Trotz Brexit-Votum und andauernder Mini-Inflation legen Europas Währungshüter zunächst nicht nach. Das ist keine Überraschung für Volkswirte, doch der Ausblick dürfte sich eingetrübt haben.

Frankfurt/Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) hält trotz wachsender Konjunktursorgen nach dem Brexit-Votum ihr Pulver vorerst trocken. Die Währungshüter beließen den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Das beschloss der EZB-Rat nach Angaben der Notenbank am Donnerstag in Frankfurt. Der Strafzins, den Banken und Sparkassen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, liegt weiterhin bei 0,4 Prozent.

 

Volkswirte hatten damit gerechnet, dass die Währungshüter erst einmal die Füße still halten. „Die überraschende Ruhe an den Finanzmärkten gibt auch der EZB Luft“, erklärte Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang.

Angesichts der wachsenden Unsicherheit nach dem Nein der Briten zur Europäischen Union wird die EZB Ökonomen zufolge ihre ultralockere Geldpolitik möglicherweise im September weiter lockern. Dann liegen auch die neuesten Prognosen zur Inflations- und Konjunkturentwicklung im Euroraum vor.

Am 23. Juni hatte sich die Mehrheit der Briten für einen Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ausgesprochen. Wie dieses Votum umgesetzt wird, ist noch völlig offen.

Ölpreis schwankt seit Brexit-Votum

Erst im März hatten die Währungshüter ihren Kurs gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche drastisch verschärft. Erstmals wurde der Zins, zu dem Banken frisches Zentralbankgeld bekommen, auf Null gesenkt. In Staatsanleihen und andere Wertpapiere steckt die EZB noch mehr Geld: 80 Milliarden Euro monatlich. Seit Juni kauft die Notenbank auch Unternehmensanleihen. Das milliardenschwere Kaufprogramm soll bis mindestens März 2017 laufen und notfalls darüber hinaus aufrechterhalten bleiben, wie die EZB am Donnerstag bekräftigte.

Die Geldflut soll die Kreditvergabe ankurbeln und so Wachstum und Inflation anschieben. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Konjunkturrisiko. Darum strebt die EZB mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke. Im Juni lag die Inflation im Euroraum gerade einmal bei 0,1 Prozent.

Der geringe Preisanstieg ist zum großen Teil auf drastisch gesunkene Ölpreise zurückzuführen. Zwischenzeitlich wurde der Schmierstoff der Weltwirtschaft zwar etwas teurer, seit dem Brexit-Votum schwanken die Ölpreise.

Die sinkenden Ölpreise und die Verunsicherung der Wirtschaft nach der Entscheidung der Briten könnten der EZB einen Strich durch ihre zuletzt etwas optimistischeren Erwartungen machen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und zahlreiche Bankvolkswirte haben ihre Konjunkturprognosen bereits gesenkt.