Beim Essen ohne Kohle bekommen Bedürftige eine kostenlose warme Mahlzeit. Ebenso wichtig wie die Nahrung sind die sozialen Kontakte, die beim gemeinsamen Essen geknüpft werden.

Bad Cannstatt - Der orangerote Zettel liest sich wie das Wer-ist-Wer der religiösen Gemeinschaften in Bad Cannstatt: Neun Gemeinden und Vereinigungen machen in dieser Saison mit bei „Essen ohne Kohle“. Unter ihnen die Andreä- und Liebfrauen-Gemeinde, aber auch die Jesus Freaks, das Islamische Zentrum Stuttgart, der Hindu-Verein, der Tamilische Frauenverein und der Vedische Kulturverein. Das sind so viele wie noch nie in der Geschichte dieses Angebots. Von Oktober bis Mai gibt es im Schnitt einmal pro Monat ein warmes Essen für Bedürftige – und das eben ohne Kohle, wie der Name schon sagt.

 

Gedacht ist das Angebot als Einladung „für Menschen mit und ohne Wohnung“. Eine Gemeinde oder Vereinigung stellt ihre Arbeitskraft entweder in den eigenen Räumlichkeiten oder in der Tagesstätte Café 72 zur Verfügung. An einem Samstag oder Sonntag im Monat gibt es dann kostenloses Essen und Geselligkeit sowohl für Bedürftige als auch für Mitglieder und Interessierte. Menschen mit und ohne Wohnung sitzen dann an einem Tisch. Die Gemeinden und religiösen Vereinigungen tragen die Aktion durch Spenden.

Ein warmes Essen und soziale Kontakte

„Der Bedarf steigt“, sagt Diana Neugebauer, die als Sozialpädagogin im Café 72 arbeitet und „Essen ohne Kohle“ gemeinsam mit Kollegen koordiniert. Für manche geht es um den täglichen Überlebenskampf, für andere auch um das Alleinsein. „Die Einsamkeit nimmt zu“, sagt Neugebauer. Es gehe nicht nur um etwas Warmes im Magen, sondern auch darum, mit anderen Menschen in Berührung zu kommen.

Deswegen soll es nicht bei den neun Terminen von „Essen ohne Kohle“ in dieser Saison bleiben. „Wir versuchen, das durchgängig anzubieten“, sagt die Sozialpädagogin. Ihr Ziel ist es, im kommenden Herbst früher anzufangen, denn die Not sei nicht nur im Winter da. Sie sieht einen ganzjährigen Bedarf: „Essen ohne Kohle würde auch im August angenommen.“

Kandidaten für weitere Termine hat Diana Neugebauer schon fest im Blick: Für die Saison 2013/2014 will die Süddeutsche Gemeinschaft mitmachen, die schräg gegenüber vom Café 72 in der Kreuznacher Straße ihr Quartier hat. Der Kontakt kam bei einem Nachbarschaftstreffen zustande, wie Neugebauer berichtet. Auch der Vedische Kulturverein, der in diesem Jahr den Termin im November bestritten hat und zum dritten Mal dabei ist, wäre offen für ein weiteres „Essen ohne Kohle“. Doch das scheitert bislang am Geld. Denn neben der ehrenamtlichen Arbeit, welche die religiöse Gemeinschaft leistet, kommt noch der finanzielle Aufwand für das gemeinsame Mahl hinzu: 600 bis 700 Euro kostet es, ein Mal „Essen ohne Kohle“ auszurichten. Meist werden 100 bis 120 Portionen ausgegeben, manchmal aber auch 150. Genau an dieser Stelle, so erklärt Neugebauer, würden Spenden helfen, einen weiteren Termin auf die Beine zu stellen. „Das hilft eins zu eins“, sagt die Sozialpädagogin.

Der Vedische Kulturverein indes versucht auch anderweitig finanzielle Unterstützung zu bekommen und hat Kontakt zu einer verwandten Einrichtung aufgebaut. Eine Kultur des Helfens ist fest verankert in dieser Religion, die ein Vorläufer des Hinduismus und des Buddhismus ist. „Es ist viel Aufwand“, sagt Thomas Winkler, der im Vorstand des Kulturvereins ist. Dennoch würde der Verein gerne „Essen ohne Kohle“ zwei bis drei Mal im Jahr anbieten.

Geschnetzeltes und Besinnliches

Im November sind rund 80 Gäste zum Vedischen Kulturverein gekommen und haben eine indische Reisspeise, Poppadoms, Halwa mit Grieß, Butter und Milch als Nachspeise sowie Tee bekommen. „Wenn man Gott liebt, liebt man seine Mitgeschöpfe“, sagt Winkler. Die Barmherzigkeit – bezogen sowohl auf Tiere und Menschen – sei ein integraler Bestandteil des Hinduismus. Die soziale Versorgung werde nicht besser. Der Vedische Kulturverein möchte gegen den Egoismus in der Gesellschaft wirken – und hilft deswegen mit bei „Essen ohne Kohle“.

Nun steht der nächste Termin auf dem orangenen Zettel an: Am Sonntag, 23. Dezember, von 12 bis 16 Uhr lädt die Liebfrauen-Gemeinde in ihr Gemeindehaus an der Wildunger Straße 55 ein. Um 11.15 Uhr gibt es einen Wortgottesdienst in der Kirche. „Wir sind seit 18 Jahren dabei“, sagt die Gemeindereferentin Gerda Engelfried. Aufgetischt wird Geschnetzeltes mit Spätzle und Gemüse, eine Suppe, ein Salat und ein Pudding. Gegen 13.30 Uhr wird es eine Adventsbesinnung geben – und am Nachmittag Kaffee und Kuchen. Die Gemeinde rechnet wie jedes Jahr mit rund 160 Portionen. Die Firmlinge werden am Sonntag mithelfen bei der Essensverteilung.