Hersteller wie die Esslinger Firma Hengstenberg schlagen Alarm. Wegen der Dürre fällt die Krauternte extrem mager aus. Die Ausfälle können kaum kompensiert werden. Verbraucher könnten vor leeren Regalen stehen, zudem drohen Preissteigerungen.

Esslingen - Was nicht gewachsen ist, kann auch nicht geliefert werden“: diese schlichte Aussage des Bundesverbands der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK) bringt die Misere auf den Punkt. Die Ernte von Rot-, Weiß- und Grünkohl fällt in diesem Jahr wegen der Dürre verheerend aus. Firmen wie Hengstenberg mit Sitz in Esslingen, die mit der Krautmarke Mildessa Marktführer ist, oder das Filderstädter Unternehmen Fritz Schlecht Sauerkonserven klagen über die magere Ernte.

 

Die Ernteausfälle liegen bei mehr als einem Drittel

„Wir prognostizieren starke Einbußen für unser Mildessa Produktionsprogramm und dramatische Folgen für die Auslastung unserer Fabriken“, so der Hengstenberg-Geschäftsführer Philipp Hengstenberg. Die Vertragslandwirte bewirtschaften ihre Felder im Umkreis der Werke in Fritzlar (Hessen) und Bad Friedrichshall (Kreis Heilbronn). Hengstenberg rechnet mit Ernteausfällen von mehr als 35 Prozent.

Keinen Deut besser sieht es auf den Fildern aus. „Es ist richtig dramatisch“, sagt Armin Schlecht, der Geschäftsführer der Firma Fritz Schlecht Sauerkonserven, die das Weinsauerkraut „Filder Spitzbüble“ produziert. Für ihr Wachstum braucht die Kohlkultur eine kühlere, feuchte Witterung. Die Folge von Wassermangel und Hitzestress sind jetzt kleine Köpfe mit losen Blättern, was das Einschneiden, also das Hobeln des Krauts, erschwert. Das beliebte Filderkraut bringe in dieser Saison etwa drei Kilogramm auf die Waage und habe die Größe eines Fußballs mit Spitze, berichtet der Landwirt Frank Stäbler aus Leinfelden-Echterdingen. 2017 hatten die Köpfe noch Basketballgröße erreicht. Das Filderkraut ist eine Variante des Spitzkohls und wird vor allem zu Sauerkraut verarbeitet.

Zukäufe aus europäischen Nachbarländern scheiden aus

Für die gemüseverarbeitende Industrie sei die aktuelle Situation eine „enorme Belastung“, warnt der Branchenverband BOGK. Die Firmen hätten nur einen Bruchteil der erwarteten Rohware erhalten. „Dementsprechend können sie ihre Maschinen nicht auslasten und müssen kürzere Schichten fahren oder ausfallen lassen“, so der Verband. Der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie müssten sich darauf einstellen, „dass Lieferungen ersatzlos gestrichen werden müssen“. Auch Preissteigerungen könnten die Folge sein. „Ich denke, um eine Erhöhung kommen wir in diesem Jahr nicht herum“, sagt Armin Schlecht. Verbraucher könnten zudem vor leeren Regalen im Handel stehen, so der BOGK.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Herbstgemüse-Ernte in ganz Europa gleichermaßen betroffen ist. Daher sind Zukäufe aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich oder Polen nicht möglich. Ein noch weiterer Transport beispielsweise aus Russland oder anderen Ländern scheidet aus, zu teuer und lang wäre der Weg für die frische Rohware. Bei Hengstenberg setzt man wegen der Qualität ohnehin auf kurze Wege und bewährte Lieferanten. Zwar hätten einzelne Landwirte den fehlenden Regen mit einer Bewässerung auszugleichen versucht. Doch wegen der Hitze und der starken Verdunstung sei dies nicht immer effektiv gewesen, erklärt die Firma Hengstenberg.

Hoffnungen ruhen auf einem nassen Herbst

Landwirte und Unternehmen hoffen nun auf einen niederschlagsreichen Herbst, damit wenigstens bei den späten Kohlsorten die Ernte besser ausfällt. Sollte dies nicht der Fall sein, würde sich die Situation noch weiter zuspitzen. Während die Bauern Hilfszusagen der Bundesregierung erhalten haben, sei dies bei der Industrie nicht der Fall. Der Verband BOGK fordert jetzt an die Adresse der Politik, dass „die früher in den Verträgen üblichen Missernteklauseln wieder Standard werden“.

von 15 Sauerkrautfabriken sind zwei übrig geblieben

Böden
Die Filderebene zeichnet sich durch den sehr fruchtbaren Lößlehm aus. Damit bieten die Flächen hervorragende Voraussetzungen für den Gemüseanbau. Die Filder trugen seit dem späten Mittelalter zur Nahrungsmittelversorgung der nur rund zehn Kilometer entfernten Residenzstadt Stuttgart bei.

Krautanbau
Im 19. Jahrhundert wurden die Filder zu einem Gebiet mit intensivem Gemüseanbau mit Schwerpunkt Filderkraut. Im Jahr 1950 gab es auf den Fildern mehr als 3000 landwirtschaftliche Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe. Bis heute sind kaum noch 200 übrig geblieben.

Fabriken
Durch das Aufkommen der Sauerkrautkonserven in den 1950er Jahren erlebte der Krautanbau noch einmal einen großen Aufschwung, doch ging die Anbaufläche immer weiter zurück. Und von ehemals 15 Sauerkrautfabriken sind noch zwei übrig, eine in Bernhausen und eine in Grötzingen.