Im Trennungsstreit mit Mia Farrow wurde Woody Allen 1992 des Kindesmissbrauchs bezichtigt. Nun wiederholt seine Adoptivtocher Dylan Farrow den Vorwurf, Allen habe sie einst sexuell attackiert. Neue Beweise gibt es nicht.

New York - Für Dylan Farrow ist eine Zeit später Geenugtuung gekommen. Die Adoptivtochter von Mia Farrow und Filmemacher Woody Allen sieht die Metoo-Kapagane als Stimmverstarker, der endlich auch ihrer Geschichte das nötige Gehör verschaffen wird. So setzt sich die 32-Jährige nun vor eine Fernsehkamera von CBS und erzählt erneut, mit mehr Details als jemals zuvor, was 1992 in einem erbitterten Trennungs- und Sorgerechtskrieg zwischen Mia Farrow und Woody Allen erstmals als schlimmer Vorwurf auftauchte: Dylans Adoptivvater habe sie sexuell missbraucht, als sie sieben Jahre alt war.

 

Die Behörden nahmen damals Ermittlungen auf, eine psychologische Untersuchung wurde angeordnet. Deren allerdings umstrittener Befund: Es habe keinen Übergriff gegeben. Wer es gut meinte mit Allen, glaubte nun, Farrow habe Dylan einen Übergriff eingeredet, habe sie so lange aufgehetzt, bis aus der eingeflüsterten Dämonisierung harmloser Gesten die falsche, aber real quälende Erinnerung an einen Übergriff geworden sei. Wer auf Seiten Farrows stand, grollte, dass wieder einmal ein Kinderschänder straflos davonkomme.

Liebe oder Verbrechen?

Wer so dachte, hielt meist schon den Anlass der Trennung zwischen Mia Farrow und Allen für eine Ungeheuerlichkeit, wenn nicht gar ein Verbrechen. Allen und Soon-Yi Previn, die Adoptivtochter von Farrow und deren früherem Ehemann André Previn, hatten sich ineinander verliebt und eine Beziehung begonnen. Was für die einen ein Beleg für die Unsteuerbarkeit von Herzensfeuern war, ließ andere als Sonderform des Kindesmissbrauchs frösteln. Soon-Yi, die nicht dauerhaft im Hause Allens gelebt hatte, war zu Beginn der Beziehung ca. 20 Jahre alt, Allen in seinen mittleren späten Fünfzigern.

In den Augen des Gesetzes war Allen schuldlos. Aber seine Karriere schien vielen damals zu Ende zu sein. Man werde nie mehr einen Film von ihm unbelastet sehen können, hieß es, darum werde Allen wohl weder mehr Geld noch Schauspieler zusammenbekommen. Aber es kam ganz anders. Allen, der Soon-Yi geheiratet und zwei Kinder mit ihr hat, konnte weitermachen, mit mal großartigen, mal flauen Filmen, mit dem finanziell erfolgreichsten seiner Karriere („Midnight in Paris“) und mit schnell durchrutschenden. Nach wie vor standen Schauspieler und Schauspielerinnen Schlange, um eine Rolle von ihm zu bekommen. In einem Allen-Film auftreten zu dürfen, das war lange ein Adelsschlag.

Stars bereuen, mit Allen gedreht zu haben

Dylan Farrow war darüber so verärgert, dass sie sich 2014 öffentlich zu Wort meldete, nachdem Allen einen Golden Globe für sein Lebenswerk erhalten hatte. Sie leide noch immer an einem Trauma, schrieb sie, ihr Leben sei schwer belastet, und ihr Leiden werde dadurch verschlimmert, dass die Filmwelt Allens Vergehen einfach ausblende. Ihre Wortmeldung zeigte durchaus Wirkung. Das Maß des Ungeklärten wie die Fakten von einst, unter anderem Berichte über den Druck, den Farrow auf Kinder und Hausangestellte ausgeübt habe, um gegen Allen auszusagen, waren den meisten nicht mehr präsent. Aber noch immer war Woody Allen nicht komplett isoliert.

Das scheint sich nun dramatisch ändern. Die 34-jährige Schauspielerin und Regisseurin Greta Gerwig, eine der wichtigsten Figuren des US-Independentkinos derzeit, schämt sich nun öffentlich für ihren Auftritt in Allens „To Rome with Love“ (2012). Auch andere beteuern, nie mehr mit dem 82-Jährigen drehen zu wollen, Ellen Page, Natalie Portman, Mira Sorvino und Colin Firth etwa. Rebecca Hall und der Jungschauspieler Timothée Chalamet haben gar angekündigt, ihre Gagen für den neuen Allen-Film „A Rainy Day in New York“ zu spenden, unter anderem an den aus der Metoo-Bewegung hervorgegangenen Rechtshilfefonds „Time’s up“. So entsteht gerade enormer Druck, eine Insinuation, jeder, der mit dem für nichts juristisch Belangten arbeite, bagatellisiere damit sexuelle Verbrechen.

Allen und die Bebenfolge

Woody Allen ist nicht einfach ein spätes Auch-der-noch-Opfer der Metoo-Anklagewelle. Er steht so sehr wie Harvey Weinstein an ihrem Anfang. Moses Farrow, noch ein Adoptivkind von Mia Farrow und Woody Allen, hat zu Protokoll geben, er glaube ganz und gar dem Vater, er habe Mia Farrow dabei beobachtet, wie sie Dylan den Missbrauch eingeredet habe. Ronan Farrow dagegen, der 1987 geborene leibliche Sohn von Mia Farrow und Woody Allen, glaubt seiner Mutter und seiner Schwester. Als Journalist hat er jahrelang zum Thema sexuelle Übergriffe in der Filmbranche und zur Person Harvey Weinstein recherchiert.

Wenn nicht die New York Times im Oktober 2017 mit einer eigenen Enthüllungsgeschichte herausgekommen wäre, fast nur Stunden, bevor Ronan Farrows spektakuläre Geschichte über Weinstein in Druck ging, stünde der Woody-Allen-Sohn ganz am Anfang der derzeitigen Bebenfolge in der Medienbranche und in der Arbeitswelt generell.

Metoo hat einen Ursprung in der Dynamik der Allen-Farrow-Beziehung. Und für Ronan Farrow war es möglicherweise das wichtigere Ziel, Woody Allen doch noch zu Fall zu bringen, als Harvey Weinstein zu stoppen.