Auf Bitten der Weltfirma hat der Gemeinderat einen städtebaulichen Vertrag zur Finanzierung des Verkehrsknotens Nellinger Linde geändert – dabei aber nicht mit Kritik am Vorgehen des Unternehmens hinter dem Berg gehalten.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Firma Festo hat am Dienstag im Esslinger Rathaus für erhebliche Verwirrung gesorgt: Zunächst hatte es in einer Mitteilung geheißen; „Der Knoten Nellinger Linde ist Bestandteil eines städtebaulichen Vertrags zwischen Festo und der Stadt Esslingen. In diesem hat Festo zugesagt, sich am Ausbau des Knotens Nellinger Linde mit 24,4 Prozent der Kosten zu beteiligen. An diese Zusage hält sich Festo. Bezüglich dieses Vertrages hat Festo nie den Wunsch geäußert, auszutreten.“ Am Abend ruderte das Unternehmen dann überraschend zurück. Es habe firmenintern „Missverständnisse“ gegeben. Plötzlich räumt Festo ein: „Aufgrund des gestiegenen Gesamtaufwands im siebenstelligen Bereich hat Festo die Stadt Esslingen gebeten, den Anteil der Firma an den Kosten zum Ausbau des Knotens Nellinger Linde deutlich zu reduzieren.“

 

Genau dieser Wunsch hat am Montag im Esslinger Gemeinderat für erhebliche Aufregung und Bauchgrimmen quer durch alle Fraktionen gesorgt. Doch trotz des Unbehagens haben die SPD, die CDU und die Freien Wähler mehrheitlich beschlossen, den im Jahr 2013 geschlossenen städtebaulichen Vertrag mit Festo zu ändern und damit dem Unternehmen faktisch 317 000 Euro zu schenken. Die Grünen, die FDP, die Linken und Für Esslingen stimmten gegen den Vorschlag der Stadtverwaltung.

Konkret geht es um 634 000 Euro, die Festo laut dem städtebaulichen Vertrag zu zahlen hätte. Im Vorfeld der Baumaßnahme, die in der zweiten Jahreshälfte realisiert werden soll, sei Festo, so schildern es Vertreter der Stadtverwaltung wie des Gemeinderats übereinstimmend, ausgesprochen nachdrücklich mit der unmissverständlichen Forderung an die Verwaltung herangetreten, die Stadt möge die gesamten Baukosten der Verkehrserschließungsmaßnahme übernehmen. Dabei habe der Vertreter von Festo den Vertretern der Stadt in einer gemeinsamen Sitzung deutlich klar gemacht, dass man ein Entgegenkommen der Stadt erwarte, weil sich sonst der Ausbau des Knotens lange verzögern könne. Ein solches Vorgehen bestreitet Festo. In einer Stellungnahme liest sich das so: „Die Verhandlungen fanden in vertrauensvollem Rahmen und in gegenseitigem Respekt statt.“

Für den letztlich erzielten Kompromiss muss der städtebauliche Vertrag geändert werden. In der Sitzung argumentierte der Oberbürgermeister Jürgen Zieger im Sinne von Festo: „Wirtschaftsförderung hat viele unterschiedliche Facetten.“ Ihm liege an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Weltunternehmen, das viele Arbeitsplätze in Esslingen sichere. Die Entscheidung, den Vertrag zu ändern, sei für ihn „ein Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Esslingen.“

Deutlich kritischer äußerten sich die Fraktionsvorsitzenden: „Pacta servanda sunt – eigentlich sind geschlossene Verträge dazu da, eingehalten zu werden“, sagte der SPD-Chef Andreas Koch. 317 000 Euro weniger in der Stadtkasse täten „richtig weh“. Zwar sei der Gegenwert groß, den Festo durch den Neubau des Forschungs- und Technologiezentrums leiste. „Ein gewisses Kopfschütteln muss aber gerade unter guten Partnern erlaubt sein, wenn man die andere Seite nicht wirklich versteht beziehungsweise wenn man ihre Argumente und vor allem den Zeitpunkt für wenig plausibel hält.“

„Unter lauten schlechten Möglichkeiten die beste Lösung“

„Unter lauter schlechten Möglichkeiten ist der nun gefundene Kompromiss noch der beste“, argumentiert der CDU-Fraktionschef Jörn Lingnau. Hätte man auf die Erfüllung des Vertrags bestanden, wäre es aus Lingnaus Sicht wahrscheinlich gewesen, dass sich der Umbau des Verkehrsknotens verzögert hätte und man zudem möglicherweise in eine rechtliche Auseinandersetzung mit Festo geraten wäre. Das habe seine Partei vermeiden wollen. Aber natürlich sei die Stadt durch die nun für Festo gefallene Entscheidung, so Lingnau, „ein Stück weit erpressbar geworden“.

„Wir sind verblüfft, dass das Unternehmen Festo seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen will“, sagt Carmen Tittel, die Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Wenn Festo einen bestimmten Betrag hätte zahlen wollen, dann hätte man das 2013 als Festbetrag in den Vertrag schreiben können.“