Deutschland und Frankreich müssen sich weiter für Europa einsetzen, fordert der Ex- Ministerpräsident Erwin Teufel im Gespräch mit Thomas Durchdenwald.

Ludwigsburg - Mit Ansprachen des französischen Präsidenten François Hollande und der Kanzlerin Angela Merkel sowie einem Bürgerfest wird morgen in Ludwigsburg an die Rede des französischen Staatschefs Charles de Gaulle an die deutsche Jugend vor 50 Jahren erinnert. Erwin Teufel spricht in dem Interview über sein persönliches und politisches Verhältnis zum Nachbarn jenseits des Rheins – und er fordert gerade in der Krise Schritte in Richtung Vereinigter Staaten von Europa.
Herr Teufel, Sie waren 23 Jahre alt, bereits politisch aktiv, als de Gaulle seine Rede hielt. Sie war, wenn man so will, auch an Sie gerichtet. Was hat sie Ihnen bedeutet?
Die meisten heute betrachten den Staatsbesuch de Gaulles, dem der deutsch-französische Freundschaftsvertrag folgte, als den Beginn der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Im Grunde aber war er die Krönung einer Zusammenarbeit, die 1949 begonnen hat mit Konrad Adenauer und den Präsidenten der vierten Republik . De Gaulle hat – übrigens entgegen den Befürchtungen Adenauers – die damals begonnene Politik fortgesetzt.

Was haben Sie empfunden?
Ich habe mir für mein ganzes Leben einen Satz gemerkt aus dem Mund de Gaulles, der Führer der Résistance im Zweiten Weltkrieg war, der in zwei Weltkriegen gegen Deutschland gestanden hat, der geflohen ist aus deutscher Kriegsgefangenschaft, nämlich den Satz: Sie sind Kinder eines großen Volkes, ja eines großen Volkes. Da ist es einem heiß und kalt über den Rücken gelaufen. Dieser Kernsatz kam von einem Mann, der nach 1945 dachte, die größte Kriegsgefahr gehe weiter von Deutschland aus, und sich deshalb für Kleinstaaten auf deutschem Gebiet eingesetzt hatte. Nur wenn man diese Vorgeschichte kennt, kann man die Bedeutung dieser Rede ermessen.

Wie wirkte sich das in Ihrer Politik aus?
Adenauer hat uns Jungen damals gesagt: Freundschaft zu Frankreich, Polen und Israel. An diese Maxime habe ich mich gehalten ein Leben lang, ohne dass dies für mich die Ausgrenzung anderer Länder bedeutet.

Und konkret?
Nur ein Beispiel: Ich habe als Bürgermeister der Stadt Spaichingen eine Partnerschaft mit Sallanches in Hochsavoyen am Montblanc gegründet. Mein Partnerbürgermeister war 72 Jahre alt und ist in zwei Weltkriegen gegen Deutschland gestanden, und er hat mir 29-Jährigen beim ersten Besuch gesagt: Ich will, dass die junge Generation unsere Städte kennenlernt, denn wer sich kennt, schießt nicht aufeinander. Das habe ich mir ein Leben lang gemerkt.