Die Stadt Stuttgart sucht derzeit in allen Stadtbezirken Bewerber für das Schöffen- und Jugendschöffenamt. Fünf Jahre lang begleiten die ehrenamtlichen Laienrichter Verfahren. Hier erzählt Barbara Raff aus Stuttgart-Heumaden was das Außergewöhnliche an dieser Tätigkeit ist.

Heumaden - Zufrieden blickt Barbara Raff auf ihre bislang viereinviertel Jahre als Laienrichterin zurück. Noch bis 31. Dezember dieses Jahres wird die 58-Jährige als Schöffin am Stuttgarter Amtsgericht ehrenamtlich tätig sein. Sollte sie zudem erneut vom Gemeinderat Stuttgart als Schöffin vorgeschlagen und im Herbst vom Gericht ausgewählt werden, würde sie das Amt auch in den nächsten fünf Jahren ausüben. Raff hat sich daher erneut als Laienrichterin beworben. Die Heumadenerin möchte als Schöffin gerne weitermachen. „Ich gehe oft aus den Verhandlungen raus und denke: Ich lebe auf einer Wolke. Die Erfahrungen aus den Prozessen relativieren so vieles, wenn man sieht, was im Leben anderer Menschen so alles passiert“, sagt sie. Im Schnitt war sie einmal monatlich als Laienrichterin tätig. Verfahren mit vielen Fortsetzungsterminen hat sie keine erlebt.

 

Sinnvolle Aufgabe im Ehrenamt gesucht

Jahrelang hat sich Raff an einer Schule ehrenamtlich engagiert. Vor inzwischen sechs Jahren suchte sie eine neue Herausforderung, um sich gesellschaftlich einzubringen. „An das Schöffenamt hatte ich dabei gar nicht gedacht“, so Raff. „Ich habe einfach was Sinnvolles gesucht und mich bei der Stadt nach Möglichkeiten erkundigt.“ 2013 bewarb sie sich als Schöffin. „Ein Glück“, wie Raff rückblickend sagt. Damit ist sie auf eine Linie mit Michael Kienzle, der auch seit Anfang 2014 als Schöffe tätig ist: „Durch diese Tätigkeit erweitert sich für einen der Blick auf die soziale Wirklichkeit“, sagt der 72-Jährige, der ob seines Alters wohl nicht erneut als Schöffe gewählt werden kann, obwohl auch er gerne weitermachen würde. Das Gesetz sieht aber vor, dass Laienrichter zu Beginn ihrer Amtszeit „nicht älter als 69 Jahre sein sollen“. Eine Altersgrenze, die der Ex-Stadtrat auch mit Blick auf die älter werdende Gesellschaft kritisch sieht.

Gespräche mit dem Richter finden auf Augenhöhe statt

Barbara Raff hat „nur positive Erfahrungen“ als Schöffin gemacht. „Es ist sehr wohltuend, was man hier erlebt“, sagt sie bei einem Gespräch am Amtsgericht. „Man wird sehr ernst genommen. Die Gespräche mit dem Richter finden immer auf Augenhöhe statt, die Argumente der Schöffen bei der Urteilsfindung finden Gehör“, so Raff. Das Schöffenrichtersystem findet sie für das Rechtssystem wichtig. Ein Berufsrichter muss dabei gemeinsam mit zwei Laienrichtern über eine Tat urteilen. „Hier kommen mehrere Perspektiven zusammen“, so Raff. Gerade den nicht juristischen Blick der Laien und die Tatsache, dass man mit dem Fall und den wichtigsten Fakten vor der Hauptverhandlung nur mündlich konfrontiert wird, findet sie gut. „So kann man in der Verhandlung oft aus anderem Blickwinkel als der Berufsrichter Fragen stellen, die zur Aufklärung beitragen.“

Vorurteile werden in den Verfahren mitunter korrigiert

Es sei interessant, sich in einer Verhandlung intensiv mit den Taten sowie den Lebensumständen der Angeklagten zu beschäftigen. „Und es ist spannend, wie man sich im Laufe eines Prozesses ein Urteil bildet“ – dieses weiche mitunter stark von der ursprünglichen Position ab. „Man lernt, seine Vorurteil zu modifizieren“, bringt es Michael Kienzle auf den Punkt.

Information gibt es bei der Stadt

Die Schöffen werden je für fünf Jahre gewählt. Für die Periode, die Anfang 2019 beginnt, werden in Stuttgart 750 Schöffen und 300 Jugendschöffen benötigt. Diese werden vom Gemeinderat beziehungsweise vom Jugendhilfeausschuss vorgeschlagen. Im Herbst wählen dann die Gerichte. Viele potenzielle Schöffen werden von Parteien, Vereinen und Institutionen benannt. Eine Eigenbewerbung ist aber auch möglich. Nach Auskunft der Stadt werden noch bis Mitte April weitere Bewerber gesucht.

Wer Jugendschöffe werden und Informationen haben möchte, bekommt diese beim Jugendamt unter der Telefonnummer 07 11/2 16-5 55 24. Auskunft zum Schöffenamt gibt das Statistische Amt der Stadt Stuttgart unter der Telefonnummer 07 11/2 16-9 85 78 oder -9 85 45.