Hier sind Männer unter sich: In „Fars Legestue“ - einer Krabbelgruppe ganz ohne Mütter -  leben Kopenhagener ihre Vaterrolle aus.

Kopenhagen - Alfred hat sich selbst in der Spiegelwand entdeckt, jetzt tatscht er seine elf Monate alten Patschhändchen aufs Glas und lacht dem Ebenbild zu. Sein Vater Benjamin beobachtet ihn genüsslich. Ein Schritt, dann bekommt der Kleine Übergewicht und plumpst auf den windelgepolsterten Popo. Ein erschrecktes Glucksen, ein kurzes "Bäääh". "Nicht so schlimm", sagt Benjamin, klopft dem Söhnchen auf den Hintern und stellt es wieder auf. Ist nicht schlimm: Alfred lacht schon wieder und drückt das Näschen auf sein Spiegelbild. Benjamin hockt sich zu Hans-Henrik, der den neun Monate alten Villiam mitgebracht hat, und die beiden setzen die kurz unterbrochene Unterhaltung fort.

 

Ein Dutzend Männer ist in die "Fars Legestue" gekommen, jeder mit einem Baby. Papas Spielstube liegt im Turnsaal einer Sporthalle in Kopenhagens Stadtteil Nørrebro, vor dem Saal stehen die Kinderwägen, daneben ein paar Wickeltische. Drinnen ist der Boden mit Matten ausgelegt und mit Spielzeug ausstaffiert. Die Väter lungern auf dem Boden, die Kinder gucken, krabbeln, purzeln. Es ist eine Babywelt ganz ohne Frauen, und das ist auch der Sinn der Sache. Hier sind die Väter unter sich.

Väter sind wilder, nicht so verhätschelnd

Villiam ist ausgebüxt. Stehen kann er noch nicht, aber er wieselt über den Boden wie aufgezogen, dann ist er weg. Papa wird nicht nervös, auch wenn er ihn nicht sehen kann: "Der kommt schon wieder zum Vorschein." Und da steckt Villiam das blonde Köpfchen auch schon wieder aus einem Stofftunnel, macht kehrt und taucht erneut ein ins Labyrinth. "Väter", erklärt John Brøndum, "haben eine andere Art von Umgang mit ihren Kindern." Bisschen wilder, nicht so verhätschelnd. Die Mutter hätte Alfred wohl auf den Arm genommen und getröstet und wäre Villiam nachgekrabbelt, um zu sehen, wo der bleibt. "Wir Väter haben eine andere Toleranzschwelle, und das ist auch gut die Kinder", sagt Martin MÚrtensson, der den elf Monate alten Malte hütet.

John Brøndum ist der Leiter von "Papas Spielstube", einer kommunalen Einrichtung, die nach langjährigem Ringen um die Finanzierung nun endlich die notwendigen Mittel erhalten hat. Er baut das Spielgerät auf und räumt es wieder weg, kocht Kaffee für die Väter, er sorgt dafür, dass Neuankömmlinge mit einbezogen werden in Spiel und Gespräch. Programm gibt es keines, "die Väter kommen, wenn es mit dem Schlaf der Kinder passt, und gehen, wenn es ihnen reicht". 25 bis 30 Männer kommen im Lauf des Nachmittags vorbei, manche immer wieder, manche sind seltene Gäste. Und wenn eine Mutter käme, mit ihrem Kleinkind? "Dann würden wir ihr höflich erklären, worum es hier geht, und sie dann auffordern, beim nächsten Mal ihren Mann zu schicken."

Nur die Krankenschwester ist erwünscht

Nur eine Frau ist willkommen in der Krabbelstube: Hanne Duer, die "Gesundheitspflegerin". Das ist eine Krankenschwester, die in den ersten Jahren zu den Familien nach Hause kommt, das Baby untersucht und den Eltern Tipps gibt. Eines Tages hatte ein Vater Hanne gefragt, was die Kommune denn für seinesgleichen tue. Er hatte Vaterzeit genommen und wollte seine Erfahrungen mit anderen teilen, so wie es überall Mütterrunden gab. Das war die Geburtsstunde von Fars Legestue. Wenn Hanne Duer jetzt auf Nørrebro zu ihren Kunden kommt, erzählt sie stets von dem Angebot für Männer, jeden Dienstag hat sie Sprechstunde in der Väterrunde.

Als Martin Martensson acht Monate nach Maltes Geburt seine Frau Nina als Babyhüter ablöste, versuchte er es zunächst in einer Mütterrunde um die Ecke. "Das war nichts für mich", sagt der 39-jährige Chemiker. Unter den Vätern fühlt er sich wohler, "ohne all das Weibergequatsche". Hier seien "die Grenzen weiter, das passt mir besser". "Männer", sagt Brøndum, "ertrinken manchmal in der Mutter-Kind-Beziehung." In Fars Legestue können sie ihre Vaterrolle im eigenen Tempo ausleben. Sie treffen andere Männer in der gleichen Lage und können Erfahrungen austauschen. "Je früher die Väter engagiert werden, desto stärker nehmen sie auch später an Erziehung und Aufwachsen teil."

Intensive Vater-Kind-Beziehung

"Als Malte herkam, schaute er nur mit großen Augen auf die Älteren", erzählt Martin, "dann begann er blitzschnell, sie nachzuahmen." Die Vaterzeit nehmen zu können, die bei ihm vier Monate dauern soll, sei "ein Privileg, ganz fantastisch". "Früher wollte Malte die Mama, wenn etwas war. Jetzt weiß er, dass er auch zu mir kommen kann." Das Zusammensein sei viel intensiver, "als wenn man abends heimkommt und er schon müde ist", sagt auch Benjamin Hansen über seine Zeit mit Alfred.

Die meisten Kinder in der Spielstube sind zwischen sechs und zwölf Monate alt. Das ist die Zeit, in der die Männer in Dänemark ihren Anteil an der Elternzeit in Anspruch nehmen: Das erste Halbjahr gehört meist der Mutter, und nach einem Jahr kommen die meisten Babys in Krippe oder Tagespflege, weil das Berufsleben die Eltern zurückfordert. "Es wird hart sein, wieder zu arbeiten und Villiam abzuliefern", sagt Hans-Henrik Sørensen, doch er tröstet sich damit, dass er sehen kann, wie gut der Kleine mit anderen Kindern auskommt. Er teilt den Elternurlaub mit seiner Partnerin, das ist auch in Dänemark noch höchst ungewöhnlich.

Eine Frage der Klasse

Die durchschnittliche Mutterzeit beträgt 277 Tage, die der Väter 26. Vaterzeit ist immer noch ein Großstadtphänomen und eine Klassenfrage. Hans-Henrik hatte als Akademiker im öffentlichen Dienst keine Probleme mit der Freistellung. "Für einen Maurer ist es schwieriger zu verkünden, dass er heim muss zum Windelwechseln", sagt John Brøndum. Dennoch findet die Forderung nach Zwangsordnungen, die einen Teil des Urlaubs für den Mann reservieren würden, hier wenig Zustimmung: "Das müssen die Familien selbst herausfinden", sagt Martin Martensson.

"Ich genieße diese Zeit", sagt Hans-Henrik über den "Vaterberuf", auch wenn er nicht gedacht hätte, dass dieser so viel Arbeit macht. Für seine Frau ist es nicht so einfach. "Sie vermisst den Jungen, es ist schwer für sie, dass ich es jetzt bin, zu dem er kommt, wenn er kuscheln will." Jetzt ist sie es, die nicht jeden Fortschritt sieht, "jetzt hat sie die Vaterrolle".

Elternzeit in Dänemark

Zeit: Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Elternzeit maximal drei Jahre dauert, bekommt in Dänemark die Mutter vier Wochen vor und 14 Wochen nach der Geburt frei. Dem Vater stehen zwei Wochen nach der Geburt zu. Außerdem gibt es 32 Wochen, die frei eingeteilt werden können. Auch in Deutschland können Mütter und Väter die Elternzeit frei einteilen.

Geld: Die Entlohnung entspricht in Dänemark dem Krankengeld, was maximal 515 Euro pro Woche ausmacht. Viele Eltern, vor allem jene, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, bekommen ihren vollen Lohn, zumindest während eines Teils der Elternzeit. In Deutschland bezahlt der Staat ein vom vorausgegangenen Einkommen abhängiges Elterngeld in Höhe von maximal 1800 Euro.