porsche-Manager Gerd Mäuser ist vom VfB-Aufsichtsrat als einziger Kandidat für die Nachfolge von Erwin Staudt vorgeschlagen worden. Interesse am Amt des VfB-Präsidenten haben in den vergangenen Monaten auch der frühere VfB-Torhüter Helmut Roleder, der Bankmanager Björn Seemann und der ehemalige VfB-Geschäftsführer Thomas Weyhing angemeldet. Sie hoffen darauf, dass die Mitglieder Mäuser durchfallen lassen.

Prozedere: Um neuer Präsident zu werden, benötigt Mäuser die einfache Mehrheit. Andernfalls muss der Verein innerhalb von drei Monaten eine erneute Wahl anberaumen. Der VfB richtet sich auf eine Marathonveranstaltung mit mehreren Tausend Mitgliedern ein, die bis weit in die Abendstunden andauern dürfte.

Verfolgen Sie hier die Hauptversammlung.