Nicht einmal jede zehnte Haltestelle im Stadtgebiet entspricht bisher den Vorgaben. Oft verhindern noch fehlendes Bewusstsein für die Problematik, finanzielle Engpässe und die Rücksichtnahme auf Interessen von Bürgerausschüssen den optimalen Umbau.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Ansagen sind eindeutig. Bis zum 1. Januar 2022, so steht es im Personenbeförderungsgesetz, soll der öffentliche Personennahverkehr vollständig barrierefrei sein. Bis dahin muss sich in vielen Städten und Gemeinden noch sehr viel tun. Das gilt auch für Esslingen. Im Ausschuss für Technik und Umwelt hat Marco Pastorini vom Tiefbauamt am Mittwoch ein umfängliches und bemerkenswertes Papier zu den Ausbaustandards und zur aktuellen Situation auf dem Weg zur Barrierefreiheit der Esslinger Bushaltestellen vorgestellt.

 

Nur 25 von 299 Haltestellen sind barrierefrei

Auf der mobilen Seite, bei den Bussen selbst, sieht es in Esslingen gar nicht einmal so schlecht aus. Im Busverkehr habe sich die Niederflurtechnik, die Rollstuhlfahrern und Eltern mit Kinderwagen die Benutzung der Fahrzeuge ermögliche, bereits weitestgehend durchgesetzt. Bei den Haltestellen sieht es dagegen noch dunkelgrau aus. In Esslingen gibt es 155 Haltestellen mit insgesamt 299 Bussteigen. Davon sind bisher lediglich 25 barrierefrei ausgebaut. Das entspricht einem Anteil von 8,4 Prozent. Wenn man bedenke, dass allein neun dieser Bussteige am neuen Zentralen Omnibusbahnhof zu finden seien, gebe es vergleichsweise wenig Wegeverbindungen im Stadtgebiet von Esslingen, die Personen mit einer Behinderung ohne fremde Hilfe nutzen könnten. Das gilt nicht nur für Menschen mit Einschränkungen bei der Beweglichkeit. Auch an sehbehinderte und blinde Fahrgäste und an Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung muss beim Umbau gedacht werden.

Die Richtlinien und Vorgaben sind bereits seit einigen Jahren bekannt. 2015 hat sich die Stadt Esslingen offiziell das Ziel gesetzt, ihre Bushaltestellen möglichst barrierefrei zu gestalten. Dennoch gibt es – laut Vorlage – auch seither noch erhebliche Mängel beim Umbau. Weil bei der Planung und Ausführung der Vorgaben umständlich auf verschiedene Regelwerke zurückgegriffen werden müsse, neigten Planer und einige ausführende Firmen dazu, diesen Aufwand zu umgehen, indem meist fehlerhafte Anlagen nachgebaut würden.

Auch muss das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Maßnahmen weiter wachsen, erklärt Pastorini. Bei den Verantwortlichen fehle oft noch immer das Gespür dafür, welche Konsequenzen Abweichungen vom Regelwerk haben, etwa bei der Verlegung von Blindenleitsystemen oder bei der Anfahrbarkeit der Haltestellen.

Oft verhindert die Finanznot den optimalen Ausbau

Zudem habe es immer wieder auch Zugeständnisse an Interessensvertreter, etwa an Bürgerausschüsse, gegeben. So habe man das Ziel Barrierefreiheit hintangestellt und Busbuchten erhalten, obwohl diese nicht optimal angefahren werden können. Auch strukturelle Defizite bei bestehenden Haltestellen werden, so heißt es im Konzept, zu wenig ins Auge gefasst. In der Regel werden solche Haltestellen selbst bei größeren Umbaumaßnahmen unabhängig von der Eignung am bestehenden Standort neu errichtet. Letztlich verhindert oft auch die Finanznot bessere Lösungen. Die Mittel für den Straßenbau sind begrenzt und reichen oft für einen vollständig barrierefreien Ausbau nicht aus.

Positiv erwähnt Pastorini den neuen Zentralen Omnibusbahnhof. Hier sei die Barrierefreiheit konsequent und in allen Planungsprozessen berücksichtigt worden. Zudem habe das Tiefbauamt beim Landratsamt einen Förderantrag gestellt. Die Stadt möchte im laufenden Jahr Zuschüsse für den Umbau von zehn Bussteigen erhalten. Auch habe auch die Stadt selber erstmals eigene Mittel für den barrierefreien Ausbau von Haltestellen bereit gestellt.