Er hat Verständnis dafür, dass aufgrund der Coronakrise der Mindestpersonalschlüssel in den Kitas aktuell um 20 Prozent unterschritten werden kann. Auf längere Zeit – oder gar auf Dauer – gehe das aber zu Lasten der pädagogischen Arbeit, zu Lasten der Qualität in den Kitas.
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Zur Erinnerung: Sozialbürgermeister des Regierungsbezirks Stuttgart/Tübingen hatten in einem Brief an den Städtetag eine Verlängerung dieser Option gefordert – als eine Maßnahme um den Betreuungs- und Personalnotstand in den Kitas und der Schulkindbetreuung aufzulösen. Der Städtetag möge sich dafür einsetzen, dass diese Möglichkeit auch nach der Pandemie weiter gilt – solange, es den Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung gibt.
„Viele Kolleginnen und Kollegen fallen derzeit aus“, sagt David Armbruster dazu. Nicht nur deshalb, weil sie an dem Coronavirus erkranken, sondern auch wegen Überlastung. Denn: „Kinder brauchen von Jahr zu Jahr mehr Begleitung.“ Vieles, was früher das Elternhaus geleistet habe, finde jetzt in den Kitas statt. Gut, findet Armbruster derweil die Forderung, es Quereinsteigern künftig leichter zu machen, in der Kinderbetreuung zu arbeiten. Menschen aus guten Handwerksberufen in die Kitas zu holen, findet der Erzieher prima. Allerdings nur dann, wenn diese Fachkräfte dabei gut begleitet und gut pädagogisch geschult werden können.
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Wie es die Gewerkschaft sieht
„Die Qualität in den Kitas von Baden-Württemberg war auch vor der Coronakrise nicht so gut, wie sie sein könnte, wenn es ausreichend Personal gäbe“, sagt Matthias Schneider, der Landesgeschäftsführer und Pressesprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg (GEW BW). Und: „Wir verstehen die Not der Kommunen.“ Die GEW BW halte aber nichts davon, durch ein Unterschreiten des Personalschlüssels die Qualitätskriterien weiter nach unten zu schrauben. „Das müssen am Ende die Eltern, die Kinder und auch die Erzieherinnen und Erzieher ausbaden.“ Die Kitas seien aus guten Gründen keine Aufbewahranstalten mehr, sondern hätten sich zur Bildungseinrichtungen weiterentwickelt. Der Anspruch der Eltern an die Betreuung ihrer Kinder habe sich zu recht verändert.
Das Land und die Gemeinden müssten mehr dafür tun, dass sich gerade junge Leute dafür entscheiden, diesen Beruf zu ergreifen. Ein Schlüssel dafür sei eine bessere Bezahlung; diese habe sich auch durch die Gewerkschaften bereits verbessert. Einzelne Träger und damit auch die Kommunen sollten sich laut Schneider fragen, ob sie bereits ihr ganzes Potenzial ausgeschöpft haben, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Eine große Hilfe könne hier ein gut durchdachtes pädagogisches Konzept sein, erklärt er. Kombiniert mit einem guten Fortbildungssystem.
Wie Eltern die Lage bewerten
Katharina Hepp, Vorsitzende des Gesamtelternbeirates der Kitas in Leinfelden-Echterdingen, bricht derweil eine Lanze für ihre Kommune. „Die Stadt tut, was sie kann, um mehr Personal zu gewinnen“, sagt sie. Die Kommune biete Unterstützung bei der Wohnungssuche an, arbeite mit einer Headhunter-Firma zusammen, habe spanische Fachkräfte angeworben, engagiere sich stark bei der Weiterbildung ungelernter Kräfte. „Ich finde, wir haben ein sehr engagiertes Stadtklima und ein tolles Miteinander“, sagt sie. Sie kenne viele Erzieherinnen, die alle super zufrieden seien mit ihrem Job. Es gebe kaum Fluktuation in diesem Bereich.
Allerdings: „Es gibt kaum Bewerber auf dem Markt.“ Daran könne die Kommune wenig ändern, vielmehr sollte der Bund und das Land mehr Initiative zeigen, den Fachkräftemangel zu beheben. Vor diesem Hintergrund habe sie Verständnis für den Wunsch der Bürgermeister, den Mindestpersonalschlüssel in den Kitas auch nach der Pandemie unterschreiten zu dürfen. „Sicher nicht für immer, aber für eine Übergangszeit“, betont sie. Wobei zu diesem Schlüssel die voll ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher zählten, nicht aber andere Fachkräfte, erklärt sie. Es sei nicht so, dass künftig eine Erzieherin allein für zwanzig Kinder zuständig sei. Aber ohne eine Verlängerung dieser Option könnten die Öffnungszeiten der Einrichtungen künftig nicht gehalten werden.