Mit der neuen Synagoge kehrt das jüdische Leben nach Esslingen zurück. Lange hat es gedauert, bis die zweite Synagoge in der Region Realität geworden ist.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Jetzt ist es offiziell: Das jüdische Leben kehrt nach Esslingen zurück. Vor wenigen Tagen haben die Stadt und die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) einen Erbbauvertrag für das Haus Im Heppächer 3 unterzeichnet. Damit übergibt die Stadt die ehemalige Synagoge an die IRGW. „Das ist ein bedeutender Markstein in der Nachkriegsgeschichte Esslingens“, sagt der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger. „Für den Gemeinderat und auch für mich persönlich kam nach dem Auszug der ,Galerie Kunst im Heppächer‘ keine bessere Nutzung in Betracht.“

 

Es sei schön, dass die mehr als 200 Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Esslingen nun wieder einen Ort ihrer Glaubensausübung und ein Zentrum für ihre Gemeinde bekämen. Zieger: „Dass unsere Mitbürger aber nun wieder in genau dem Gebäude beheimatet sein werden, das die damals neu gegründete jüdische Gemeinde ab 1819 in der Stadt als ihre Synagoge gewählt hatte, erfüllt mich mit ganz besonderer Freude. Das ist wirklich ein Glücksfall und nach den schrecklichen Verbrechen der NS-Zeit von höchster Symbolkraft.“

Aus einem Wunsch wird Wirklichkeit

Nach der Kündigung der Galeriebetreiber sei die Stadt auf die Israelitische Religionsgemeinschaft zugegangen. „Der Vertragsabschluss ist auch für die IRGW ein großer Moment – und ein ganz besonderer für unsere Esslinger Mitglieder“, erklärt Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der IRGW. Als die Jewish Restitution Successor Organisation 1945 einen Vermerk ins Grundbuch habe eintragen lassen, der eine Übergabe des Hauses an eine sich möglicherweise irgendwann wieder bildende jüdische Gemeinde vorsah, sei dies ein rein formaler Akt gewesen. Wohl niemand habe damals und auch in den folgenden Jahrzehnten daran gedacht, dass von diesem Passus jemals Gebrauch gemacht würde. Umso erfreulicher sei nun die aktuelle Entwicklung.

Esslingen wird nach Stuttgart die zweite Anlaufstelle für Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Region. Der Aufbau in Esslingen ist für die IRGW auch eine finanzielle Herausforderung: „Ohne den 2010 in Kraft getretenen Staatsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg, der uns langfristig Planungssicherheit gibt, hätten wir neben dem Neubau des Gemeindezentrums in Ulm diesen Schritt zum parallelen Aufbau der Esslinger Infrastruktur wohl nicht gehen können“, sagt Barbara Traub.

Ein Vertrag mit 100 Jahren Laufzeit

Ziel sei es, in den ersten drei Jahren die Räume zunächst mit jüdischem Leben zu füllen. Abhängig von der Nutzung, die sich dann konkretisiert haben dürfte, werde die IRGW dann über Investitionen entscheiden. Dabei hoffe man auf die Unterstützung durch Esslinger Bürger und Unternehmen. Der Erbbaurechtvertrag, bei dem das Grundstück im Eigentum der Stadt bleibt und das Gebäude in das Eigentum der IRGW übergeht, endet im Jahr 2111. Allerdings hat die IRGW in den ersten drei Jahren ein Rücktrittsrecht. Der Erbbauzins beträgt symbolisch einen Euro pro Jahr. Dafür hat die IRGW alle Lasten des Gebäudes zu tragen und hat sich verpflichtet, auf eine rein kommerzielle Nutzung zu verzichten. Jürgen Zieger: „Das ist eine hervorragende Lösung, die der Bedeutung der institutionellen Etablierung jüdischen Lebens in Esslingen Rechnung trägt.“