Schluss mit der falschen Bescheidenheit: Was Friesen können, können Schwaben schon lange. Ludwigsburg sollte Kulturhauptstadt werden.

Ludwigsburg - Prosit Neujahr! Zwölf frohe Monate, 52 glückliche Wochen und (noch) 362 bezaubernde Tage! Schön wär’s. Leider müssen wir gestehen, dass wir ziemlich verzagt ins neue Jahr blicken. Was wir vermissen, ist Aufbruchsstimmung, freudige Erwartung. Schlimm genug, dass dieses Hochgefühl zurzeit für die Republik nicht zu haben ist, dümpeln wir doch seit Monaten regierungslos vor uns hin. Doch was ist mit der Barockstadt?

 

Hier sitzt die Führungsriege fest im Sattel, und auf die war bisher stets Verlass, wenn es um Elektrisierung und Euphorisierung ging. Was ist aus der seit 2003 laufenden Kampagne „Make Ludwigsburg great again!“ geworden? Ermüdungserscheinungen? Abnutzung? Die Herrschaften sind scheint’s abgetaucht. Niemand da, der die Bürger aufrüttelt.

Friesisch herb

Zu allem Überfluss mussten wir in dieser verdrießlichen Stimmung die Nachricht über uns ergehen lassen, dass eine Stadt wie Leeuwarden europäische Kulturhauptstadt 2018 ist, und dass die Leute dort ausgelassen und fröhlich ins neue Jahr gehen. Leeuw… was? Eine Stadt in Friesland! Geht’s noch? Was hat die zu bieten, was Ludwigsburg nicht hätte? Dort soll es meistens windig und schweinekalt sein, in Ludwigsburg sind nur die Gemächer im Schloss durchgehend arktisch. Was ist also das Besondere an dieser Löwenstadt? Na gut, angeblich gibt es dort eine ewig lange Eislaufbahn. Aber wer braucht die schon, wenn er ein Blühendes Barock hat?

Die Niederländer haben angeblich ein Festprogramm mit 40 Veranstaltungen auf die Beine gestellt und finden sich deshalb supertoll. Ach herrje, wenn die wüssten! So viel stemmt Ludwigsburg noch in jedem x-beliebigen Jubiläumsjahr – also gefühlt alle zwei, drei Jahre. Besonders viel bilden sich diese Leeuwardener darauf ein, dass sie im Festjahr nicht auf Hoch-, sondern auf Soziokultur setzen. Himmel hilf! In der Karlskaserne und im Scala sieht man vor lauter Sozio- die Hochkultur nicht mehr, da könnten sich diese Holländer mal eine Scheibe abschneiden. Also was hat sich die Jury nur dabei gedacht? Das war ja wohl ein Schuss in den Ofen.

Völlig anders liegt der Fall natürlich bei der zweiten Kulturhauptstadt 2018, oder sollten wir sagen, beim Mini-Kulturhauptstädtchen? Dessen größtes Plus liegt offen zutage. Denn, was unterscheidet La Valetta von – sagen wir mal – Vaihingen an der Enz? Genau: Dort fahren die Autos links. Und das ist ein Vorzug, der zurzeit nicht zu toppen ist, denn die EU hat ein Faible für seltsame Gepflogenheiten und da die Linksfahrer seit dem Brexit zu den aussterbenden Arten in Europa zählen, war es nur logisch, Valetta zur Kulturstadt zu küren.

Mehr Kreativität wagen

Also liebe Vaihinger, nicht traurig sein. Um in Europa ganz groß rauszukommen, genügt es eben nicht, fünfmal größer als die maltesische Hauptstadt zu sein oder lediglich das historische Autokennzeichen VAI zu reaktivieren. Nein, dazu müsstet ihr noch etwas kreativer sein und ganz grundsätzliche Änderungen an der Straßenverkehrsordnung vornehmen.

Früher hießen die Kulturhauptstädte noch Paris, Lissabon, Prag oder Madrid, heute dürfen sich auch halberfrorene, friesische Schlittschuhläufer bewerben. Also, liebe Ludwigsburger, Schluss mit der falschen Bescheidenheit! Gebt euch nicht länger mit lausigen Titeln wie Fair-Trade- oder Nachhaltige Stadt zufrieden und vergesst eure halbherzige Bewerbung um die Landesgartenschau im Jahr Zweitausendirgendwann. Gebt euch einen Ruck! Geht aufs Ganze und werdet endlich europäische Kulturhauptstädter!