Die Mountainbiker freuen sich auf eine Strecke im Wald, die Radsportlern aller Alters- und Leistungsklassen etwas zu bieten hat.

Esslingen -

 
Die Mountainbiker in und um Esslingen verharrten nur kurz in der Schockstarre. Nachdem das städtische Grünflächenamt im Januar ihre beliebte, aber nicht genehmigte Strecke im Wald beim Katzenbühl hatte abräumen lassen, war die Bestürzung groß. Aber schnell wurde sie von einer Aufbruchstimmung abgelöst. Die Biker haben sich zu einer Radsportabteilung im TV Hegensberg zusammengeschlossen, um eine neue, legale Esslinger Nordschleife – kurz Esnos – zu bauen. Nun sind sie nach gedeihlichen Verhandlungen mit den Verantwortlichen von Stadt, Kreis und Forst ihrem Ziel ganz nahe. Johannes Reiser, der stellvertretende Radsportabteilungsleiter und ein Esnos-Initiator der ersten Stunde, spricht im Interview über das Engagement und die Entwicklungen der vergangenen Monate.
Herr Reiser, die jüngste Meldung, dass ein Downhillfahrer tödlich verunglückt ist, hat die Menschen betroffen gemacht. Wie Beurteilen Sie das tragische Geschehen, inwiefern beeinträchtigt es Ihr Vorhaben, eine Bikestrecke am Katzenbühl einzurichten?
Der tragische Unfall in Stuttgart hat uns alle erschüttert und im Namen des Esnos- Teams möchte ich den Hinterbliebenen unser Beileid aussprechen. Aktivsportarten wie Mountainbiken, aber auch Bergsteigen und Rafting, beinhalten leider immer auch ein gewisses Risiko, und Unfälle sind nicht immer vermeidbar. Nichtsdestotrotz liebt auch die Mountainbikeszene ihren Sport und wird diesen weiterhin ausüben.
Was tun Sie bei der Einrichtung Ihrer neuen Strecke, um dieses Risiko zu minimieren?
Um das natürliche Risiko nicht unnötig zu erhöhen, wird unsere neue Strecke Esnos so sicher und sachgerecht wie möglich gebaut sowie ausgeschildert. Vor der Eröffnung wird der komplette Bereich von einem zertifizierten Fachmann abgenommen, allein schon um den Versicherungsschutz herzustellen und Haftungsrisiken zu minimieren. Wir wollen, dass jeder Besucher wieder mit einem breiten Grinsen nach Hause fahren kann und appellieren dabei auch an die Umsicht jedes Einzelnen.
Wie sehr schmerzt es Sie und die Mountainbike-Szene noch, dass die ursprüngliche, sehr beliebte Esnos im Januar von der Stadt Esslingen abgeräumt worden ist?
Die Esnos ist drei Jahre lang stetig gewachsen und dadurch zum Treffpunkt für Mountainbikefans aller Altersklassen geworden, von 14-jährigen Nachwuchstalenten bis hin zu tourenorientieren Mittfünfzigern. Unzählige Tage habe ich auf der Strecke verbracht, viele Stunden mit Freunden dort trainiert und dieses Juwel vor der Haustüre geschätzt. Der plötzliche Abriss hat natürlich eine Lücke in der Region und in meinen Bike-Aktivitäten hinterlassen. Eine vergleichbare Strecke findet man sonst nur in kommerziellen Bikeparks, Minimum eine Autostunde entfernt.
Aber Ihnen war es bewusst, dass die Strecke illegal in den Wald gebaut worden ist?
Das war uns natürlich klar. Wir waren jedoch lange der Meinung, dass die Esnos still geduldet werden könnte. Sie zentralisierte die Mountainbiker, es gab aufgrund der Lage nahezu keine Konflikte mit Fußgängern und bauartbedingt auch keine schweren Unfälle. Um eine nachträgliche Legalisierung auf den Weg zu bringen, hatten wir schon im vergangenen Sommer Gespräche mit dem TV Hegensberg geführt. Von der komplexen Haftungsproblematik, den unklaren Besitzverhältnissen sowie dem schwierigen Totholzbestand in dem Gebiet haben wir erst später erfahren. Ehrlich gesagt hatten wir uns das damals etwas einfacher vorgestellt.
Dennoch haben Sie nicht resigniert. Woraus haben Sie die Motivation geschöpft, weiter für eine legale Strecke zu kämpfen?
Kurz nach dem Abriss haben wir unter den Fans der Esnos angefangen, Unterschriften und Kontaktdetails zu sammeln, damit wir gegenüber der Stadt einen berechtigten Anspruch vorweisen konnten. Innerhalb von drei Wochen hatten wir 30 Mitglieder für eine künftige Radsportabteilung, 250 entschlossene Unterstützer aus der Region und 600 Mitglieder der Facebook-Gruppe, die gemeinsam eine legale und dauerhafte Esnos 2.0 fordern.
Hat es am Ende sogar etwas Gutes, dass das Grünflächenamt so rigide vorgegangen ist?
Die Rückbauaktion der Stadt hat in der lokalen Mountainbikeszene einen Aufschrei verursacht und damit eine Art Initialzündung ausgelöst, unsere Idee hat dadurch Auftrieb und Entschlossenheit bekommen. Allerdings kann ich beim besten Willen nichts Gutes darin finden, wenn eine so liebvoll modellierte und mit Herzblut gebaute Strecke zerstört werden muss.
Beim TV Hegensberg haben sich die Esnos-Initiatoren und –Anhänger zu einer Radsportabteilung zusammengeschlossen. Einzig mit dem Ziel, eine neue Bikestrecke auf die Füße zu stellen?
Das Betreiben einer Heimstrecke ist unser größtes und anspruchsvollstes Ziel. Dass wir mit unseren Vereinsmitgliedern zum Beispiel gemeinsame Touren, Bikepark-ausflüge, Fahrtechniktrainings und Schrauberworkshops organisieren können, ist ein toller Nebeneffekt. Nach heutigem Stand haben wir 84 Mitglieder und sind somit eine ernstzunehmende Abteilung im lokalen Vereinssport.
Wie beurteilen Sie die bisherige Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Stadt, des Forsts und der Fachbehörden?
Die Zusammenarbeit mit den Ämtern lief nach dem Abriss wirklich produktiv und nahezu reibungslos. Mit Unterstützung des Esslinger Grünflächenamts, des Sportamts sowie von Wolfgang Drexler (SPD-Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landtagspräsident, Anmerkung der Redaktion) und dem TV Hegensberg haben sich alle Beteiligten schnell gemeinsam an einen Tisch gesetzt und auf Augenhöhe verhandelt. Das Grünflächenamt hat beispielsweise durch einen detaillierten Bewertungsbogen der möglichen Strecken früh für Planungssicherheit gesorgt und den Ablauf damit beschleunigt. Das spiegelt sich auch in dem Ergebnis wider: Nach nur vier Monaten gemeinsamer Planung haben wir die Zusage für eine legale und attraktive Mountainbikestrecke im Esslinger Stadtwald.
Welche Verantwortung trägt der TV Hegensberg später als Betreiber der Strecke?
Wir sind verantwortlich für die Verkehrs-, beziehungsweise die Streckensicherung – also für regelmäßige Kontrollen des Streckenzustandes, der Beschilderungen sowie des angrenzenden Baumbestandes. Außerdem müssen wir als Pächter eine spezielle Streckenversicherung gegen mögliche Haftungsansprüche bei Unfällen abschließen.
Welche Hürden müssen noch überwunden werden, ehe Ihr Ziel realisiert werden kann?
Das Gesetz verlangt eine artenschutzrechtliche Prüfung. Dabei wird geprüft, ob besonders geschützte Tiere existieren und wie diese ungestört durch unsere Streckenführung weiterleben können. Außerdem müssen wir eine sogenannte Eingriffsausgleichsbilanzierung vorlegen, die aufgibt wie unser Eingriff in die Natur entsprechend ausgeglichen werden kann. Dazu holen wir derzeit Angebote mehrerer Gutachter ein. Beides sind übrigens keine K.-o.-Kriterien, sondern lediglich Richtlinien, die umgesetzt werden müssen.
Auf was für eine Strecke dürfen sich die Mountainbiker freuen?
Wir wollen das Erfolgskonzept der alten Esnos weiterführen und das heißt: Fahrspaß für alle. Das bedeutet, jede Schlüsselstelle hat eine Umfahrung, jeder Sprung ist gleichzeitig abrollbar. Alles wird deutlich ausgeschildert und somit für Familientouren als auch für wettkampferprobte Fahrer interessant.
Wieso fällt eine solche Strecke nicht unter die Vorgaben des Landesgesetzes der Zwei-Meter-Regel?
Unsere Strecke verläuft nicht auf einem bestehenden Wanderweg, sondern wird speziell für den Mountainbikebetrieb angelegt. Dadurch greift die strittige Zwei-Meter-Regel bei unserem Modell nicht.