Der Aufsichtsrat der Kreiskliniken beschließt auch ohne das Gutachten von Ernst & Young, die Abteilung Innere Medizin nach Kirchheim zu verlegen. Der Vertrag mit dem Geschäftsführer Franz Winkler wird außerdem frühzeitig aufgelöst.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - „Es ist die bitterste Stunde meiner politischen Arbeit.“ Am Tag nach der Aufsichtsratssitzung der Kreiskliniken ringt der Plochinger Bürgermeister Frank Buß spürbar um Fassung. Im Frühjahr hatten die Bürger seiner Stadt mit ihrem heftigen Protest zunächst die Schließung des Plochinger Krankenhauses verhindern können. Doch nun hat der Aufsichtsrat der Kreiskliniken, dem auch Buß angehört, am Donnerstagabend beschlossen, die somatischen Disziplinen, also die Innere Medizin samt Rheumatologie, von Plochingen nach Kirchheim zu verlegen. Zwar muss der Kreistag diese Entscheidung noch bestätigen, aber Buß macht sich keine Illusionen: „Angesichts des Drucks eines horrenden Defizits erwarte ich eine breite Mehrheit für diese Entscheidung.“

 

Das ist aber nur ein Teil des Maßnahmenkatalogs, mit dessen Hilfe das dramatische Defizit der Kreiskliniken verringert werden soll. So sollen wegen der schlechten Belegungssituation am Paracelsus-Krankenhaus in Ruit Pflegestationen zusammengelegt werden. Weitere Kosten sollen durch den Wechsel des Einkaufsverbunds sowie durch Neustrukturierungen in den Bereichen Reinigung, Fuhrparkmanagement sowie bei der Speiseversorgung reduziert werden. Insgesamt beziffert der Aufsichtsrat das Einsparpotenzial der nun beschlossenen Maßnahmen mit 2,46 Millionen Euro.

Der Geschäftsführer der Kreiskliniken muss gehen

Zudem hat das Gremium eine wichtige Personalentscheidung getroffen: Zum 30. November trennen sich die Kreiskliniken „im Einvernehmen“ von ihrem Geschäftsführer Franz Winkler. Dazu ist ein Aufhebungsvertrag formuliert worden, der Winkler, so ist zu hören, eine Abfindungssumme im niedrigen sechsstelligen Bereich zuerkennt. Winklers Arbeitsvertrag wäre noch bis zum 31. Dezember 2015 gelaufen. In einer gestern veröffentlichten Information an den Kreistag heißt es: „Die nunmehr sechsmonatige krankheitsbedingte Abwesenheit des Geschäftsführers auf der einen Seite, die strukturelle Umbruchsituation, die wirtschaftlichen Herausforderungen und die Neuorientierung unserer Kliniken auf der anderen Seite, machen eine präsente und tatkräftige Geschäftsleitung notwendig.“ Damit die Stelle zeitnah wiederbesetzt werden kann, hat der Aufsichtsrat seinen Vorsitzenden, den Landrat Heinz Eininger, beauftragt, einen Managementvertrag auszuarbeiten. Bis zur Neubesetzung wird die stellvertretende Leiterin der Kreiskliniken, Elvira Benz, das Unternehmen kommissarisch leiten.

Gutachten kommt erst im Januar

Die Entscheidungen über die Einsparungen kommen zu einem überraschenden Zeitpunkt. Denn bisher war der Kreistag davon ausgegangen, dass der Aufsichtsrat zunächst das von der Stadt Esslingen und dem Kreistag gemeinsam in Auftrag gegebene Gutachten zur künftigen wirtschaftlichen Leistungsstruktur der Kliniken im Landkreis abwarten würde, ehe er Fakten schafft. Doch da in das von Ernst & Young erstellte Gutachten zunächst noch Investitions- und Instandhaltungskosten eingearbeitet werden müssen und sich die Veröffentlichung wohl bis in den Januar verzögert, sah sich der Aufsichtsrat der Kreiskliniken zum Handeln gezwungen.

Denn auch die neuen Hochrechnungen für das laufende Jahr hätten ein Minus von 11,2 Millionen Euro ergeben. Im operativen Geschäft arbeiten demnach die Kliniken in Kirchheim mit 700 000 Euro, Plochingen mit 1,4 Millionen Euro und Ruit mit 3,1 Millionen Euro defizitär, während Nürtingen mit 2,8 Millionen Euro Gewinn den Verlust ein wenig reduziert. Mit 8,8 Millionen Euro schlagen aber die Abschreibungen bei den Gebäuden, der Medizintechnik und bei Geräten zu Buche. In der Information heißt es: „Dies bedeutet nichts anderes, als dass der bisher eigenfinanzierte Erweiterungsbau am Paracelsus-Krankenhaus und die Geräteausstattungen aller Standorte nicht mehr von den Kliniken erwirtschaftet werden können.“ Hierfür müsse man eine Lösung „im Gesamtkontext der anstehenden Strukturentscheidungen finden“.

Kommentar: Das Problem heißt jetzt Eininger

Kommentar - Es ist keine Überraschung. Es hat sich seit längerem abgezeichnet, dass der Aufsichtsrat der Kreiskliniken die Trennung von dem Geschäftsführer Franz Winkler beschließen würde. Winkler war nach zahlreichen Fehlern und Pannen – zuletzt dem Bau der defizitären Privatklinik am Eichenbrunnen in Ostfildern-Ruit – und angesichts des wachsenden Schuldenbergs der Kreiskliniken insgesamt immer mehr in die Kritik geraten. Bereits seit April war er krank geschrieben. Die Abfindung, die Winkler den Rauswurf versüßen wird, kostet den Steuerzahler immerhin einen sechsstelligen Betrag. Doch angesichts des millionenschweren Debakels rund um die Kreiskliniken sind das, zynisch formuliert, auch nur Peanuts.

Was man nicht vergessen darf: Versagt hat bei den Kreiskliniken nicht nur der Geschäftsführer, sondern auch der gesamte Aufsichtsrat – allen voran dessen Vorsitzender, der Esslinger Landrat Heinz Eininger. Schließlich ist es die Aufgabe des Gremiums, den Geschäftsführer zu kontrollieren. Nun stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat und vor allem sein Chef dazu überhaupt in der Lage sind?

Möglicherweise war diese Kontrolle mangelhaft. Oder aber Eininger hat den Geschäftsführer trotz mahnender Stimmen aus dem Kreistag gar ermuntert, offensiv den fatalen Expansionskurs zu fahren – um in der Konkurrenz mit der Stadt Esslingen die Nase vorn zu haben. Das wäre noch schlimmer. In jedem Fall wirft beides kein gutes Licht auf die Krankenhauskompetenz des Landrats. Die Frage muss erlaubt sein, ob Heinz Eininger mit der Herkulesaufgabe, das vom Sinken bedrohte Schiff Kreiskliniken zu retten, nicht schlicht überfordert ist? Die Schließung des Plochinger Krankenhauses mag ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. Es ist aber schon jetzt klar, dass diese Maßnahme bei weitem nicht ausreichen wird.