Gerade katalogisiert das Esslinger Stadtarchiv die Biblothek des Georgii-Gymnasiums. Damit wird eine mehr als 700 Jahre lange Bildungstradition sichtbar. Am Mittwoch 12. Februar um 18 Uhr wird die Bibliothek eingeweiht.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Wenn eine Bibliothek lebt, dann können auch Teile von ihr sterben: „Der Bestand der Bücher im Georgii-Gymnasium ist immer wieder durchgerührt worden“, sagt der Esslinger Stadtarchivar Joachim Halbekann. Bände, die niemand brauchte, wurden verkauft, neue Bände wurden gestiftet.

 

Als sich das Stadtarchiv in Gestalt der Bibliothekarin Karin Waedt daran machte, vor einem halben Jahr die Bibliothek des Esslinger Georgii-Gymnasiums zu verschlagworten und zu digitalisieren, fand sie in den Räumen des gut 700 Jahre alten Bildungsinstitutes eine bunte Melange vor. Eine hebräische Bibel aus dem 16. Jahrhundert stand einträchtig neben einem Handbuch für den Sozialkundeunterricht aus dem Jahr 1978 und hatte den Staub der Jahrhunderte gesammelt.

Uralte Geschichte des Georgii

Lange haben Joachim Halbekann und seine Mitarbeiter überlegt, ob sie die bibliografischen Schätze ins Stadtarchiv integrieren oder an Ort und Stelle belassen sollen. Sie entschieden sich für die Schule als Aufbewahrungsort. Denn nur gemeinsam mit dieser altehrwürdigen Bibliothek lässt sich die ebenso uralte Geschichte des Georgii ablesen. Im Jahr 1278 wird die Esslinger Lateinschule erstmals erwähnt und beginnt eine ungebrochene Bildungstradition, die bis zum Neubau des Georgii-Gymnasiums im 19. Jahrhundert reicht.

Die ganz alten Bände, meist lateinische Klassiker, die für den Unterricht in der Lateinschule gebraucht wurden, könnten an einem Lernort mehr Frucht bringen als in den Kellern eines Archivs, so Halbekanns Überlegung. Sei es, dass die wunderschönen Einbände dazu dienen, das ästhetische Interesse der Schüler an Büchern zu wecken, sei es, dass die Schüler die Bände zu Forschungszwecken nutzen.

„Auch das ist für mich Pädagogik“, sagt Joachim Halbekann, „den Schülern zu vermitteln, wie groß der Raum des Wissens außerhalb des Internets ist“ und dass es Wissen gebe, dass nicht über das Netz nach Hause geliefert werde, sondern das man aufsuchen müsse, um es zu erleben. „Die Schulbibliothek dient schlicht auch als Antwort auf die Frage, wie Wissen generiert wird und vor allem – wie es außerhalb des Internets generiert wird.“

Die Lateinschule des Mittelalters dürfte über keine eigene Bibliothek verfügt haben, denn dazu war in dem heute von der Stadtkämmerei bewohnten Haus zu wenig Platz. Der Bücherschatz der Reichsstadt war im Turm der Stadtkirche St. Dionys untergebracht, und – was wenige wissen – die Bücher sind heute noch im Turm, wo sich das Stadtarchiv um die wertvollen Folianten der frühen Neuzeit kümmert.

Der ewig hungrige Rachen des Internets

In gewisser Weise ist die Bibliothek dann doch Futter für den ewig hungrigen Rachen des Internets. Die Bibliothekarin Karin Waedt hat die Titel und Verfasser digitalisiert und im großen Südwestdeutschen Bibliotheksverbund online gestellt, damit sie für die Forschung nutzbar werden. Karin Waedt, deren Stelle mehr schlecht als recht mit Hilfe der Landenberger-Stiftung finanziert ist, könnte nun noch einen Altphilogen brauchen, der ihr bei der Übersetzung der Titel hilft. Bis ins Jahr 2015 wird die Erfassung der Titel gehen, dann sind die 5000 Bände der historischen Schulbibliothek online und können den Gelehrten dienen.

Am kommenden Mittwoch wird die Bibliothek eingeweiht. Wer sie danach benutzten will, der muss einen Termin mit der Schulleitung des Georgii-Gymnasiums ausmachen und sich den Schlüssel besorgen. Dann kann er selbst dazu beitragen, die abgestorbenen Teile der Bibliothek wieder zum Leben zu erwecken.