Auf dem Weihnachts- und Mittelaltermarkt in Esslingen werden alte Handwerkskünste gezeigt. Wir stellen die Akteure in einer losen Folge vor. Heute: Der Steinmetz

Esslingen - Ein Fehlschlag, und der Hobby-Steinmetz, der gerade noch im tiefsten Mittelalter unterwegs war, um mit Fäustel und Meißel seinen Feuertopf auszuhöhlen, landet schmerzhaft in der Neuzeit. Ein Glück, dass Martin Linß, der trotz des tief ins Gesicht gezogenen Filzhutes ein wachsames Auge auf seine Klientel hat, den Verbandskasten immer griffbereit hat. „Meistens klopfen sich Väter auf die Finger, die ihren Kindern zeigen wollen, wie es geht“, schmunzelt der erfahrene Steinmetz, der zum ersten Mal mit seinem Stand auf dem Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt zu Gast ist.

 

Dass Kinder sich selbst ganz selten mal auf die Finger hauen, hat in seinen Augen einen ganz einfachen Grund. „Die wissen meistens ziemlich genau, was sie sich zumuten können“, sagt Linß aus der Erfahrung seiner mittlerweile knapp 20 Jahre, in denen er auf den Mittelaltermärkten im deutschsprachigen Raum unterwegs ist.

Mühevolle Handarbeit

Unter seiner Anleitung können Gäste auf dem Hafenmarkt in Esslingen einen Sandstein oder einen Kalkstein so lange bearbeiten, bis aus dem Rohling ein dekorativer Feuerstein fürs traute Heim entstanden ist. Eine halbe Stunde, eher noch mehr, muss der Hobby-Steinmetz investieren, um in mühevoller Handarbeit ein rund sechs Zentimeter tiefes Loch in den widerspenstigen Stein zu meißeln.

Der 56 Jahre alte Linß ist jedoch nicht nur im Mittelalter unterwegs, um den Besuchern einen Einblick in die Mühen der traditionellen Steinbearbeitung zu geben. Für ihn hat das Eintauchen in eine vergangene Welt, in der Konsum ein Fremdwort war, auch noch eine erzieherische Komponente. „Wir wollen den Menschen bewusst mit einer schlichten Lebensweise konfrontieren und zeigen, dass der Verzicht nicht zwangsläufig weniger Lebensqualität bedeutet“, sagt er aus innerer Überzeugung, auch stellvertretend für seine Handwerkerkollegen an den anderen Ständen. Martin Linß selbst hat das Steinmetz-Metier von der Pike auf gelernt – in einem Betrieb, der Grabsteine hergestellt hat. „Auf Dauer war mir das zu wenig. Da habe ich dann in einen Restaurierungsbetrieb in Thüringen gewechselt“, sagt er.

„Historische Steinmetzerey“ als Standbein

Nach der Wende hat er sich selbstständig gemacht, in der Rechtsform einer Ich-AG. Sein Standbein ist eine kleine Werkstatt in der Nähe von Weimar, die „Historische Steinmetzerey“, in der er je nach Auftragslage Sonnenuhren, Wasserspeier und Familienwappen fertigt. Sein Spielbein sind die Märkte, auf denen er in der traditionellen Kluft der Steinmetze – Hut, weißes Hemd, blaue Schürze – sein altehrwürdiges Handwerk demonstriert und auch den Besuchern die Erfahrung ermöglicht, wie es sich anfühlt, einmal selbst den Meißel zu führen und den Holzschlegel zu schwingen.

Das dreiwöchige Gastspiel in Esslingen ist für Linß so etwas wie die höhere Weihe im Fahrgeschäft. „Es ist eine Ehre, hier dabei sein zu dürfen. Der Esslinger Mittelaltermarkt ist eine echte Nummer in der Szene. Um ein Engagement hier wird man im Kollegenkreis beneidet“, sagt er. Das liege nicht nur an der mittelalterlichen Stadtkulisse, in die sich das Marktgeschehen harmonisch einfügt, sondern auch am Publikum. „Ausgelassen, freundlich, interessiert und nicht betrunken“, so das Urteil des Steinmetzen in aller Kürze.

Von der Stadt hat Martin Linß noch nicht so viel gesehen. „Erst einmal ist es darum gegangen, auf dem Markt und im Kollegenkreis anzukommen“, sagt er. Allerdings wird er sich, sobald es die Zeit zulässt, die gotische Frauenkirche mit ihren reichhaltigen Steinmetzarbeiten anschauen und vielleicht mit Constantin Baki, dem Chefrestaurator des Gotteshauses, ins Gespräch kommen.

Infos zum Weihnachts- und Mittelaltermarkt

Der Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt findet noch bis zum 22. Dezember in der Altstadt statt – täglich von 11 bis 20.30 Uhr, freitags und samstags bis 21.30 Uhr. Auf dem Marktplatz ist der Weihnachtsmarkt beheimatet, auf dem Rathausplatz und am Hafenmarkt geht es zünftig, mittelalterlich zu.

Am 26. November wurde der Markt mit einem großen Spektakel eröffnet: