Die Stadt zahlt eine monatliche Zulage und eine Prämie, wenn jemand neue Kollegen wirbt.

Leonberg - Die Worte Kopfgeld und Kopfprämie fallen immer wieder. Gesucht werden aber keine Einbrecher oder gar Mörder. Nein, die Stadt Leonberg sucht händeringend pädagogisches Fachpersonal für Kindertageseinrichtungen. 33 unbesetzte Stellen gibt es derzeit – dabei sind drei neue Einrichtungen geplant und andere sollen erweitert werden.

 

Also hat die Verwaltung jetzt ein Programm aufgelegt, das zweierlei erreichen soll. Mit finanziellen Anreizen sollen einerseits die aktuellen Mitarbeiter gehalten und die Fluktuation reduziert werden. Dazu gehören eine monatliche Sonderzulage von bis zu 200 Euro sowie eine Prämie von bis zu 2000 Euro für Mitarbeiter, die neue Kollegen anwerben. Der Zuschlag wird dem Werbenden und dem Angeworbenen ausgezahlt, sobald das neue Arbeitsverhältnis mindestens anderthalb Jahre besteht, und ist zunächst befristet bis 2025. Auch die Leiter der Kitas werden künftig anders bezahlt, nämlich der Größe der Einrichtungen entsprechend.

Konzept für mobile Arbeitsplätze

Andererseits sollen die Arbeitsbedingungen verbessert und eine Werbekampagne gestartet werden. So sollen extra Stellenkontingente für administrative Arbeiten geschaffen werden. Außerdem will man ein Konzept für mobile Arbeitsplätze schaffen, etwa wenn die Erzieher Verwaltungsaufgaben wie Dokumentationen oder ähnliches erledigen. Das lässt sich die Stadt im nächsten Jahr 165 000 Euro kosten. 2020 sind es sogar 469 000 Euro. Der Gemeinderat gab jetzt grünes Licht. Wenngleich das Gesamtpaket nicht überall auf Zustimmung stieß. Vor allem die Anwerbe-Prämie sorgte für Diskussionen und erhielt auch vier Gegenstimmen.

„Wenn wir in einen Abwerbe-Wettbewerb einsteigen, wird es irgendwann so kommen, dass die Kommunen mit der höchsten Verschuldung das nicht mehr mitmachen können“, mahnte der Fraktionschef der Freien Wähler, Axel Röckle, mit Blick auf den städtischen Schuldenberg an. Aus seiner Fraktion stimmten vier Gemeinderäte gegen das „Kopfgeld“, aber für die restlichen Maßnahmen. „Wo geht da die Geldspirale hin?“, fragte auch CDU-Fraktionschefin Elke Staubach, die außerdem darauf hinwies, dass auch in anderen Bereichen dringend städtische Mitarbeiter gesucht werden. „Das war ein Auftrag aus dem Gemeinderat, dass wir konkrete Maßnahmen vorlegen, wie wir mehr Kita-Personal gewinnen können“, erwiderte der Erste Bürgermeister Ulrich Vonderheid darauf.

Herrenberg war die erste Kommune

Die Stadt Reutlingen hat bereits die „Fangprämie“ eingeführt. Im Kreis Böblingen hat Herrenberg als erste Kommune eine Anwerbeprämie über 500 Euro im April beschlossen und zudem eine witzige Werbekampagne gestartet. „Ich sehe keine Alternative“, sagte SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier. „Wir bauen lustig eine Kita nach der anderen. Das können wir auch lassen, wenn uns die Erzieher fehlen.“ Er stellte den Antrag, dass die Prämie erst nach anderthalb Jahren gezahlt wird, statt wie vorgesehen schon nach zwölf Monaten. „Die Zeiten ändern sich. Die Leute werden dauernd dazu angeregt, den Job zu wechseln“, kommentierte Ronald Ziegler (Grüne).

Leonberg hat bereits Angebote für das pädagogische Personal. So werden etwa über dem Elly-Heuss-Knapp-Kindergarten vergünstigte Wohnungen an Erzieher vermietet. Dasselbe ist geplant für den Neubau der Kita-Nord. Dazu biete man verschiedene Ausbildungswege für den Beruf an. Einer davon sind die sogenannten „Pias“ (praxisintegrierte Ausbildung). Hier sind drei Tage Schule und zwei Tage Praxis angesagt. Der Vorteil für die Azubis: Die Ausbildung über drei Jahre hinweg ist bezahlt. „Danach sagen leider viele: Das waren schöne drei Jahre, aber ich werde doch studieren“, berichtete Angelika Keilbach, die die Ausbildung bei der Stadt leitet. Das sei bei etwa der Hälfte der meist sehr jungen Pias der Fall. Man wolle nun gezielt Frauen nach der Familienzeit dafür gewinnen.

Reaktionen aus
Weil der Stadt, Renningen und Rutesheim

In den umliegenden Kommunen ist man wenig begeistert von den Leonberger Plänen. „Neue Zahlungen wie etwa Prämien für die Ab- oder Anwerbung neuer Mitarbeiter lehnen wir ab. Spätestens, wenn alle Kita-Träger dies einführen, ist der Effekt restlos verpufft“, sagt Rutesheims Erster Beigeordneter Martin Killinger. Und es komme nicht immer nur aufs Geld an, sondern auch auf eigenverantwortliches Arbeiten, eine angemessene Ausstattung und einen Arbeitgeber, der einem den Rücken stärkt. Dazu biete man soziale Leistungen wie ein Job-Rad, Hilfe bei der Wohnungssuche oder Gesundheitsförderung an. „Das trägt zu motivierter, engagierter und guter Arbeit, einem guten Arbeitsklima und langjährigen, treuen Mitarbeitern bei“, sagt Killinger.

In Rutesheim hat man aber auch nicht die gleichen Probleme wie in Leonberg. In den städtischen Einrichtungen sind alle Stellen besetzt. Das ist in Weil der Stadt und Renningen nicht der Fall. Zwei Vollzeitkräfte fehlen zurzeit in Weil der Stadt, zweieinhalb Stellen sind in Renningen unbesetzt. Dennoch greift man auch dort nicht zu den Leonberger Mitteln. „Abwerbeprämien lehnen wir grundsätzlich ab, da die Probleme lediglich verlagert und nicht gelöst werden“, sagt Marlies Lamparth, die Sprecherin des Rathauses. Um den Spagat zwischen Ausbau der Kinderbetreuung und fehlendem Fachpersonal zu meistern, brauche es keine verschärfte Konkurrenzsituation, „sondern Kooperation, Wertschätzung und einen gemeinsamen kommunalen Kraftakt im Sinne einer Ausbildungsoffensive.“ Die Stadt hat eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, vom Lärmschutz, besseren Vertretungen, einer höheren Eingruppierung sowie einer Ausbildungsbeauftragten. Auch neue Ausbildungsplätze wurden geschaffen.

„Kopfgeldprämien sind für uns momentan kein Thema“, sagt auch Tanja Kübler, die Amtsleiterin für Jugend und Soziales in Weil der Stadt. Sie beschäftige sich mit der Frage, wie man Personal halten könne. Fortbildungen und ein gutes Betriebsklima spielen da eine große Rolle. „Wir engagieren uns zum Beispiel beim Teambuilding“, berichtet Kübler. Dazu gibt es in Weil der Stadt seit drei Jahren Unterstützung von einer Kindergartenfachberaterin. Weil der Stadt will auch verstärkt ausbilden. Zwei zusätzliche Stellen der praxisintegrierten Ausbildung wurden geschaffen. Ab September gibt es in Weil der Stadt dann zwölf Azubis.