Das Deutsche Roten Kreuz im Landkreis Esslingen hat etwa zehn Prozent zu wenig Notfallsanitäter. Die Mitarbeiter müssen zusätzliche Schichten übernehmen und überlaufen ihre Zeitkonten, berichtet ein Rettungsdienstleiter des Deutschen Roten Kreuzes.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Zwei- bis dreimal im Monat steigt Michael Wucherer selbst in den Rettungswagen und fährt eine Schicht. „Ich kann von meinen Mitarbeiter nichts fordern, was ich selbst nicht zu erfüllen bereit bin“, sagt der Rettungsdienstleiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der für 450 Mitarbeiter mitverantwortlich ist. Und was er von ihnen fordert, klingt zunächst heftig: zusätzliche Arbeitstage, zusätzliche Schichten. Zwölf Stunden im Einsatz für den Dienst am Patienten, fünf Tage die Woche.

 

Der Personalmangel bei den Rettungsdiensten ist eklatant. Er betrifft vor allem die Region Stuttgart, und dort vor allem die Ballungsgebiete. Besonders schlimm ist es im Kreis Esslingen, weil Michael Wucherer hier rund 60 Arbeitgeber ausmacht, die um die Sanitäter buhlen. Es sind Krankenhäuser, aber auch große Firmen mit eigenen Rettungsdiensten.

Grassierende Personalnot

Eines aber betont Michael Wucherer ganz deutlich: „Wer die 112 wählt, bekommt von uns immer rechtzeitig Hilfe.“ Die Personalnot habe keine Auswirkungen auf den Patienten, wohl aber für die Notfallsanitäter, die mit Überstunden und zusätzlichen Schichten die Lücken schließen müssen. Wegen dieser Personalnot musste das Deutsche Rote Kreuz auch schon mal Rettungswagen stilllegen. „Dann sehen die Nachbarn der Rettungswachen, dass der Wagen nicht fährt, und schließen irrtümlich daraus, dass wir nicht mehr ausrücken können“, sagt Wucherer. Tatsache aber sei, dass es keine Notfallreserve mehr gebe. Wenn Mitarbeiter kurzfristig ausfallen, dann muss er über eine Whatsapp-Gruppe versuchen, Kollegen zu finden, die den Dienst übernehmen.

Das DRK im Kreis Esslingen ist mit seinen 450 Mitarbeitern eines der größten im Land. Etwa 200 Notfallsanitäter sind dort beschäftigt, die Sollstärke wäre 220. Anders ausgedrückt: Etwa zehn Prozent fehlen.

Als Ursache des Personalmangels macht das DRK eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2014 aus. Darin wurde beschlossen, dass die zweijährige Ausbildung zum Rettungsassistenten abgeschafft wird, zugunsten einer dreijährigen Ausbildung zum Notfallsanitäter. Das heißt, den Rettungsdiensten im Land fehlt ein ganzer Jahrgang an Sanitätern.

Dazu kommt, dass sich die bereits im Einsatz befindlichen Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter weiterbilden mussten und oft wochenlang auf Schulungen waren. Zudem herrscht durch die gute Konjunktur allgemein Personalmangel. Und als wären das noch nicht genug Hindernisse, steigt die Zahl der Einsätze jährlich zwischen sechs und acht Prozent. Und schließlich muss das DRK immer mehr Stützpunkte vorhalten, um kurze Einsatzzeiten zu garantieren.

Mehr junge Leute ausbilden

Das einzige Mittel, hier abzuhelfen, sieht Michael Wucherer darin, mehr Leute auszubilden. Gerade seien es 1000 Azubis in der Landes-DRK-Schule in Pfalzgrafenweiler bei Freudenstadt. Er hofft, dass diese Jahrgänge im Oktober einsatzbereit sind und dass er damit seine Personallücken schließen kann. Dann können seine Mitarbeiter anfangen, ihre Überstunden abzubauen – und auch Wucherer und andere Führungskräfte müssen nicht mehr auf die Rettungswagen. Sie können dann wieder ihre Verwaltungsaufgaben im normalen Dienst erfüllen – und nicht mehr in den Überstunden.