Bei der zweiten Lesung des Esslinger Haushaltsentwurf machen einige Gemeinderatsfraktionen überraschende Vorschläge. Die CDU setzt sich für ein Parkhaus im Berg unterhalb der Burg ein.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Stadt Esslingen gibt momentan mehr aus als sie einnimmt. Dass sie dies auch im kommenden Jahr tun kann, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen, liegt an den zurückliegenden wirtschaftlich guten Jahren. Doch spätestens 2016 sind die Rücklagen aufgebraucht. Wenn kein Wunder geschieht, wird sich das strukturelle Defizit dann sichtbar in neuen Schulden niederschlagen.

 

Bei der zweiten Lesung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2014 hat diese Erkenntnis für recht unterschiedliche Reaktionen bei den Fraktionen gesorgt. Der CDU-Fraktionschef Gerhard Heubach kritisierte mit deutlichen Worten die Position der Verwaltung, die keine Vorschläge unterbreite, um die sich abzeichnende Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig brachte er ein neues Großprojekt, den Bau einer Tiefgarage, die von der Augustinerstraße in den Burgberg gegraben werden könnte, ins Spiel.

SPD will bezahlbaren Wohnraum bieten

Als eine Möglichkeit, um die Ausgabenseite der Stadt mittelfristig zu entlasten, sieht die CDU die Privatisierung oder zumindest Teilprivatisierung der Städtischen Verkehrsbetriebe Esslingen. Ein Gutachten soll die Vor- und Nachteile auflisten. Allerdings müsse die bisherige Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs gewährleistet bleiben.

Der SPD-Fraktionschef Andreas Koch verteidigte hingegen den von der Verwaltung eingeschlagenen Weg. Bei aller Kritik dürfe man nicht vergessen, dass Esslingen sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt habe. Unter vielen anderen Beispielen nannte Koch das Hengstenberg-Areal, das gerade wiederbelebt werde. Auch die Südtangente am Bahnhof sei entstanden und die Konturen des neuen Zentralen Omnibusbahnhofs zeichneten sich ab. Auf all das dürfe man in Esslingen ruhig ein bisschen stolz sein. Allerdings forderte auch Koch verstärkte Anstrengungen, um in Zukunft bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Dabei sind sich die SPD und die Grünen einig. Auch für deren Sprecher, Helmut Müller-Werner, ist bezahlbarer Wohnraum ein wesentliches Ziel. Deutlich anders als die SPD plädieren die Grünen hingegen bei der anstehenden Diskussion über einen neuen Flächennutzungsplan dafür, auch weniger Einwohner in Kauf zu nehmen, wenn es gleichzeitig gelinge, die Landschaftsschutzgebiete zu erhalten.

Düstere Konsequenzen

Die Freien Wähler wiederum haben nicht nur das strukturelle Defizit kritisiert, sondern ihrerseits eine Liste mit Einsparungsvorschlägen erarbeitet. Die Fraktionschefin Annette Silberhorn-Hemminger zeichnete in ihrer Rede ein düsteres Bild von möglichen Konsequenzen, wenn es nicht gelänge, das Defizit abzubauen. Brücken könnten gesperrt, Freibäder geschlossen, Kulturveranstaltungen gestrichen und das Nahverkehrsangebot reduziert werden.

Kommentar: Ausdruck der Hilflosigkeit

Etatberatung- Im kommenden Mai sind Kommunalwahlen. Es hätte also nicht überrascht, wenn die Parteien die letzten Haushaltsberatungen vor dem Votum genutzt hätten, um mit populären bis populistischen Forderungen bei den Wählern auf Stimmenfang zu gehen. Doch insgesamt muss man den Esslinger Volksvertretern attestieren, dass sie sich mit ihren Anträgen zurückgehalten haben. Sie haben auch nicht wesentlich mehr gefordert als in den Vorjahren. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Dass ausgerechnet die CDU, die den Finanzkurs der Verwaltung am schärfsten kritisiert hat, ein sicherlich wünschenswertes, aber momentan unbezahlbares Parkhaus im Berg unterhalb der Burg anregt, zeigt, dass Mathematik für manche Menschen wohl immer ein Buch mit sieben Siegeln bleiben wird.

Überraschend ist es dagegen schon, dass die Freien Wähler offenbar beschlossen haben, als Sparkommissare auf Stimmenfang in den Kommunalwahlkampf zu gehen. Die 20 Punkte umfassende Antragsliste enthält ausschließlich Vorschläge, wie der Haushalt der Stadt entlastet werden könnte. Dabei gibt es manch pauschale Kürzung, etwa im Kulturetat oder bei der Sportförderung, bei der die Freien Wähler die Antwort schuldig bleiben, an welcher Stelle konkret die Mittel gestrichen werden sollen. Die Fraktion macht aber auch sehr präzise und sicher nicht populäre Vorschläge. Etwa wenn sie anregt, 80 000 Euro für Vorplanungen zur Erweiterung der Stadtbücherei zu streichen, weil niemand heute sagen kann, wann und ob das Projekt überhaupt verwirklicht werden kann. Auch der vorgeschlagene Verzicht auf neue Stellen im Kommunalen Ordnungsdienst und Verkehrsordnungsdienst verdient Respekt.

Insgesamt ist die Liste der Freien Wähler dennoch nur ein Ausdruck der Hilflosigkeit aller Kommunalpolitiker. Denn selbst, wenn alle Maßnahmen umgesetzt würden, könnten die Ausgaben der Stadt lediglich um 783 000 Euro reduziert werden. Angesichts des im Jahr 2017 erwarteten Defizits von 11 Millionen Euro sind solche Einsparungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der neu gewählte Gemeinderat muss sich vom kommenden Jahr an auf schwere Zeiten einstellen.