Langsam werden die Internetadressen knapp, das alte Vergabeschema reicht nur für 4,3 Milliarden Adressen. Und nun sind auch noch die Dinge im Anmarsch. Gemeint sind nicht nur Smartphones und Tablettrechner, mit denen die Post-PC-Ära bereits begonnen hat.

 

Jetzt soll alles ans Netz.

Zu Gast bei Bill Gates

Der Stadt Seattle gegenüber am Ostufer des Lake Washington liegt, in die Uferhänge gebaut, das Anwesen von Bill und Melinda Gates. Hinter den naturholzgefassten Glasfronten gibt es eine Empfangshalle, in die etwa hundert Leute passen. Gäste erhalten hier einen elektronischen Anstecker mit einem Sensor, der ihre Anwesenheit registriert. Am Empfang werden ihre Vorlieben, etwa Musik- und Kunstgeschmack, erfasst. Das Haus versucht dann, ihnen entsprechend entgegenzukommen. Es merkt sich die Temperatur, die man beim Händewaschen bevorzugt, und stellt sie, wenn man das nächste Mal einen Wasserhahn aufdreht, automatisch ein. Wenn man ins Bad geht, erscheint möglicherweise ein Gemälde des persönlichen Lieblingsmalers auf dem Wandbildschirm. Das Haus steuert Licht, Heizung und Klimaanlage, die Musik und die überall verborgenen Lautsprecher (und die Überwachungskameras).

Das sogenannte intelligente Haus ist auch ein Lieblingsanwendungsgebiet der EU-weiten Forschung, die sich mit Umgebungsintelligenz („Ambient Intelligence“) befasst. Funkchips, Sensoren, Aktuatoren und mobile Rechner sollen immer dichter miteinander vernetzt werden und lernen, sich auf die Bedürfnisse der Bewohner einzustellen. Einer Prognose des Netzwerkausrüsters Cisco zufolge wird es im Jahr 2015 etwa 15 Milliarden Geräte mit Internetanschluss geben, 2020 sollen es bereits 50 Milliarden sein. IPv6, die neue Version des Internet-Protokolls, ist gerüstet für den Zuzug der intelligenten Dinge: der Adressraum wird von 4,3 Milliarden erweitert auf 340 Sextillionen Adressen, eine 1 mit 36 Nullen – das sind hundert mögliche Internetadressen für jedes Atom auf der Erde. Was soll da alles angeschlossen werden?

Die Adressen werden knapp – aber nicht für lange

Langsam werden die Internetadressen knapp, das alte Vergabeschema reicht nur für 4,3 Milliarden Adressen. Und nun sind auch noch die Dinge im Anmarsch. Gemeint sind nicht nur Smartphones und Tablettrechner, mit denen die Post-PC-Ära bereits begonnen hat.

Jetzt soll alles ans Netz.

Zu Gast bei Bill Gates

Der Stadt Seattle gegenüber am Ostufer des Lake Washington liegt, in die Uferhänge gebaut, das Anwesen von Bill und Melinda Gates. Hinter den naturholzgefassten Glasfronten gibt es eine Empfangshalle, in die etwa hundert Leute passen. Gäste erhalten hier einen elektronischen Anstecker mit einem Sensor, der ihre Anwesenheit registriert. Am Empfang werden ihre Vorlieben, etwa Musik- und Kunstgeschmack, erfasst. Das Haus versucht dann, ihnen entsprechend entgegenzukommen. Es merkt sich die Temperatur, die man beim Händewaschen bevorzugt, und stellt sie, wenn man das nächste Mal einen Wasserhahn aufdreht, automatisch ein. Wenn man ins Bad geht, erscheint möglicherweise ein Gemälde des persönlichen Lieblingsmalers auf dem Wandbildschirm. Das Haus steuert Licht, Heizung und Klimaanlage, die Musik und die überall verborgenen Lautsprecher (und die Überwachungskameras).

Das sogenannte intelligente Haus ist auch ein Lieblingsanwendungsgebiet der EU-weiten Forschung, die sich mit Umgebungsintelligenz („Ambient Intelligence“) befasst. Funkchips, Sensoren, Aktuatoren und mobile Rechner sollen immer dichter miteinander vernetzt werden und lernen, sich auf die Bedürfnisse der Bewohner einzustellen. Einer Prognose des Netzwerkausrüsters Cisco zufolge wird es im Jahr 2015 etwa 15 Milliarden Geräte mit Internetanschluss geben, 2020 sollen es bereits 50 Milliarden sein. IPv6, die neue Version des Internet-Protokolls, ist gerüstet für den Zuzug der intelligenten Dinge: der Adressraum wird von 4,3 Milliarden erweitert auf 340 Sextillionen Adressen, eine 1 mit 36 Nullen – das sind hundert mögliche Internetadressen für jedes Atom auf der Erde. Was soll da alles angeschlossen werden?

Das Netz wird zu „digitalem Sauerstoff“

Immer mehr vernetzte Geräte werden überhaupt nicht mehr zu sehen sein – winzige Chips, Sensoren und Kameras, kleiner als Brotbrösel, aktiv oder passiv abfragbar. Und „magische“ Technologie: die Hardware verschwindet und nur noch die Funktionen bleiben. Eine erste Vorstellung davon geben immer kleinere und leistungsfähigere Projektionssysteme, mit denen sich Bildschirme und Tastaturen aus Licht auf beliebige Flächen werfen lassen. Zwei winzige Tiefensensoren erkennen, wie man seine Hand bewegt, die Maus und Cursor ersetzt. Aber das „Internet der Dinge“ soll nicht nur die Intelligenz von Vorgängen (Beispiel Paketverfolgung) oder Alltagsgegenständen steigern – das Netz soll zu einer Umweltbedingung werden. Zu etwas, das immer und überall da ist, wie digitaler Sauerstoff. Etwas, das die Welt granular durchdringt.

Implantierbare Chips

Dieses Ziel lässt sich nun nicht mehr mit steter Miniaturisierung erreichen. Bei vielen Geräten ist eine biologische Grenze erreicht: Würde man sie weiter verkleinern, würden sie unbedienbar. Also müssen sie auf einen Schlag ganz verschwinden – in den Hintergrund, in Straßenlaternen, in die Kleidung.

Die Idee, dass der Mensch Netz- und Computerpower unmittelbar in sich aufnimmt, ohne den Umweg über außen liegende Gerätschaft, wie von William Gibson vor zwanzig Jahren in seinem Cyberpunk-Klassiker „Neuromancer“ beschrieben, ist auch keine Fiction mehr. Die US-Firma Applied Digital Solutions bietet schon länger einen reiskorngroßen, implantierbaren Funkchip an („Verichip“), der beispielsweise in Herzschrittmacher eingebaut werden kann, um eine ohnmächtige Person schnell identifizieren zu können. Die mexikanische Vertretung des Unternehmens demonstrierte, dass sich entführungsgefährdete Kinder mit denselben Methoden sichern lassen wie Oberklasselimousinen und entlaufene Haustiere – indem man ihnen den berührungslos auszulesenden Chip unter die Haut spritzt. Eine angekündigte Version, die per GPS zu orten sein sollte, löste so heftige öffentliche Reaktionen aus, dass man sich fürs erste auf die nur aus kurzer Entfernung lesbare Funkvariante beschränkte.

Der Fußboden weiß, wie schwer du bist

Die Vorstellung einer „intelligenten“ Lebensumgebung hat ihre Wurzeln im technischen Ersatz von Dienstboten. Vormals nur Wohlhabenden vorbehaltene Annehmlichkeiten sollten vor hundert Jahren durch die Elektrifizierung für jedermann verfügbar gemacht werden. Angesichts der demografischen Entwicklung – sinkende Geburtenrate, Zunahme von Haushalten, in denen nur eine Person lebt, wachsender Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen – geht es heute aber längst nicht mehr nur um die Automatisierung der Zugehfrau.

Am Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) in Duisburg wird ein Badezimmer entwickelt, das gern hilfreich sein möchte: das „inBad“, eine „Badumgebung mit Technikassistenz”. Der schlaue Raum soll beispielsweise Erinnerungshilfen für die täglichen Körperpflege vergesslicher Senioren bereitstellen. Über Sensoren im Fußboden werden Körpergewicht, Puls und Hygienehinweise erfasst. Bewohner zu beobachten und zu unterstützen, ohne sie zu stören, ist die gute Absicht der „assistiven Badumgebung“.

Wie man aber aus anderen Lebensbereichen weiß: Gut gemeint ist noch keine Kunst. Denn solche Systeme funktionieren immer nur dann gut, wenn ihre Nutzer eine möglichst monotone Lebensweise pflegen – oder zu einer solchen angeleitet werden sollen. Die gesammelten Daten kann ein Pfleger mit einem Tastendruck abrufen. So bleibe ihm Zeit für den Menschen, heißt es. Der mögliche Zeitgewinn könnte aber ebenso gut zu einer Verdichtung der pflegerischen Tätigkeit führen.

Intelligente Fresken

Im Palazzo Medici Riccardi in Florenz befindet sich die Kapelle der Heiligen drei Könige, die 1459 von Benozzo Gozzoli mit Fresken von berückender Schönheit bemalt wurde. In den abgebildeten Figuren sind viele Persönlichkeiten der Zeit zu erkennen, besonders die Mitglieder der Familie Medici fallen ins Auge – jedenfalls, wenn man die Möglichkeit hat, genau hinzusehen. Aber die Bilder sind zu hoch an der Decke.

Alessandro Valli von der Universität Florenz, ein Liebhaber der Künste und Pionier auf dem Gebiet der natürlichen Interaktion mit Maschinen, hat die Fresken fotografiert, dann haben Kunsthistoriker interessante Bereiche ausgesucht und dazu Kommentare aufgezeichnet. Jetzt kann man mit der Hand auf das Fresko zeigen und sich reinzoomen. Das Gozzoli-Fresko ist nun intelligent. Das System reagiert auf Gesten, die Ausschnitte werden auf einen Großbildschirm projiziert. Zwei unauffällige Webcams sind auf den Besucher gerichtet und vermögen zu deuten, worauf er zeigt. Es ist die Lösung für ein trickreiches Problem: Wie kann man öffentliche Orte mit Computerhilfe aufwerten, die von Menschen ohne Training benutzt werden können?

Amnesty-Plakate in Hamburg sind Vorreiter

Während Valli noch interaktive Schaufenster und Anzeigentafeln in Supermärkten kommen sah, installierte Amnesty International in einer Hamburger Bushaltestelle bereits das erste Plakat, das erkennt, wenn man es ansieht: mit Hilfe einer integrierten Kamera und Gesichtserkennungs-Software. „Es passiert nur, wenn keiner hinsieht“, so der Slogan der Plakatkampagne gegen häusliche Gewalt – wenn man das Motiv nicht ansieht, ist ein Mann zu sehen, der seine Frau schlägt; sieht man hin, ist ein friedliches Paar zu sehen.

Dinge, die denken

Das „Internet der Dinge“ soll aus dummen Dingen, die nichts weiter als da sind, einen Kosmos aus pfiffigen Türgriffen, klugen Küchen und cleveren Containern machen. Es soll uns nahe sein wie der eigene Körper und dennoch die ganze Welt umfassen. Und es soll neue, informative Ebenen einziehen zwischen uns und der Realität.

Steve Mann, Professor an der Universität von Toronto, beschäftigt sich seit den siebziger Jahren mit dem, was heute „Wearables“ heißt – Technik zum Anziehen. In den Anfängen war seine Ausrüstung genau so schwer wie er selbst, er wagte sich damit nur nachts auf die Straße. In den achtziger Jahren verkündete der damalige Leiter des Media Labs am MIT, Nicholas Negroponte, eine neue Mission: „Things That Think”. Er schwärmte von kommunizierenden Manschettenknöpfen und Computern, die so klein sind, dass man sie essen kann. Heute werden RFID-Chips eingesetzt, um alles mögliche zu verfolgen, von  Pokerchips bis zu Hotelhandtüchern. Und der britische Industriedesigner Hannes Harms hat ein System namens NutriSmart entwickelt, bei dem sich die winzigen Chips direkt in Lebensmitteln befinden und der Schinken im Sandwich bereitwillig Auskunft über sein Herkommen und seine Kalorien gibt.

Heute trägt Steve Mann nichts mehr, das an monströse Prototypen erinnert. Seine Display-Brille ist nicht auffälliger als eine Sonnenbrille, am Gürtel seiner Hose befinden sich eine Einhandbedienung, ein winziger PC und ein Funkmodem. Eine von ihm erfundene „Vibraweste” verschafft ihm das Gefühl, entfernte Dinge direkt an seinem Körper zu spüren.

Mode spielt inzwischen eine wichtige Rolle, um Technologie zugänglicher zu machen. Mitchell Page von der Universität Sydney präsentierte vor einiger Zeit Pullis mit Leuchtdioden-Panels, die bei Basketballspielen Spielinformationen in Echtzeit anzeigen, etwa Punktestand, Fouls oder die Restzeit. Die Daten wurden drahtlos von einem Zentralrechner in die Kleidungsstücke übermittelt. Page berichtete, die Athleten hätten verhindert, dass an der Datenkleidung Dinge wie Puls oder Erschöpfungsgrad abgelesen werden konnte, um dem Gegner keinen Vorteil zu verschaffen.

Smarte Bekleidung kann auch Wege aus dem wiederkehrenden Modedilemma weisen. Im Zweifelsfall geben die Textilien bekannt, was man an welchem Tag und zu welcher Zeit getragen hat – eine App gibt dann Empfehlungen für Unentschlossene. Dabei helfen sollen in die Kleidung integrierte Funkchips. Die Informatikerinnen Sea Ling und Maria Indrawan von der Monash University in Melbourne berichten, dass ein Prototyp der Software nach einer Lernphase, passend zu Tages- und Jahreszeit, individuell maßgeschneiderte Ratschläge erteilte.

Zuschaltbare Privatsphäre

„Mit dem Aufkommen des Internet der Dinge (wird sich) sicherlich auch unsere Vorstellung von Privatsphäre ändern“, heißt es in einem Papier der EU-Kommission zum „Internet of Things“. Tatsächlich gibt es beispielsweise auch bereits smarte Dinge, die Gefährdungen der Privatsphäre abwenden. Zwischen dem Hafen der japanischen Stadt Kobe und einer davor künstlich angelegten Insel kann man während der Fahrt mit einer automatischen S-Bahn ein ungewöhnliches Phänomen beobachten. An einigen Streckenabschnitten fährt der Zug sehr nahe an Wohnhäusern vorbei, jeweils kurz davor verwandeln die Fensterscheiben des Zugs sich plötzlich in Milchglas – um die Privatsphäre der Anwohner zu schützen. Die Scheiben sind aus sogenanntem „Privacy Glass” gefertigt, das sich auf Knopfdruck zwischen durchsichtig und intransparent umschalten lässt. Kleine Signalgeber an der Strecke teilen den Zugfenstern automatisch mit, wann sie den elektronischen Vorhang zuziehen sollen und wann der Blick freigegeben werden kann in die Bereiche, die uns gemeinsam gehören.

Unser Autor Peter Glaser

Aus selten gekehrten Ecken führender deutscher Feuilletons und Universitäten tönt periodisch die Ansicht hervor, es gebe einen Widerspruch zwischen dem Reich der schönen Künste und der digitalen Welt. Der Verfasser dieses Aufsatzes ist der Gegenbeweis in Person. Peter Glaser, geboren 1957 in Graz und heute in Berlin lebend, hat mit dem Punkroman „Der große Hirnriß“ 1983 debütiert und 2002 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Seit den frühen Achtzigern begleitet er die Entwicklung der digitalen Welt als Kolumnist, seit dem Jahr 2000 läuft seine Netzkolumne in der Stuttgarter Zeitung, seit 2008 sein StZ-Blog „Glaserei“.