Eine Ausstellung widmet sich dem Thema häusliche Gewalt. Betroffene Frauen und Kinder aus dem Esslinger Frauenhaus zeigen ihre Werke neben professionellen Arbeiten.

Esslingen - Es ist nicht so, dass nach einem Bild alles wieder gut ist. Auch nach drei, vier Bildern ist das Trauma noch genauso groß wie zuvor. „Wir machen keine Therapie, aber es ist vor allem für die Kinder wichtig, sich überhaupt irgendwie auszudrücken“, sagt Marion Ebach vom Frauenhaus Esslingen. Was dabei herausgekommen ist, als die Kinder und Frauen des Frauenhauses die Möglichkeit hatten, sich auszudrücken, ist seit Sonntag in der Galerie 13 in der Esslinger Webergasse zu sehen.

 

Die Ausstellung „3+1=4“ beschäftigt sich mit dem Thema häusliche Gewalt. Der Titel bezieht sich auf eine erschreckende Zahl: Eine von vier Frauen in Deutschland ist schon einmal Opfer von körperlichen oder psychischen Angriffen in ihrem eigenen Zuhause geworden. Die Schau ist ein neuer Weg, den das Frauenhaus beschreitet, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Kinder leiden sehr unter häuslicher Gewalt

Unter Anleitung der Künstlerin Margit Bäurle haben zunächst die Kinder und dann auch ihre Mütter ihre Gefühle auf Papier und Leinwand gebracht – mal abstrakt, mal sehr konkret. Rote Farbe läuft wie Blut über die Gemälde zweier junger Frauen. Auf einem prangt ein gebrochenes Herz, an dem anderen hängt ein Stück Schnur, geknüpft zum Galgenstrick. „Die beiden sind 18 und 19“, erzählt Bäurle, „und sollten zwangsverheiratet werden.“ Niemals, glaubt sie, würden andere 18-Jährige solche Bilder malen. Einen weinenden Pinguin hat ein neunjähriger Junge gemalt, der nicht nur den Krieg in seinem Heimatland Afghanistan erlebt hat, sondern auch noch Gewalt in seinem Zuhause.

Gerade für Kinder wiegen die Folgen oft schwer. Wenn sie Zeugen von Gewalt zwischen den Eltern werden, verändert das ihr Verhalten nicht nur für die nächsten paar Jahre. 72 Prozent der Mädchen und 95 Prozent der Jungen, die zuhause Gewalt erlebt haben, wiederholen dieses Verhalten später in ihrer eigenen Beziehung.

Immer mehr Migrantinnen suchen Hilfe

Verglichen mit den ersten Jahren des Esslinger Frauenhauses ist der Anteil von Migrantinnen unter den Bewohnerinnen gestiegen. „Wir haben den Eindruck, dass diese Frauen sich jetzt eher Hilfe suchen“, sagt Marion Ebach. Es sei mittlerweile überall angekommen, dass es Hilfsangebote gibt. Gerade Frauen aus anderen Kulturen sind auf diese Angebote angewiesen. Behördengänge in einem fremden System und mit einer anderen Sprache fallen vielen schwer. Und: „Während deutsche Frauen bei einer Trennung oft Rückhalt in ihrer Familie finden, brauchen manche Migrantinnen auch vor ihrer eigenen Familie Schutz“, erzählt Ebach.

Sie beobachtet, dass die Frauen es immer früher schaffen, aus gewalttätigen Beziehungen auszubrechen. „Das freut uns natürlich, weil so die Hilfe auch früher ankommt.“ Für die Arbeit der Frauenhäuser wünscht Ebach sich vor allem eines: weniger Stress mit dem Geld. Denn ein Großteil des Etats des Frauenhauses speist sich aus Spenden. „Eine bundesweit einheitliche Finanzierung würde uns viel Arbeit ersparen und Zeit für wichtige Dinge lassen.“

Eine Woche gegen Gewalt an Frauen

Öffnungszeiten
: Die Ausstellung ist bis zum 2. Dezember in der Galerie 13, Webergasse 13, zu sehen. Montag bis Freitag ist sie von 16 bis 19 Uhr geöffnet, am Samstag, 1. Dezember, von 11 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am Sonntag, 2. Dezember, findet um 14 Uhr die Finissage statt. Zu sehen sind neben den Bildern der Frauen und Kinder auch Werke der Künstlerinnen Margit Bäurle und Raphaela Menzinger sowie Bilder aus dem Alltag im Frauenhaus, festgehalten von der Fotografin Katrin Perl. Der Erlös aus dem Verkauf der Bilder geht zur Hälfte an das Esslinger Frauenhaus.

Führung
: Dem Thema Hexenverbrennung widmet sich eine Stadtführung mit Heidi Gassmann, die am kommenden Samstag um 14 Uhr vor der Galerie startet. Der Eintritt von zehn Euro geht an das Frauenhaus. Anmeldung unter Telefon 0 15 78/7 60 08 29.

Gedenktag
: Seit 1981 ist der 25. November ein Gedenktag gegen Gewalt an Frauen, zunächst inoffiziell. Feministinnen wählten als Datum den Todestag der Schwestern Mirabal. Die drei dominikanischen Regimegegnerinnen waren 1960 auf Geheiß des Diktators Rafael Trujillo verschleppt und ermordet worden. 1999 griffen die Vereinten Nationen den Tag auf und machten ihn zum offiziellen Gedenktag.