Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach als Fastenprediger im Münster St. Paul.

Esslingen - Ein halbes Jahrtausend ist es her, dass die Einheit der christlichen Kirche durch die von Martin Luther angestoßene Reformation durchbrochen wurde. Die katholische Kirche in Esslingen fragt im Jubiläumsjahr der Reformation nach den Gemeinsamkeiten und dem Trennenden zwischen den beiden großen Konfessionen in Deutschland. Im Münster St. Paul sprach der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) am Sonntag zum Thema „Einheit in Vielfalt. Anmerkungen zur Ökumene aus Sicht eines Christen und Politikers“. Die Rede des Landesvaters war die letzte der fünf Fastenpredigten der Reihe „Kontroversen und Versöhnung und die Ökumene heute“.

 

Im Grunde herrscht Einigkeit

In seiner Ansprache betonte Ministerpräsident Kretschmann, dass die Trennung der Konfessionen vielen Menschen ein religiöses Leben erschwere. So würden rund vierzig Prozent aller christlichen Kinder in Baden-Württemberg in konfessionell gemischten Ehen aufwachsen. Sollen sich diese Familien immer wieder aufs Neue entscheiden müssen, fragte der 68-Jährige. Sie müssten beispielsweise entscheiden, welchen Gottesdienst die Familie besuchen wolle. Um diesen und weiteren Fragen zu entkommen, entschieden viele Menschen, sich aus der Kirche einfach zurückzuziehen. Damit würden sie den Problemen des Alltages in ihrer gemischt-konfessionellen Welt entkommen.

Es sei unnötig, dass gerade jenen Gläubigen, die engagiert seien, Kompromisse und Zugeständnisse abverlangt würden. Denn im Grunde herrsche Einigkeit unter den Konfessionen. Sie eine der Glaube, von Jesus gerettet zu werden. „Gott macht keinen Unterschied“, betonte Kretschmann, der als Ministrant bereits im Jugendalter aktiv am Kirchenleben teilgenommen hat.

Um zu verdeutlichen, dass Gott keinen Unterschied zwischen den Menschen mache, zog er die Apostelgeschichte aus der Bibel heran. Schon während der Antike habe es Zwist zwischen den Juden- und den Heidenchristen gegeben. Dabei würden sie alle von Jesus gerettet, wie der Apostel Petrus klargestellt habe. Der Unterschied zwischen den Konfessionen sei durch die Menschen gemacht worden, sagte Kretschmann. Für Gott sei aber nur wichtig, dass die Herzen der Gläubigen rein seien, ist der Ministerpräsident überzeugt. Warum werde also Gott von den Menschen durch die konfessionelle Trennung auf die Probe gestellt, fragte er, wie es bereits Petrus fragte.

Bisher ist keine Lösung in Sicht

Eine Auslegung des Wortes Gottes brauche es trotzdem, stellte Kretschmann klar. Es komme aber darauf an, wie der Glaube ausgelegt werde. In diesem Zusammenhang zitierte der Ministerpräsident den katholischen Theologen Karl Rahner. Dieser habe einmal gesagt: „Dogmen sind wie Straßenlaternen. Sie wollen den Weg beleuchten, aber nur Betrunkene halten sich daran fest.“ Es gebe auch viele Theologen, die die Spaltung nicht mehr wollten, ist sich Kretschmann sicher. Eine Lösung sei aber nicht in Sicht.

Dabei würden sowohl die Kirchen als auch die gesamte Gesellschaft von einer stärkeren Zusammenarbeit der Kirchen profitieren, ist Kretschmann überzeugt. Dafür müssten sie aber Antworten auf die Fragen des Alltags der Gläubigen finden. Dann könnten sie voneinander profitieren und gemeinsam wieder eine größere Anziehungskraft entfalten. Dies sei gerade in diesen Tagen erforderlich, in denen der Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft schwächer werde, mahnte der Fastenprediger und Ministerpräsident.