Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Mit den pessimistischen Überschriften steht der „Spiegel“ in Deutschland nicht allein. „Nichts geht mehr“, so überschrieb kurz davor die Zeitung „Die Welt“ einen Leitartikel über die USA. „Amerikas Demokratie in der Abwärtsspirale“ titelte die Wochenzeitung „Die Zeit“. Doch wenn es eine Nation gibt, die für eine im schnellen Wandel begriffene Welt gewappnet ist, dann sind es die Vereinigten Staaten. Sie werden dabei nicht europäischer werden, sondern sich vom alten Kontinent noch weiter entfernen. Die Enttäuschung darüber scheint an der Wurzel so mancher düsteren Prognose für die USA zu stehen. Gelegentlich können die Europäer den Amerikanern nicht verzeihen, dass sie so anders sind. Doch was macht die Stärke der USA aus?

 

Die Macht der Multikultur

Wer sich einmal in einem lauten, lärmenden, bunten Viertel von New York umgesehen hat, wo Menschen aus allen Ländern der Erde aufeinanderprallen, der begreift, dass in den Vereinigten Staaten im wahrsten Sinn des Wortes die Welt zu Hause ist. In New Mexico oder Kalifornien wird die spanischsprachige Bevölkerung bald die Mehrheit stellen. Selbst Konservative akzeptieren, dass die USA ein Einwanderungsland sind. Der Streit geht nur darum, wie man ihren Zustrom dosiert. Immigranten sind ein politischer Machtfaktor, der nicht mehr ignoriert werden kann. Keine Multikulti-Fantasie, sondern das politische Überleben zwingt nun auch die Republikaner, sich den Problemen der Immigranten zu stellen. Die USA erwarten von Neuankömmlingen leidenschaftlichen Patriotismus und Anpassungsbereitschaft.

Andererseits ist das Land mit der Integration von Fremden groß geworden. So müssen frisch Eingebürgerte zwar den Treueid auf die Republik herunterbeten – andererseits akzeptieren beispielsweise die Schulen pragmatisch die Tatsache, dass nicht alle Schüler die gleichen Voraussetzungen haben. Es ist diese Augenhöhe, die in Deutschland noch lange nicht erreicht ist. Die Kinder der Einwanderer bekommen nicht gnädig die Toleranz der Mehrheitsgesellschaft zu spüren. Ihnen wird vermittelt: Du bist anders, so wie alle in deiner Klasse anders sind. Aber wenn du dich als Amerikaner bekennst, bist du genauso viel wert wie jeder andere. Das bedeutet keine multikulturelle Idylle. Doch die Vereinigten Staaten sind für die multiethnische Realität der Zukunft besser gewappnet als andere Nationen.

Demografische Dynamik

Wer sich einmal in einem lauten, lärmenden, bunten Viertel von New York umgesehen hat, wo Menschen aus allen Ländern der Erde aufeinanderprallen, der begreift, dass in den Vereinigten Staaten im wahrsten Sinn des Wortes die Welt zu Hause ist. In New Mexico oder Kalifornien wird die spanischsprachige Bevölkerung bald die Mehrheit stellen. Selbst Konservative akzeptieren, dass die USA ein Einwanderungsland sind. Der Streit geht nur darum, wie man ihren Zustrom dosiert. Immigranten sind ein politischer Machtfaktor, der nicht mehr ignoriert werden kann. Keine Multikulti-Fantasie, sondern das politische Überleben zwingt nun auch die Republikaner, sich den Problemen der Immigranten zu stellen. Die USA erwarten von Neuankömmlingen leidenschaftlichen Patriotismus und Anpassungsbereitschaft.

Andererseits ist das Land mit der Integration von Fremden groß geworden. So müssen frisch Eingebürgerte zwar den Treueid auf die Republik herunterbeten – andererseits akzeptieren beispielsweise die Schulen pragmatisch die Tatsache, dass nicht alle Schüler die gleichen Voraussetzungen haben. Es ist diese Augenhöhe, die in Deutschland noch lange nicht erreicht ist. Die Kinder der Einwanderer bekommen nicht gnädig die Toleranz der Mehrheitsgesellschaft zu spüren. Ihnen wird vermittelt: Du bist anders, so wie alle in deiner Klasse anders sind. Aber wenn du dich als Amerikaner bekennst, bist du genauso viel wert wie jeder andere. Das bedeutet keine multikulturelle Idylle. Doch die Vereinigten Staaten sind für die multiethnische Realität der Zukunft besser gewappnet als andere Nationen.

Demografische Dynamik

Europa, Japan und selbst das als Macht der Zukunft geltende China sind Nationen mit einer überalternden Bevölkerung. Länder wie Brasilien und Indien haben es hingegen immer noch schwer, schnell genug zu wachsen, um die Bedürfnisse ihrer expandierenden, jungen Bevölkerung zu befriedigen. Die Vereinigten Staaten hingegen kommen einem goldenen Mittelweg relativ nahe. Auch in den USA hat das Bevölkerungswachstum in der Krise nachgelassen. Doch von einer schrumpfenden Bevölkerung ist das Land weit entfernt. Die Probleme der amerikanischen Rentenversicherung sind deshalb vergleichsweise einfach lösbar, sofern der politische Wille vorhanden ist. Allein wegen ihrer Bevölkerungszahl werden die USA ihr Gewicht in der Welt zumindest halten – und gegenüber dem Erzrivalen China sogar ausbauen. Sie sind eine jüngere Nation als die Länder Europas, auch wenn etwa Großbritannien oder Frankreich sie zurzeit bei der Geburtenrate übertreffen. Sie sind zudem immer noch relativ dünn besiedelt. Es gibt Platz und Ressourcen, um eine wachsende Bevölkerung zu verkraften.

Kein verschnarchtes Merkel-Land

Aus deutscher Sicht scheint die US-Politik laut und ideologisch. Viel ist über die Gräben zwischen den nach rechts gedrifteten Republikanern und einem demokratischen Präsidenten geschrieben worden, der in Deutschland wohl in der CDU zu Hause wäre. Doch die Zukunftsprobleme sind auf dem Markt. Es wird nach Herzenslust um ihre Lösung gestritten. Auch manche Amerikaner schwelgen zurzeit in Niedergangsfantasien. Aber es gibt einen Unterschied: Selbst kritische Analysen enden mit einem optimistischen Blick auf die Zukunft.

Robuste, diskussionsfreudige Demokratie

In Deutschland wird hingegen nicht einmal das existenzielle Thema Europa und Euro-Rettung von den großen Parteien wirklich kontrovers diskutiert. „Alternativlos“ – dieses Wort gibt es im amerikanischen politischen Diskurs nicht. Wenn in Deutschland schon wieder mehr oder weniger diskret auf eine große Koalition zwischen SPD und Union zugesteuert wird, kann man sich schon fragen, welches politische Modell sich den Zukunftsproblemen offener stellt. Das soll die brutale, oft vom großen Geld dominierte US-Politik nicht verklären. Aber dort ist man wenigstens nicht von Sauerstoffmangel oder Schlafanfällen bedroht. Wohin treibt Europa? Wird diese Frage genauso ungeschminkt diskutiert wie die Zukunft der USA? Wenn das Wesen der Demokratie der Kampf der Meinungen ist, dann stehen die Vereinigten Staaten nicht schlecht da. Wer wollte diese robuste Demokratie mit der Herrschaft der KP-Technokraten in Peking tauschen? Oder mit den quälenden Entscheidungsprozessen in der EU ?

Einheit in der Vielfalt

Das Ausland blickt meist auf den US-Präsidenten, vielleicht noch auf den Kongress. Doch die Politik, welche die Bürger in den Vereinigten Staaten wirklich angeht, findet in den fünfzig Einzelstaaten statt. Dazu kommen die großen Städte wie New York oder Chicago, die Leuchtkraft für den Rest des Landes haben. Um diese Vielfalt fügt sich eine feste Klammer. Kalifornien oder Illinois mögen fast so pleite wie Griechenland sein, aber niemand glaubt, dass sie vom Dollar wegdriften. E pluribus unum – aus der Vielfalt die Einheit, lautet das Motto auf dem Dollarschein. Die Amerikaner streiten, aber sie halten zusammen. Kann man das von Europa behaupten? Oder von dem die Sezessionsgelüste in seinen Außenprovinzen fürchtenden China?

All dies lässt Raum für Experimente. Die Republikaner mögen landesweit Umwelt- und Klimaschutz verteufeln. Republikanische Bürgermeister haben oft keine Probleme mit grüner Politik. Was der eine Bundesstaat zu regulieren sucht, möchte ein anderer radikal deregulieren. Tempolimits, Steuern, Gesundheitswesen, Umweltgesetze, Strafgesetzgebung: für alles gibt es eine Auswahl an Lösungen. Gleichzeitig ist das Land ein einheitlicher Kommunikationsraum. Erfolge sprechen sich schnell herum. Die USA kann niemand in in eine Richtung kommandieren. Das lässt das Land bei oberflächlicher Betrachtung als widersprüchlich und zerrissen erscheinen. Doch in einer Welt des Wandels ist so viel Varianz ein Vorteil. Der nächste Präsident der USA mag ein Politiker und eine Politikerin aus einem Bundesstaat sein, von dem wir Deutsche nicht genau wissen, wo er liegt. Er oder sie wird seine Erfahrungen von dort mitbringen – und mit Ideen überraschen, von denen in Washington heute noch nicht einmal die Rede ist.

Das Netz spricht amerikanisch

Das Thema flexibles Denken führt zu einem Wirtschaftsbereich, in dem die USA von Anfang an den Takt vorgegeben haben und es bis heute tun. Google, Apple, Facebook, Microsoft, Amazon – die großen Namen der modernen Informations- und Internetwelt sind untrennbar mit den USA und vor allem deren Westküste verbunden. Programmiert und entwickelt wird heute überall auf der Welt. Die Hardware wird längst außerhalb der USA hergestellt. Doch die Hauptquartiere dieser Megafirmen, die den vernetzten Alltag von Milliarden Menschen bestimmen, liegen weiterhin in den USA. Im weltweiten Kommunikationsnetz stecken unverkennbar amerikanische Gene.

Attraktiv für kreative Köpfe

Das ist kein Zufall. Die Mischung aus Offenheit, Lockerheit, Kreativität und gnadenlosem Erfolgswillen, für die das Silicon Valley steht, ist anderswo nicht leicht zu reproduzieren. An den USA wird auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen. Das lässt sich nicht gleich in Arbeitsplätzen oder Produktionsziffern messen – aber wie Google tickt, das beeinflusst den Rest der Welt. Wenn die kreativen Köpfe, welche bestimmen, was die Welt bei ihren Suchanfragen im Internet zu sehen bekommt, amerikanisch sprechen, so ist das ein kaum zu ermessender Standortvorteil. Die Westküste der USA, wo viele dieser Firmen angesiedelt sind, blickt zudem nach Asien, wo die amerikanischen Ideen in Produkte für den Weltmarkt umgesetzt werden. Das schafft nicht nur geografische, sondern auch kulturelle Nähe. Der Bevölkerungsanteil der Asiaten in der Pazifikregion der USA ist dramatisch gestiegen. Und auch wenn manche qualifizierten Kräfte nach den Jahren in den USA verstärkt den Erfolg in ihrer asiatischen Heimat suchen, so sind das dennoch Hunderttausende potenzieller Brückenbauer.

Popanz China

Der Blick über den Pazifik richtet sich zwangsläufig auf das Land, das die USA angeblich in wenigen Jahren als größte Wirtschaftsmacht der Erde ablösen wird. Die aus China stammende US-Journalistin Jia Lynn Yang hat die Perspektive in einem Beitrag für die „Washington Post“ umgekehrt. „Wenn alles in China so gut läuft, warum denken so viele seiner Bürger darüber nach, hierher zu kommen?“, fragte sie. Ein Programm, mit dem die US-Regierung um chinesische Investoren wirbt, denen als Gegenleistung für geschaffene Arbeitsplätze eine Aufenthaltsberechtigung für sie selbst oder ihre Kinder winkt, ist ein enormer Erfolg. Am Ende zählt nicht nur das Bruttosozialprodukt, sondern auch die politische und kulturelle Strahlkraft. Warum wenden sich selbst einstige Feinde der USA wie Vietnam den Amerikanern zu? Was ist der Welt lieber: dass die USA elf Flugzeugträger besitzen – oder vielleicht einmal die Chinesen?

China hat noch einen langen Weg vor sich, um auch nur seinen Entwicklungsrückstand im Inneren aufzuholen. Es kann – und will wohl auch nicht – die USA militärisch bedrohen. Eine vernünftige amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik wird den Rüstungsvorsprung vor dem Rest der Welt geräuschlos reduzieren können, ohne das globale Gleichgewicht aus den Fugen zu bringen. Die anderen müssen aufholen. Amerika kann innehalten.

Abschied von der Rolle der alleinigen Supermacht

Wer den Abschied der USA von der Rolle der alleinigen Supermacht als Niedergang ansehen will, der soll das tun. Aber es ist der falsche Maßstab. Diese Entwicklung kann für die Vereinigten Staaten sogar ein Vorteil sein. Es zwingt das Land, nach Partnern Ausschau zu halten – und an ihnen besteht kein Mangel.

Das postamerikanische Zeitalter braucht Amerika

Der Raum für Irrtümer in der amerikanischen Politik ist enorm. Es gibt keine Garantie, dass Demokraten und Republikaner rasch die notwendigen Kompromisse finden. Das Schuldenproblem wird sich nicht von selbst lösen, die marode Infrastruktur wird nicht mithilfe der Portokasse repariert. Aber das Potenzial der USA ist intakt, wenn man es nicht an Idealen misst, sondern mit der Situation der Konkurrenten vergleicht. „Amerikaner tun am Ende immer das Richtige. Nachdem sie vorher alle anderen Möglichkeiten ausprobiert haben“, dieses Winston Churchill zugeschriebene Bonmot gilt noch immer. Wer den Niedergang der USA vorhergesagt hat, ist bisher immer auf dem falschen Fuß erwischt worden.

„In der Vergangenheit ist Amerika nicht wegen der ausgeklügelten Politik seiner Regierung, sondern wegen der Vitalität seiner Gesellschaft erfolgreich gewesen. Amerika florierte, weil es der Welt gegenüber offen blieb: offen für Güter und Dienstleistungen, für Ideen und Erfindungen und vor allem für Menschen und Kulturen“, schreibt der aus Indien stammende, US-Publizist Fareed Zakaria in seinem Buch über das postamerikanische Zeitalter, das er für die USA nicht als Bedrohung, sondern als Chance sieht. Die Vereinigten Staaten mögen aus europäischer Sicht jung scheinen, aber sie blicken auf eine lange Kontinuität zurück. Wo waren Deutschland, China oder Brasilien im Jahr 1787? Die Verfassung der USA, die damals verabschiedet wurde, gilt immer noch. Es quietscht und knirscht in diesem Gebilde. Doch frei nach Galilei bleibt beim Blick auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nur das Fazit: Und es bewegt sich doch!